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Als ich am nächsten Morgen aufwachte und ins Badezimmer gehen wollte, stand mein Bruder ungeduldig vor der Tür. „Ist das Bad besetzt?", fragte ich gähnend. „Ja Mom ist da schon eine halbe Stunde drin." Ich zog die Stirn kraus. „Wir haben hier 5 Badezimmer, wieso benutzt du kein anderes?" „Weil da mein ganzes Zeug drin ist und Mom mich einfach nicht reinlässt." Er ging zur Tür und klopfte laut dagegen. „Wie lange brauchst du denn da noch?", brüllte er um das Geräusch des Föhns zu übertönen. „Nicht mehr lange Schatz.", antwortete meine Mutter in einem für meinen Geschmack etwas zu fröhlichen Ton. Matthew atmete angestrengt aus und lehnte sich wieder an dieselbe Stelle wie vorhin. „Ich weiß übrigens von deinem Kuss mit Miles.", bemerkte er jetzt. Ich geriet in Panik. Hatte Miles ihm davon erzählt? „W... welcher Kuss?", spielte ich. „Na der auf der Party. Mann ich hätte ihm echt eine reinschlagen können dafür, dass er meine kleine Schwester geküsst hat." „Er war betrunken.", winkte ich locker ab. „Trotzdem, wenn er dir irgendwie zu nahekommt, dann sag Bescheid." „Seit wann beschützt du denn mich?", schmunzelte ich. „Seitdem du dich für Jungs interessierst." „Du bist wie Dad.", lachte ich und machte mich auf den Weg nach unten.

Heute Abend hatte mein Bruder sein erstes Lacrosse Spiel und Dad hatte Mom und mich dazu gezwungen mitzukommen. Erst hatte ich mich versucht davor zudrücken, da ich wusste, dass Miles auch da sein würde, doch Dad sah mich mal wieder mit diesen braunen Hundeaugen an, sodass ich einwilligte. Ich zog meine helle Jeans und einen dunkelblauen Pullover – in der Farbe des Teams – an und fuhr dann mit Mom, Dad und Matt zur Hampstead Highschool. Es war schon dunkel und ich fing schon leicht an zu frösteln, da es hier in London im Herbst wirklich kalt werden konnte. Wieso musste denn das Spiel auch draußen stattfinden? Dad ergatterte leider einen Platz in der vordersten Reihe, weswegen ich mich nicht vor Miles verstecken konnte. Nach dem Traum letzter Nacht nahm ich mir vor, ihm so wenig wie nur möglich zu begegnen, was wirklich nicht einfach war, da er erstens mein Tutor war und zweitens der Freund von Matthew. Das schlimmste aber an dem Platz war, dass wir direkt hinter der Bank der Spieler saßen und ich somit in unmittelbarer Nähe von Miles (direkt hinter ihm) war. Doch er schien mich zum Glück noch nicht bemerkt zu haben und war in ein tiefes Gespräch mit meinem Bruder und Arthur verwickelt. „Meine Familie ist auch hier.", hörte ich Matt sagen. „Ach ja, wo denn?", fragte Miles. Mein Bruder grinste. „Direkt hinter dir." Miles drehte sich um und wirkte erst geschockt, da ich ihm unglaublich nah war, doch dann lächelte er verlegen, ebenso wie ich und er drehte sich wieder um. Mein Herz war für eine kurze Zeit stehen geblieben, als er sich umgedreht hatte und ich atmete nun erschöpft aus. „Alles klar?", fragte mein Dad, der neben mir hockte. Er konnte seine Begeisterung kaum in Grenzen halten, er schien sich wirklich für Lacrosse zu interessieren. „Sicher.", antwortete ich mit piepsiger Stimme.

Die Jungs lieferten wirklich ein hervorragendes Spiel ab und ich war überrascht, wie gut mir Lacrosse gefiel. Es erinnerte mich irgendwie an eine Mischung aus Hockey und Fußball.

11. Oktober

Am Montag hatten unsere Jungs ein erstklassiges Spiel hingelegt. Besonders Arthur, der den entscheidenden Punkt gespielt hatte. Doch das ist natürlich nichts Überraschendes, da das Hampstead Team jedes Jahr gewinnt.

