Kelly behielt Recht.
Wir wurden Freunde, sie war meine erste und einzige Freundin, damals im Kindergarten.
Gemeinsam wurden wir das größte Superheldenteam aller Zeiten, Kelly als Held und ich als ihr Sidekick.
Mit ihr wurden die Büsche am Rande des Geländes zu unserem Hauptquartier, das alte Dreirad zum Auto mit Lichtgeschwindigkeit und vorbei springende Eichhörnchen zu den übelsten Bösewichten, die man sich nur vorstellen konnte.Kelly war immer da.
Selbst dann, wenn niemand sonst auf der Erde mich wahrzunehmen schien.
Wir trafen uns nachmittags draußen auf dem Spielplatz, eroberten auf schwankenden Schiffen neue Kontinente und und retteten Städte, an einigen Tagen sogar die ganze Welt vor den fiesesten Antagonisten.
An einem sonnigen Tag rollten wir den Berg hinunter, Gras verfärbte unsere T-Shirts als wir aus dem Geheimversteck des bösen Doktor Schrecklich flüchteten, seine Eis spuckenden Drachen vermieden, die uns schließlich schnappen würden, wären wir zu langsam.
In jenem Augenblick, in welchem wir Doktor Schrecklich in das Gefängnis der Stadt verbannen wollten, drang der Ruf meiner Mutter an unsere Ohren, welcher mir sagte, ich sollte Heim kommen.
Kelly verschwand dann.
Kelly verschwand meistens, sobald meine Mutter kam. Bei mir zu Hause war sie nie, sie konnte nicht, erzählte sie mir, es ginge nicht.
Im Nachhinein denke ich, dass mich das schon hätte stutzig machen sollen, aber ich war zu jung, zu naiv, zu einsam um die Wahrheit zu erkennen.
Vielleicht, aber auch nur vielleicht, war es nicht nur das. Sie war der Traum eines jeden einsamen Kindes, da, wenn man sie brauchte, mit einer Fantasie ausgestattet, die ihres Gleichen suchte. Ein Jemand, ein Freund, auf den Verlass war, die Art, von denen man sich nicht trennen würde, selbst, wenn auf jene düsteren Zeiten zugehen sollte, die da kommen mögen.Kelly war immer da. Sie wurde von einem leichten Hoffnungsschimmer eines nicht allzu einsamen Tages zu meiner eigenen Sonne. Hell, wärmend, faszinierend. Kelly Blackmore, zwei Wörter, vier Silben, vierzehn Buchstaben, die mir meine Kindheit versüßten, mich das Lachen lehrten.
Um ehrlich zu sein, vermisse ich sie heute noch, ihre Stupsnase, von Sommersprossen bedeckt, und das Lachen, welches damals der schönsten Melodie glich, die ich jemals gehört hatte. Selten hang mein Herz, mein Verstand, so sehr an jemandem, sei auf Grund dessen, dass sie mein erste Freundin war, oder, weil die Welt jeden, früher oder später, zu einem kälteren, verschlosseneren Menschen macht, darauf bedacht, nicht verletzt zu werden, Kinderherzen jedoch noch voller naiver Wärme sind. Vielleicht auch deswegen, weil sie zwei Jahre meines Lebens die Hauptrolle spielte, als wäre das Zentrum meines kleinen Universums, und mich zunehmend in ihren Bann zog.
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Blurred
Teen FictionIn seinen Gedanken kann man schaffen, kreieren, zerstören, retten, verschwinden, kontrollieren, manipulieren - kurz gesagt, alles. Aber was, wenn die Grenze zwischen Realität und anderen, eigenen Universen verwischt und verschwimmt? Was, wenn die e...