Prolog: Gimme, Gimme a Man after Midnight!

4 1 1
                                    


Gimme, Gimme a Man after Midnight


Es ist laut und heiß. Die Luft ist stickig und von einem Mix ausAlkohol und schwitzenden Männern geschwängert. Ich seufze unddrängle mich rücksichtslos durch die tanzenden Körper, dochbesonders schnell komme ich leider nicht voran. Immer wieder pralleich gegen andere Menschen. Ein entnervtes Schnauben entkommt mir, alsich endlich die Tanzfläche überquert habe und nun wieder gradelaufen kann, ohne einen Ellenbogen grob in die Rippen gerammt zubekommen. Ich blicke mich suchend nach bekannten Gesichtern, hier imBarbereich des „Blue Dragons" um. Weiter hinten an denStehtischen kann ich meinen Cousin und seine Freunde ausmachen. Kurzüberlege ich, ob ich rüber gehen soll, um sie zu begrüßen,entscheide mich dann jedoch dagegen und schlängle mich lieber weiterzur Bar durch.

Nach dieser Scheißwoche habe ich absolut keinen Bock mich mit meinemCousin Fabian und dessen Clique abzumühen, ohne vorher nichtwenigstens ein klein wenig einen Sitzen zu haben. Mürrisch bestelleich mir erst mal ein großes Bier, als ich endlich an der Reihe bin.Bei meinem momentanen Glück hätte es mich nicht gewundert, wenn derBarkeeper mich zunächst eine Viertelstunde hätte stehen lassen ohnemich zu bedienen. Doch entgegen meiner Befürchtungen, lehne ichbereits zwei Minuten später mit dem Rücken an der dunklen Holzthekeund trinke erst mal einen großen Schluck meines kalten Bieres. Ichmerke, dass meine Laune sich ein klitze-kleines Bisschen hebt und dieAnspannung endlich beginnt, sich in Luft aufzulösen. Nach einemweiteren Schluck aus meinem Glas zünde ich mir eine Kippe an undinhaliere den Qualm entspannt. Tut das gut. Kurz wandert mein Blicknoch einmal zu Fabi und Konsorten hinüber. Es ist nicht so, dass ichden Kleinen nicht mögen würde, bei weitem nicht, aber manchmal ister einfach nur anstrengend. Ich seufze deprimiert, als ich sehe, wieer mit seinem besten Freund, ich glaube Nath war sein Name, amRumblödeln ist und das Ganze von mehreren Augenpaaren amüsiertbeäugt wird.

Ich trinke einen weiteren tiefen Schluck von meinem Bier. Mein besterFreund ist für mich gestorben. Ich habe ihn vor drei Wochen mitmeinem Partner in unserem gemeinsamen Bett erwischt. Selbst derGedanke daran lässt mein Herz noch immer krampfhaft zucken. Es tatso scheiße weh, die beiden dabei zu sehen. Ich wusste, dass unsereBeziehung schon länger im Alltagstrott, zwischen Job und Haushalt,festgefahren war, doch damit hätte ich nicht gerechnet. Ich spüredas bekannte Brennen wieder hinter meinen Augen aufsteigen. Jetzt wohneich erst mal wieder bei meinen Eltern, bis ich eine eigene Bleibegefunden habe. Energisch schlucke ich die Tränen mit einem weiterenSchluck Bier zusammen hinunter.

Ich hole einmal tief Luft und zwinge mir dann wieder ein Lächeln aufdie Lippen. Ich habe beschlossen heute meinen Marktwert auszutestenund mir was für die Nacht zu suchen, um mir Ablenkung zuverschaffen. Ehrlich gesagt bin ich gespannt, ob ich das nach sechsJahren Beziehung überhaupt noch kann. Ich bin zwar nicht mehr einerdieser Blutjungen Teenager, die grade zum ersten Mal das „BlueDragon" unsicher machen und zudem leichte Beute, beliebteOne-Night-Stands und Frischfleisch sind, doch als ganz hässlich undunattraktiv würde ich mich selbst nun auch wieder nicht bezeichnen.Ich bin 29 Jahre alt und ein Mann in der Blüte seines Lebens, wieich finde. Nun gut, ich muss zu geben, dass es ein wenig peinlichist, in meinem Alter wieder zurück zu den Eltern zu ziehen, aberangesichts der Umstände finde ich es verzeihlich. Ich nicke mir inGedanken selbst ermutigend zu und drücke dann meine Kippe in einemder bereitstehenden Aschenbecher aus. Ich fahre mir einmal kurz durchdas Haar, da mir einige Strähnen störend in die Augen hängen undlasse dann meinen Blick noch einmal zu Fabian schweifen.

Seufzend stoße ich mich von der Theke ab. Der Kleine wird bestimmtbeleidigt sein, wenn ich nicht wenigstens kurz „Hallo" sagengehe. Er war in den letzten Wochen echt für mich da und hat alleRegister gezogen, um mich ein wenig aufzumuntern. Langsam beginne ichmich mit meinem Bier zusammen durch die herumstehenden Grüppchen zuschlängeln, ohne etwas zu verschütten. Ich konzentriere michwirklich und so bleibt mir fast das Herz stehen und ich kippe vorSchreck die Hälfte meines schönen Getränks über meine Hände, alsich am Arm berührt werde. „Hey!", ich blicke wütend auf, habeschon eine bissige Bemerkung auf den Lippen, als mir einfach der Mundoffen stehen bleibt. Holla! Das ist genau die Art von Ablenkung, vonder ich die ganze Zeit rede! Der Kerl sieht einfach nur verdammt gutaus. Ich schließe meinen Mund wieder. Sieht bestimmt einfach nurlächerlich aus. Was soll's. Noch steht er vor mir, lächelt mich anund hat noch nicht schreiend die Flucht ergriffen. „Sorry, ichwollte dich nicht erschrecken.", er grinst ein wenig schief undverlegen und lässt dabei meinen Arm los. Ich lächle zurück. „KeinProblem." „Komm, ich gebe dir als Entschuldigung ein Neues aus.",er zwinkert verschmitzt und deutet in Richtung Bar. Kurz blicke ichüberlegend zu den Anderen, doch dann zucke ich mit den Schultern.„Da sage ich natürlich nicht nein.", ich gucke ihn an, zwinkregrinsend zurück und folge ihm dann zu meinem alten Standplatz.

TabuWhere stories live. Discover now