Straßenkind

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Ich renne so schnell ich kann. Die riesige Uhr tickt unerbittlich. Als ich um die Ecke biege, höre ich schon das Quietschen der Bremsen. Ein letzter Schritt, ein Sprung. Geschafft! Die Türen der überfüllten U- Bahn schließen sich hinter mir. Sie fährt los und ich lasse mich auf einen letzten, übersehenden Sitzplatz fallen. Ich weiß, dass meine Flucht mir maximal zwei Stunden Ruhe eingebracht hat, denn jeder weiß, wo ich mich aufhalte. Wo wir uns aufhalten, an einer alten, verlassenen Tankstelle.

Wir, das heißt ich und mein Gefolge, nennen uns die ‚Fallen Angels', aber von der restlichen Bevölkerung werden wir ‚der Abschaum' genannt. Warum?

Es heißt, dass wir respektlos sind, unseren Müll achtlos beiseite werfen und ‚Angst und Schrecken' verbreiten. Ich bin da anderer Meinung. Mein Gefolge bringt mir Respekt entgegen und ich ihnen auch. Wenn auch weniger. Und das mit dem Müll sehe ich als ‚gutes tun' an. Ich meine, je mehr Müll herum liegt, desto mehr Arbeit ist das für die Müllleute und je mehr Arbeit, desto mehr Arbeitsplätze! Aber zu behaupten, dass wir ‚Angst und Schrecken' verbreiten ist nun wirklich lächerlich.

Was können wir denn dafür, wenn jeder der uns sieht Angst bekommt und abhaut? Ich könnte jetzt sagen, dass wir da nicht ganz unschuldig dran sind, aber wenn wir unsere Fehler einsehen würden, wären wir ja nicht mehr wir selbst.

Außerdem sind wir allesamt Schulabbrecher. Dass liegt wahrscheinlich auch an mir. Ich habe die anderen dazu angestiftet scheiße zu bauen.

Schnell verdränge ich meine Selbstzweifel. Denn Selbstzweifel machen mich schwach und schwäche kann ich mir in meinem Job als Anführerin nicht leisten.

Ein kleiner Junge haut mir seine Sporttasche ins Gesicht und reist mich somit aus meinen Gedanken. Wütend springe ich auf. Ich öffne den Mund um ihn anzuschreien, was ihm den einfalle, mir die Tasche ins Gesicht zu hauen. Doch er kommt mir Frech zu vor, er grinst, streckt die Zunge raus und spuckt mir vor die Füße. Die U-Bahn hält und e springt raus. „Na warte! So kommst du mir nicht davon! Du bist der nächste!", schreie ich ihm hinterher.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich ziemlich aufbrausend und aggressiv bin? Und dass wir eine Art ‚Abschussliste' haben? Auf dieser schreiben wir alle möglichen Leute, die uns im weg waren und rächen uns dann.

Sofort fängt das Gerede wieder an. „Der Abschaum!", murmelt eine alte Frau entsetzt und zeigt überflüssiger Weise mit dem Finger auf mich. So ist das immer. Die Leute erkennen uns, reden und drehen sich angewidert weg. Langsam nervt es mich, dass niemand das Gute in uns sieht.

Aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Denn wir haben vor uns zu erheben, die macht an uns zu reißen und die Stadt und vielleicht auch mehr zu regieren! Es heißt, dass die Stadt deshalb so arm sei und keine Touristen kommen weil wir hier sind. Die noch übrig gebliebenen Bewohner der Stadt schämen sich für uns.

Mir kommt eine Idee. Ich springe auf, setze ein extra freundliches Lächeln auf und frage die Frau: „ Haben Sie ein Problem?" Erschrocken reißt sie die Augen auf und murmelt erneut „Abschaum". Dann stolpert sie hastig rückwärts in die Menschenmenge und ist verschwunden. An ihre Stelle hat sich ein junger Mann geschoben und funkelt mich aus eisblauen Augen an. Er kommt mir seltsam bekannt vor, wenn ich nur wüsste wo her, denke ich.

Ich atme tief durch, um dem Typen nicht an die Kehle zu gehen, doch als er spöttisch grinst, ist es um meine Selbstbeherrschung geschehen. Ich springe auf ihn zu und versuche ihm Meine rechte Faust ins Gesicht zu schlagen. Doch er fängt dies ab und grinst noch breiter.

Die Menschen in dem Wagen bilden eine Art Gasse, zum einen, um nicht verletzt zu werden, aber auch zum anderen um den Kampf zuzusehen. Sie sehen in dem Typen einen Helden, da er sich traut, es mit mir auf zu nehmen. Doch das wird er bereuen! In Gedanken setze ich ihn ganz nach oben auf die ‚Abschussliste'. Mit meiner linken Hand kralle ich mich in seinen Arm und hoffe, dass er meine Hand dann los lässt. Doch stattdessen dreht er sein Handgelenk und entzieht sich meinem Griff. Blitzschnell packt er auch meine rechte Hand. Mist! Ich verlagere mein Gewicht auf das linke Bein, ziehe das rechte hoch und hole aus, um ihm in die Eier zu treten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 06, 2017 ⏰

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