"Soldat?""Ja, Leutnant?"
"Feuer frei."
Finn schmiss sich über die Rückenlehne des Bussitzes und feuerte Spuckkügelchen in die hintere Reihe, als würde sein Leben davon abhängen. Um ihn herum taten es ihm die eine Hälfte der Jungs gleich, während die andere Hälfte sich dramatisch auf den Busboden schmiss, um Schutz vor den feuchten, zusammengerollten Papierfetzen zu suchen. Die Kriegsschreie waren laut und dröhnend, das Gemetzel groß. Finn sah wie eine besonders große Spuckkugel Marcus direkt ins Gesicht traf und der Junge zu Boden fiel, über die Sitze rollte und vor zugegebenermaßen gut vorgetäuschtem Schmerz schrie, was zu großem Lachen der Mannschaftsmitglieder führte.
Sie alle hatten an irgendeinem Zeitpunkt komplett aufgehört die lauten Proteste des Busfahrers wahrzunehmen und als der Trainer seine Kopfhörer aufgesetzt hat und unmittelbar nach Beginn der langen Busahrt eingeschlafen ist, war er eine nicht besonders große Hilfe, die räudigen Teenager unter Kontrolle zu halten. Nur wenige Zeit später entstand ein Krieg um Leben und Tod mit Alex als Gruppenführer des ersten Heers, und Mannschaftskapitän, Robin, als Führer des zweiten.
Finn duckte sich hinter seinem Sitz, einem besonders nassem Papierkügelchen ausweichend. Starke, warme Finger umgriffen sein Handgelenk und zogen ihn mit einem schnellen Ruck nach unten. Finn fand sich plötzlich auf allen Vieren am Busboden wieder - neben einem breit grinsenden Alex, der sich unter den Sitzen versteckte. Alex Augen erinnerten ihn sofort an die vorherige Nacht, an den Kuss und alles andere. Finn wurde rot im Gesicht.
Nach dem Kuss und nachdem Alex vom Bett gesprungen war, als wäre es in Flammen aufgegangen, starrten die zwei schockiert einander an, bevor sie in Gelächter ausbrachen. Alex saß sich wieder auf die Bettkante und Finn wartete ab, ob er vorschlagen würde, es noch einmal zu versuchen - was er nicht tat, doch die zwei diskutierten für einige Zeit, was sie tatsächlich tun würden. Finn, der praktisch veranlagte der beiden, schlug vor, es online nachzuschlagen, sodass sie genau wussten, was auf sie zukommen würde. Nach fünfzehn Minuten lachen, gegenseitigem Necken und Aufziehen, fanden sie eine geeignete Seite, die alle Wissenslücken füllte - wortwörtlich alle. Finn und Alex saßen und lasen für eine lange Zeit, Münder offen, Augen weit aufgerissen, alle kleinen Tipps und Tricks in sich aufsaugend wie zwei Schwämme unter Wasser.
Letztendlich einigten die beiden sich darauf, dass sie es nicht mehr ertrugen, weiterzulesen. Also schalteten sie den Laptop aus und hockten nur ruhig da. Dann lag Alex eine Hand auf Finns Schulter und beschwichtigte ihn, dass sie es nicht tun müssen, wenn er es nicht mehr wollte - doch Finn versicherte Alex, dass alles okay sei. Sie würden einfach probieren, was die Seite vorschlug, und nur das tun, was ihnen wirklich gefiel.
Sie tauschten sich weiter aus. Es war schrecklich peinlich - mit viel Gestotter, plötzlichem Abbrechen mitten in den Sätzen und Ausweichen von Fragen, auf die beide keine Antwort wussten. Sie konnten sich trotz allem auf den Spielplan, einfach alles auf sie zukommen zu lassen, einigen - auch wenn sie sich am Ende des Gesprächs kaum noch in die Augen sehen konnten.
Und irgendwann kam die Erkenntnis, dass einer der beiden unweigerlich einstecken musste. Nach einer langen Diskussion, die hauptsächlich aus "nein, du!", "nein, du!" bestand, sowie einigen vergebenen Runden Schere, Stein, Papier, kam Alex mit der Idee, es einfach zwei Mal zu tun und sich abzuwechseln. Es war, ihm zufolge, der einzig faire Weg.
Sie waren gerade dabei die PlayStation anzuschalten, als Finn sich dazu entschied, seine Gedanken laut auszusprechen. Was ist mit Kondomen und Gleitgel? Ja, nein? Alex sah ihn verdutzt an. Dann, nach einer weiteren peinlich schleppenden Konversation, zogen die beiden kurzerhand Jacken und Schuhe über und schlichen kichernd, wie kleine Mädchen, aus dem Haus. Sie machten ihren Weg nach draußen, nur wenige Straßen später kamen sie am Drogerieladen an. Sie ließen sich Zeit beim Erkunden der Regale, stöberten durch die Kondompackungen mit verschiedensten Geschmacksrichtungen und die vielen bunten Gleitgele. Auf dem Weg zur Kasse schnappten sie sich noch ein paar Tüten Chips und Gummibärchen und natürlich Energydrinks. Es kam ihnen nicht einmal in den Sinn, wie die Situation auf andere wirken könnte: zwei Typen, die kurz vor Ladenschluss Kondome und Gleitmittel kauften - bis die hübsche Brünette an der Kasse sie wissen ließ, dass sie ein total süßes Paar abgäben. Stumm und mit hochroten Köpfen huschten die Jungen aus der Drogerie.

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Aus Unseren Systemen
Short StoryNa und, dann wollte er ihn eben küssen. Was war bitte so schwul daran, seinem besten Freund so nah wie nur möglich sein zu wollen?