Viel interessanter ist die Tatsache, dass Abigail seit Montag wieder hier zu Schule geht. Ohne Vorwarnung tauchte sie einfach in der Mittagspause in der Mensa auf. Angeblich ist der Frankreich-Austausch kurzfristig abgebrochen worden, da sich mehrere Schüler irgendeine ansteckende Krankheit eingefangen haben. Sogar Arthur schien überrascht zu sein, als sie sich auf ihren alten Platz setzte. Viel größer jedoch war die Begeisterung, denn die beiden haben während der Pause die ganze Zeit heftig rumgeknutscht, was einfach nur noch ekelig war. Naja, meiner Meinung nach hätte Abigail gerne noch ein paar Monate in Frankreich bleiben können, dann hätten die anderen Mädchen auch mal eine Chance bei Arthur gehabt.

Jetzt aber mal noch zu etwas ganz Anderem. Ist es nur mir aufgefallen, oder verhält sich Miles wirklich merkwürdig. Ich meine klar, er hat erst vor ein paar Wochen mit seiner Freundin schlussgemacht, aber er wirkt nicht wirklich traurig, sondern eher nachdenklich. Er spricht nicht mehr so viel – was er davor auch schon nicht gemacht hat – und scheint irgendwie in einer anderen Welt zu leben. An Mädchen, die auf ihn stehen, mangelt es ihm jedenfalls nicht.

Aber macht euch keine Sorgen, ich werde schon herausfinden, was mit ihm los ist.

Eure Secrecy

Abigails Rückkehr hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Was allerdings auch kein Wunder war, denn ihren bühnenreifen Auftritt in der Mensa am Montagmorgen, wird wohl keiner so schnell wieder vergessen. Bisher konnte ich nur den Schwärmereien der anderen lauschen, doch nun konnte ich mir endlich selbst ein Bild von Abigail machen. Und ich musste wirklich zugeben, dass sie mit ihren goldenen Haaren und ihren blauen Augen einfach umwerfend aussah. Sie war wahrscheinlich nicht nur das schönste Mädchen der Schule, sondern auch das schönste Mädchen der gesamten östlichen Hemisphäre. Daher passte sie perfekt zu unserem Schönling Arthur. Trotzdem störte mich irgendetwas an diesem Mädchen. Sie schien trotz ihrer großen Beliebtheit sehr ruhig und schüchtern zu sein. Für meinen Geschmack etwas zu ruhig. Sie wirkte fasst schon geheimnisvoll. Ich liebte Geheimnisse und jetzt hatte ich noch eins, welchem ich auf den Grund gehen konnte.

Auch wenn ich eigentlich Abstand zu Miles wollte, hatte ich ihn trotzdem etwas fragen müssen. Und zwar etwas über diese Traumsache, was sie bedeutete. Doch er wich mir komplett aus und schien irgendetwas zu verbergen. Also nahm ich mir vor mit Isaac darüber zu reden. Er war nicht gerade der hellste, daher könnte ich ihm leicht eine Falle stellen. So blieb ich am Mittwoch extra länger in der Schule (da Isaac Nachmittagsunterricht hatte) und wartete auf ihn vor dem Musikraum. Ich hatte es geschafft, einen seiner Freunde zu bestechen - die reichen Kids würden einfach alles für Geld tun - damit er dafür sorgte, dass Isaac als letztes den Raum verließ. Nachdem es gegongt hatte und alle Schüler aus dem Zimmer stürmten, wartete ich bis nur noch Isaac da war. Ich betrat den Musikraum und entdeckte ihn vorne an der Tafel, wie er diese gerade säuberte. Er hatte mich noch nicht bemerkt, daher ließ ich mit einem lauten Knallen die Tür zufallen. "Grace?!", drehte er sich erschrocken zu mir um. "Was machst du hier?" "Wir müssen reden.", sagte ich ruhig und begann langsam auf ihm zuzugehen. "Es scheint, als würde mir niemand sagen wollen, was das Alles mit den Träumen auf sich hat und ich dachte du könntest mir bestimmt weiterhelfen." Mittlerweile war ich vor ihm stehen geblieben. "I...ich weiß nichts darüber.", stotterte er. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Ach ja, das glaube ich aber schon." Er kniff die Augen fest zusammen. "Okay, okay, ich sag es dir ja.", atmete er angestrengt aus. Wow ich wusste ja, dass er leicht zu knacken war, aber so leicht. "Also ich höre.", sprach ich und tippelte ungeduldig mit meinen Fingern auf dem Lehrerpult herum. "Also alles begann vor zwei Jahren...

(Bild: Abigail Dunn)

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