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Aufgewühlt lief ich durch die Straßen, die letztendlich doch alles gleich aussehen. Ich achtete gar nicht mehr darauf, wo ich hinlief, ich lief einfach um zu laufen, um zu entkommen, vor den Vorwürfen, die ich mir selbst machte.

Es war belastend, erdrückend, auch befreiend. Ich war so, so wütend. Ehrlich gesagt größtenteils auf mich. Es war seltsam. Ich war nie so gewesen, früher war in meinen Augen alles was ich getan hatte ohne Zweifel richtig. Nie hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, wie es dabei einer anderen Person gehen könnte. Es war einfach unwichtig gewesen. Ich hatte noch nie so über mich selbst gedacht. So kritisch. Im Allgemeinen hatte ich nie auch nur eine meiner Handlungen hinterfragt. Und jetzt kommt dieser Typ im Rollstuhl und wirft einfach alles durcheinander. Ich kannte ihn nicht einmal richtig, eigentlich war er völlig irrelevant, und trotzdem schaffte er es, dass ich mich wegen ihm schlecht fühlte. Besser gesagt, dass ich mich schelcht fühlte, wegen der Art, wie ich ihn behandelt hatte. Ich verstand es nicht. Klar, ich hatte mich im Sommer verändert, ich wusste das und ich hatte es auch mittlerweile akzeptiert das eine Änderung einfach nötig gewesen war. Ich hatte an mir gearbeitet, Tag für Tag, aber ich hatte mir geschworen, nie zu emotional zu werden. Hat ja offensichtlich lange geklappt. Nicht. 

Für mich war es nie akzeptabel gewesen, Emotionen zu zeigen. Ich war beliebt gewesen, wirklich beliebt. Ganz oben. Ich hätte nie zeigen dürfen, dass ich verletzlich war. Gut, damals war ich auch noch nicht so verletzlich gewesen, wie ich es geworden war. (Auch wenn es mir unglaublich schwer viel, mir selber einzugestehen, dass ich verletzlich, anfällig geworden war.) Ich hatte nie zeigen dürfen, dass ich auch manchmal trauerte, dass ich auch manchmal einfach alleine sein wollte. Es ging nicht, es passte nicht zu der Rolle, die ich gespielte hatte, so lange, einfach um durchzukommen. Und ich entdeckte erst, was mich eigentlich ausmachte, was ich eigentlich brauchte, was ich eigentlich wollte, jetzt wo ich diese Rolle nicht mehr spielte. Nicht mehr spielen konnte. Was ich brauchte war nichts als ein Freund. Einfach ein wirklich ehrlicher Freund. Das klingt zugegebenermaßen unglaublich kitschig, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass ich mich einfach danach sehnte, von jemandem so richtig verstanden zu werden.

Wenn ich eins gelernt hatte in meinen Jahren auf der Highschool, dann war es, dass man hart sein musste, um es zu schaffen. Man musste es jedenfalls so aussehen lassen, als wäre man hart, als wäre man unnahbar. Es war ein Schutzmechanismus und er funktionierte ohne Fehler. Bis man zerbricht.

Nach einer Weile lenkten mich meine Schritte nach Hause. Meine Eltern waren arbeiten, ich war ganz alleine. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und damit meinte ich nicht, ob ich Hausaufgaben machen sollte, oder ob ich lieber Fernseh schauen wollte. Nein, ich wusste nicht was ich unternehmen sollte, wegen der ganzen "Ich-verweichliche-so-langsam-und-bin-echt-kurz-vor-dem-Abgrund" Sache. Also saß ich eine Weile einfach auf meinem Bett. Ich saß da, und ich starrte auf meine Hände. Und ich versuchte nachzudenken. Es klappte nicht. Viel zu viel schwirrte in mir herum, ungeordnet und unkontrolliert, viel zu viele Fragen warteten auf Antworten, als dass ich auch nur zu einer annähernden Lösung für mein Problem kam. In so einem Zustand hatte ich mich den Sommer hindurch öfters gefunden. Es war schrecklich. Es war schrecklich zu sehen, wie im eigenen Leben, alles ganz langsam auseinandergleitet, während man selbst nur daneben sitzt und nicht den blassesten Schimmer hat, was man in so einer Situation zu tun hat. Denn in so einer Situation ist man nicht oft. Jedenfalls war ich früher noch nie in so einer Situation gewesen. In meinem Leben war alles geregelt abgelaufen, ich hatte mir nie Sorgen machen müssen. Sorgen ignoriert und verachtet zu werden, Sorgen vor abfälligen Blicken und Getuschel. Es war lustig, wie sich die Rollen umgedreht hatten.

Am nächsten Morgen wollte ich nicht in die Schule gehen, alles in mir bäumte sich mit größter Kraft dagegen auf. Der erste Schultag war schrecklich gewesen, der zweite würde es auch werden. In den ersten beiden Stunden hatte ich Mathe. Clay hatte auch Mathe. Er kam herein, sah mich an, rollte mir entgegen und blieb am Platz neben mir stehen. Er sagte nichts und sah mich auch nicht an. "Wieso setzt du dich noch neben mich?" Er schwieg. "Du hast gesehen, dass mich jeder hasst, außerdem hab ich dich wie Scheiße behandelt. An deiner Stelle würde ich keine Zeit mit mir verbringen." Ich selber war ein bisschen überrascht, dass ich das sagte, normalerweise war ich nicht so ehrlich. Nach einigen Sekunden antwortete er dann: "Ich kenne dich noch nicht. Mir ist es egal, wie dich die anderen behandeln, ich muss es schließlich wissen. Ich bilde mir lieber eine eigene Meinung."

Clay war wirklich erstaunlich, ich war mir nur noch nicht sicher, ob auf eine positive oder eine negative Art und Weise.

Hey, mal ein kürzeres Kapitel. Das Ganze ist ziemlich spontan und schnell geschrieben, also verzeiht Rechtschreibfehler etc.  Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch/es liest sie überhaupt jemand

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 07, 2017 ⏰

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