Antonia schreckte aus dem Schlaf auf. Der Mond schien hell durch das Fenster in ihre Dachkammer. Unter ihr stach und drückte das Stroh durch die Decke, doch sie kannte es nicht anders. Leise drehte sie sich um und sah nach ihrer Familie. Sie alle schliefen auf ihren Lagern. Marie hatte sich das Laken bis über den Kopf gezogen und schlummerte. Nur durch die Bewegungen des Stoffes konnte sie die Atemzüge ihrer Tochter erkennen.
Bald schon würde ihr Gemahl wieder ein Kind von ihr verlangen, und sie konnte sich seinem Willen nicht widersetzen. Das wollte sie auch nicht. Sie wollte noch mehr Kinder. Noch viel mehr. Eines für jeden ihrer Finger. Sie liebte das Lachen der Kinder im Dorf und das Gefühl, ein kleines Bündel Leben in den Armen zu halten. Dass sie bisher nur ein Baby lebend zur Welt gebracht hatte, war ein schwerer Schlag für sie, aber Aufgeben kam nicht infrage.
Sie streckte ihre Glieder und richtete sich in ihrem Bett auf. Ein würziger Duft strömte in die Kammer. Es musste vor kurzem geregnet haben.
Voller Neugier trat sie ans Fenster und schaute hinauf in den Himmel. Keine einzige Wolke zeigte sich dort oben. Die Sterne strahlten auf dunklem Grund. Mitten in diesem funkelnden Meer leuchtete der Mond auf einem samtigen schwarzen Kissen. Doch was Antonias Aufmerksamkeit auf sich zog, war der leuchtende Schweif, der vor einigen Tagen am nächtlichen Firmament aufgetaucht war. Es bereitete ihr Angst, wie er sich nur langsam über das Himmelszelt bewegte. Von der Dorfkirche war bekannt gegeben worden, dass dies ein schlechtes Omen sei. Schreckliches Unheil würde über sie alle kommen, sollten sie nicht für ihre Sünden um Vergebung bitten.
Der kalte Wind der Nacht umhüllte sie. Sie rieb sich mit den Händen über die Arme und versuchte so, die Eiseskälte zu vertreiben.
Ihre Augen glitten über die vom Mondlicht erhellten Häuser des Dorfes und den Wald. In Nächten wie dieser wurde die Welt in ein wunderschönes blaues Licht getaucht.
Ein Schatten huschte zwischen den Gebäuden auf der anderen Seite des Marktes vorbei. Verwundert sah sie genauer hin. Um diese Zeit waren alle Bewohner in ihren Betten und schliefen selig. Was machte also einer von ihnen draußen auf der Straße? Nur der Nachtwächter sollte herumlaufen, doch der trug eine kleine Laterne bei sich.
Wieder rannte der Schatten hinter einem Lehmhaus hervor, nur um gleich darauf im großen Heulager zu verschwinden. Vielleicht war es auch nur ein Jüngling, der sich dort mit seiner Geliebten traf. Überraschen würde es sie nicht. Sie hatte bereits oft junge Leute im Stroh entdeckt, die der Sünde frönten. Sie selbst hatte es ebenfalls getan.
Aber etwas an der Art, wie sich der Schatten bewegte, kam ihr merkwürdig vor. Ein Mensch bewegte sich nicht so. Rascheln und Keuchen waren leise aus dem Lager zu hören. Sie wollte sich schon abwenden, als die Gestalt allein vor dem Lagerhaus auftauchte. Misstrauisch sah sich der Schatten nach jeder Seite um. Antonias Instinkt schlug Alarm. Rasch duckte sie sich, doch es war zu spät. Wer oder was auch immer da herumlief, er hatte sie gesehen.
Vorsichtig schaute sie noch einmal über den Rand des Fenstersimses nach draußen, doch auf dem Platz vor dem Lager war niemand mehr zu entdecken. Verwundert traute sie sich aufzustehen und sah sich auf dem gesamten Marktplatz um. Der Mond leuchtete auf den Brunnen hinunter. Antonia beugte sich immer weiter vor, um noch mehr erkennen zu können, doch auf dem kompletten Gelände war niemand.
Sie suchte mit ihren Blicken den Weg ab, der vom Markt zu ihrem Haus führte.
Ein Schrei entwich ihrer Kehle, als sie die Gestalt plötzlich direkt vor ihrer Haustür entdeckte. Rot glühende Augen schauten zu ihr empor. Dunkelheit strahlte von dem Wesen aus. Vor Schreck wie gelähmt, konnte sie nicht wegschauen, als das Monster anfing zu lächeln. Dann stolzierte es langsam weiter auf die Tür zu.
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Antonia - Vampirjägerin *Leseprobe*
VampireEs gibt Vampire. Sie jagen in der Nacht, kennen keine Gnade und werden niemals aufhören. Sie sind die Monster unter dem Bett, die Schrecken aus unseren Albträumen. Doch es gibt etwas, das sie fürchten. Eine von ihnen. Eine uralte Jägerin, die Vampir...