2. Kapitel

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Kapitel 2

„OK“, sagte ich schließlich laut. „Dreh dich um, ich muss mich anziehen.“

Dafür bekam ich zwar etwas, das entfernt an einen spöttischen Blick erinnerte, zugeworfen, aber er tat, was ich verlangte.

Machen wir das Beste draus!, dachte ich mir. Viel Optimismus war zwar nicht mehr übrig, selbst bei einem so ausgewachsenen Optimisten wie mir, aber ein Versuch war es trotzdem wert.

„Bin fertig“, verkündete ich keine Minute später und lächelte ihn an. Leider erwiderte er das Lächeln schon wieder mit einem gruseligen Zähnefletschen.

„Ich geh dann mal. Keine Ahnung, was du solange machen willst, aber …“

„Ich komme mit!“, stellte der Junge klipp und klar fest.

„Auf keinen Fall! Du hast ja noch nicht mal einen Namen!“ Und tot bist du auch noch!, fügte ich in Gedanken hinzu.

„Ich sagte doch, denk dir einen aus“, erwiderte er trotzig und wollte mir folgen.

„Ach, na gut!“, räumte ich ein und stieß ihn freundschaftlich an, bevor ich mir bewusst wurde, was ich da tat. Schließlich wollte ich ihn nicht mehr berühren, bevor ich noch einmal gelähmt wurde.

Zum Glück passierte jedoch nichts, außer dass der Junge meiner Hand aufmerksam mit dem Blick folgte. Er machte mich nervös. „Äh, was ich sagen wollte: Du brauchst dringen was anderes zum Anziehen. Moment.“ Erneut öffnete ich meinen Kleiderschrank und zog meine schlabbrig längste Hose und meinen größten Pullover heraus. Praktischerweise zog ich sowieso nur Sachen an, die man normalerweise an Jungs erwartete, deshalb war es nicht schwer, für den Namenlosen etwas zum Anziehen zu finden.

Während er sich umzog, starrte ich aus dem Fenster. Junge. Der Namenlose. Oder der Typ mit dem gruseligen Grinsen waren zutreffende, jedoch nicht besonders gängige Namen. Halluzination oder gar Ungeheuer wollte ich ihn jedoch nie wieder nennen.

„So?“, fragte er, worauf ich mich langsam umdrehte. Etwas ungewöhnlich sahen meine Klamotten schon an ihm aus, aber sie standen ihm auch irgendwie.

„Ja, geht. Und jetzt noch die Haare.“

„Die Haare?“ Besorgt strich der Junge sich über die lockig braunen Haare, die wild in alle Richtungen abstanden. „Stimmt etwas damit nicht?“

„Ihnen fehlt der Schliff“, grinste ich. Warum auch immer musste ich mich daran erinnern, wie ich als Kind immer allen die Haare machen wollte. Frisuren machen war für mich ein Spaß, für meine Opfer ein Grauen gewesen. Aber eigentlich ging es mir gar nicht darum, oh nein. Ich wollte ihn unkenntlich machen, schließlich war er schon irgendwie tot, und da wollte ich doch auf Nummer sicher gehen.

„Ah, der Schliff.“ Hilflos fuhr er sich durch die Haare, machte damit aber alles nur noch schlimmer.

„Aaaach, halte einfach still, ja?“ Heldenhaft streckte ich eine Hand aus und berührte ihn.

Nichts passierte, er fühlte sich völlig normal an. Also machte ich mich vorsichtig an seiner Frisur zu schaffen und wurde immer ruhiger mit jeder Minute, in der mir nichts geschah. Vielleicht war der Namenlose doch nicht so schlimm, auch wenn er ein wahrlich gruseliges Lächeln hatte.

„So, das war’s.“ Zufrieden lächelnd trat ich einen Schritt zurück und reichte dem Jungen den Spiegel. „Und du kannst die Augen jetzt wieder aufmachen“, fügte ich hinzu und wurde plötzlich furchtbar verlegen. Noch nie hatte ich einen Jungen wie ihn erlebt. Auf die Frisur war ich echt stolz und auch die Kleider ließen ihn relativ normal aussehen, nur die Wildheit in seinen Augen war leider nicht zu verbergen.

Der schwarze DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt