Kapitel 4

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Durch Harumas Hilfe fanden wir tatsächlich einen Zug der direkt nach Tokyo fuhr. Sowas wie Züge gab es in der Hölle nicht, weshalb wir schon ein bisschen überrascht waren. In unserer Heimat gab es nur drei Arten sich fortzubewegen. Zum Einen natürlich die klassische Art zu Fuß zu gehen. Dann konnte man natürlich noch fliegen. Vorrausgesetzt man gehörte zu einer Dämonenart die Flügel hatte oder es irgendwie anderweitig beherrschte. Zum Schluss gab es schließlich noch die Portale. Portale mit denen wir zwischen den Städten reisen könnten. Nun ja, mit 'wir' meinte ich wohl eher die anderen. Ich selbst durfte ja nicht mal wirklich die Stadt besuchen, in der unser Schloss stand.
Aber all diese Dinge taten nun ja nichts zur Sache. Wir waren immerhin auf der Erde und nicht in der Hölle.
"Wie schnell das Land an uns vorbeifliegt." Begeistert starrte Shizuka aus dem Fenster. Obwohl das bestimmt nicht ihr erster Ausflug in die Menschenwelt war, war da diese Begeisterung eines kleinen Kindes. Aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Es sah wahnsinnig interessant aus, wie das Land hinter den Fenstern an uns vorbei rauschte. Wenn man mit Portalen reiste, musste man die Augen schließen und zu Fuß war man nie so schnell. Wie es war, wenn man flog, wusste ich nicht.
"Was glaubst du, wie lange sind wir unterwegs?" hörte ich gedankenverloren meine Freundin fragen. Ich schüttelte nur den Kopf, als Zeichen, das ich es auch nicht wusste. Haruma hatte uns nur erklärt, das wir an der Haltestelle 'Tokyo Zentrum' aussteigen sollten. So betrachtete ich weiter die Landschaft hinter dem Fenster. Bäume, Wiesen, Häuser.. alles zog in Sekunden an uns vorbei. Für normale Sterbliche war das sicher total uninteressant, aber ich konnte meinem Blick nicht abwenden.
"Tokyo Zentrum. Ausstieg in Fahrtrichtung links."
"Akane, wir müssen hier aussteigen!" rief Shizu und sprang auf. Ich tat es ihr gleich und wir verließen den Zug. Als ich das Pflaster des Bahnhofes betrat, überkam mich kurz ein seltsamer Schauer und ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich sah mich um, konnte aber niemanden entdecken.
"Akane?" hörte ich die besorgte Stimme meiner Freundin. Ich sah auf und lächelte sie an.
"Alles okay. Lass uns meinen Onkel suchen." Sie nickte und wir verließen den Bahnhof. Wir staunten nicht schlecht, als wir all die Menschenmassen sahen, nachdem wir den Bahnhof verlassen hatten. Im Bahnhof selbst waren ja schon viele Leute, aber hier auf den Straße waren noch viel mehr Menschen. Plötzlich war da ein beklemendes Gefühl. Hier war so viel los. So viele Menschen und ich wusste immernoch nicht wohin ich gehen sollte.
Verloren.. verloren war wohl das richtige Wort. Ich fühlte mich verdammt verloren. Hier in dieser Stadt, in der fast alle Häuser bis zum Himmel reichten. Wie sollte ich mich hier zurecht finden?!
"Was macht den unser Prinzesschen hier?" Erschrocken drehte ich mich um. Hinter mir, an eine Hauswand gelehnt, stand niemand geringeres als...
"Onkel Lucian!" Sein schwarzes Haar glänzte in der Sonne und er sah fast aus wie ein Jugendlicher, als er lässig an der Hauswand lehnte. Dabei war er bestimmt schon zwischen 300 und 400 Jahre alt. Oder sogar älter? Sicher war ich mir dabei jedenfalls nicht.
"Was..?" wollte Shizu wissen, doch mein Onkel unterbrach sie.
"Na für wen hälst du mich? Ich bin doch kein einfacher Dämon." grinste er. Anscheinend wusste er genau, was meine schwarzhaarige Freundin fragen wollte.
"Ich habe eure Anwesenheit schon sofort gespührt, als euer Zug über die Grenzlinien Tokyo gefahren ist. Also, was will meine kleine Nichte in der Menschenwelt? Dein Vater hat dich ja ganz sicher nicht geschickt." Irgendwie hatte ich es nicht anders erwartet. Onkel Lucian war schon immer geschickt im Ungang seiner Dämonenmagie gewesen. Natürlich hatte er uns bemerkt.
"Woher weißt du, das ich nicht in Vaters Auftrag hier bin?" Ich hörte ein Glucksen von meinem Onkel bevor er mir antwortete.
"Als ob der Alte seine ach so geliebte Tochter in die Menschenwelt schicken würde. Selbst wenn es so wäre, würdest du dann doch kaum mit dem Zug nach Tokyo reisen müssen." Stimmt. Das klang einleuchtend. Immerhin gab es bestimmt auch ein Portal direkt nach Tokyo.
"So, was ist nun der Grund für deine entzückende Anwesenheit?" wiederholte Lucian seine Frage während wir durch die Straßen schlenderten.
"Ich bin von zuhause abgehauen."
"Weil?"
"Weil mein Vater mich verheiraten will." Wieder hörte ich das Glucksen meines Onkels.
"Deinen Dickkopf hast du definitv von ihm."
"Das ist nicht witzig." zischte ich leicht säuerlich. Ich sah zu meinem Onkel und erwartete ein hämisches Grinsen auf seinem Gesicht aber stattdessen konnte ich Verständnis in seinen Augen lesen.
"Und was hast du jetzt vor?" wollte Onkel Lucian schließlich von mir wissen. Eine Zeit lang betrachtete ich sein Gesicht, bis ich den Blick nachdenklich abwendete. Das war wirklich eine gute Frage. So wirklich hatte ich nicht darüber nachgedacht.
Was wollte ich eigentlich genau auf der Erde? Eigentlich nur vor meinem Vater davon laufen. So einen richtigen Plan hatte ich also nicht.
"Du hast dir gar nicht überlegt, was du hier auf der Erde willst, oder?" konnte er meine Gedanken erraten. Stumm nickte ich. Doch dann fiel mir das Buch in Vaters Bibliothek wieder ein.
"Onkel Lucian, wusstest du das mein Vater noch ein weiteres Kind hat?" Mein Onkel sah mich überrascht an.
"Du meinst Akio, nicht wahr? Woher weißt du von ihm?" Er wusste es also tatsächlich.
"Ich habe ein Buch in Vaters Bibliothek gefunden." merkte ich an. Lucian nickte, als Zeichen das er verstanden hatte.
"Warum hat mit Vater nie davon erzählt?" Betretendes Schweigen machte sich nach meiner Frage breit. Es war fast so als wollte Onkel Lucian diese Frage totschweigen. Aber ich wollte eine Antwort.
"Onkel Lucian?" hackte ich deshalb nach einigen Minuten nochmal nach. Ein tiefer Seufzer verlies den Mund des hochgewachsenen Mannes.
"Dein Vater hatte sich damals in eine menschliche Frau verliebt und viel Zeit auf der Erde verbracht. Entgegen aller, hat er sie dann sogar zur Frau genommen. Als sie dann auch noch ein Kind auf die Welt brachte, war der Adel so angewiedert, das sie Akios Mutter töteten. Er selbst wurde von einem Exorzisten-Verband aufgenommen. Dem haben die Adeligen auch den Tod seiner Mutter in die Schuhe geschoben und so den Hass deines Vaters auf die Menschheit geschürrt." Ich verstand. Vielleicht war das einer der Gründe warum mein Vater oft so grimmig war.
"Einige Jahre später lernte er dann deine Mutter kennen und er war wieder der Mann und König, der er hätte sein sollen. Doch leider erlag sie ja einige Jahre nach deiner Geburt an einer Krankheit. Seitdem ist dein Vater wie ausgewechselt." Das konnte ich mir vorstellen. Zweimal den Tod eines solch geliebten Wesens mitzuerleben, das war bestimmt schwer. Trotzdem gab es ihm nicht das Recht mich so zu behandeln.
"Onkel Lucian, kennst du meinen Bruder?" fragte ich kurz darauf. Ich war neugierig. Wie war Akio wohl so?
"Natürlich kenne ich deinen Bruder. Der Junge wohnt hier in der Stadt und geht auf die Schule für Exorzisten." Mein Onkel schien echt alles zu wissen. Aber das mein Bruder eine Schule für Exorzisten besucht, fand ich schon ungewöhnlich. Immerhin ist er ja nur zur Hälfte ein Mensch.
"Woher wissen Sie das alles?" mischte sich nun Shizuka ein, die seit dem Treffen mit Onkel Lucian kein Wort mehr gesprochen hatte.
"Na, weil ich ab und zu mit dem Exorzisten-Verband zusammen arbeite." grinste dieser als Antwort. Ungläubig starrte ich ihn an. Aus welchen Grund sollte Lucian mit dem Exorzisten-Verband arbeiten?!
"Nun schau nicht so verdutzt. Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, kleine Prinzessin." gluckste er. Was wollte er mir denn jetzt mit dieser Aussage weis machen?
"Der Verband ist nicht hauptsächlich dazu da, um uns Dämonen zu töten. Viel mehr ist das Gleichgewicht der Welt und der Schutz der Menschen ihr Ziel. Solange wir die Erde also nicht bedrohen, betrachten die meisten uns nicht als Feind. Schwarze Schafe gibt es immer. Aber im großen und ganzen ist dies der Ablauf. Tja, und weil ich ein friedliches Leben führen will, habe ich viel mit dem Verband zu tun." Ich nickte als Zeichen, das ich verstanden hatte. Diese Sichtweise war eine ganz andere, als Vater es mir immer erklärt hatte. In seinen Augen wollten die Menschen einfach nur alle Dämonen umbringen. Doch Onkel Lucian erklärte uns, wie es wirklich aussah. Auch erzählte er vom Gleichgewicht, welches immer zwischen der Erde, der Hölle und dem Himmel stattfinden muss. So wie die Menschen ihr Leben hier auf der Erde fristen, haben auch wir Dämonen in der Hölle Aufgaben, die wir nicht vergessen dürfen. Shizukas Vater zum Beispiel, war ja einer der Seelensammler. Würde er das nicht machen, würde der ewige Lebenskreislauf nicht funktionieren. Auch im Himmel sollte es solche Aufgaben geben. Damit kannte ich mich allerdings nicht aus. Weil Dämonen und Engel verfeindet sind, hatte ich noch nie etwas über die gefederten Heiligen gelernt.
"Onkel, was kann ich jetzt tun?" fragte ich langsam, nachdem ich einige Zeit nachgedacht hatte.
"Ich möchte auf keinen Fall nach Hause zurück." erklärte ich entschieden, ohne auf die Antwort meines Onkels zu warten. Vielleicht konnte ich tatsächlich auf seine Hilfe bauen um den Heiratsplänen meines Vaters zu entkommen.
"Du willst also deinen Bruder kennen lernen.. Wie wäre es, wenn du für den Exorcisten-Verband arbeitest?"
Erst dachte ich, mein Onkel wollte mich verarschen. Doch egal wie lange ich ihn anstarrte, er sagte nichts weiter.
"Du meinst das wirklich ernst oder?" musste ich daher verwundert fragen. Onkel Lucian grinste.
"Natürlich meine ich das Ernst. Ich bin sicher, mit der Tochter des Teufels persöhnlich würden sie gerne zusammen arbeiten." grinste er. Doch auch Shizuka mischte sich ins Gespräch ein.
"Wie soll das gehen? Wir können kaum unsere Kräfte auf der Erde verwenden ohne einer vollkommenen Erschöpfung zu erlegen."
"Keine Sorge. Ihr werdet euch noch daran gewöhnen. Außerdem werdet ihr natürlich Waffen verwenden, die der Exorzisten-Verband herstellt." erklärte mein Onkel. Ich sah zu meiner Freundin, die mich immernoch zweifelnd ansah. Anscheinend war sie nicht wirklich begeistert von der Idee auf eine menschliche Schule zu gehen, die zu allem Überfluss auch noch Exorzisten ausbildete. Ich konnte es ihr nicht verübeln, teilweise ging es mir ähnlich. Andererseits war das vielleicht ein Ort an dem mein Vater niemals auch nur auf die Idee kommen würde, nach mir zu suchen.
"Denkst du ernsthaft darüber nach?" bohrte Shizuka nach, als ich eine Weile keinen Ton mehr von mir gegeben hatte. Ich lächelte sie entschuldigend an.
"Naja.."
"Das kann doch nicht dein Ernst sein?" Die Entgeisterung war nicht mal Ansatzweise zu überhören.
"Hör mal Shizuka, wenn mein Vater mich findet, dann werde ich sofort wieder zurück nach Hause müssen und.. naja an einer Schule für Exorzisten wird er mich doch am aller wenigsten vermuten." erklärte ich der Schwarzhaarigen meinen Gedanken.
"Da ist was dran.." gab sie unbehaglich zu. Ich könnte erkennen, das ihr der Gedanke trotzdem nicht ganz passte.
"Shizuka, du musst auch nicht.." fing ich an doch sie unterbrach mich gleich.
"So ein Quatsch. Wenn du gehst, gehe ich auch. Ich hab dir doch versprochen, dich nicht im Stich zu lassen." lächelte sie mich breit an. Mein Gesicht hellte sich auf. Shizu war wirklich die beste Freundin, die ich je hätte haben können. Mein Onkel gluckste wieder vor sich hin.
"Das heißt also, unsere Teufelsprinzessin geht wirklich auf eine Exorzistenschule? Das ist höchst amüsant." Verärgert sah ich den schwarzhaarigen Mann an.
"Hast du das nicht selbst vorgeschlagen?" Er grinste, sagte aber nichts dazu.
"Nun, ich werde ein gutes Wort beim Direktor einlegen. Ich bin sicher er wird höchst erfreut sein." Was meine Onkel Lucian da schon wieder mit? Mein Blick musste wohl ziemlich verwirrt aussehen, denn er antwortete mir, ohne das ich nachfragen musste.
"Schon als sich Akios Fähigkeiten zeigten, freute er sich sehr. Die Waffen der Menschen können noch so gut sein. Die beste Möglichkeit gegem Dämonen anzukommen, sind immernoch andere Dämonen. Das ist ihm klar. Deshalb wird er gerade die Prinzessin der Hölle mit Kusshand begrüßen."
"Käme er nicht auf die Idee, das es eine Falle ist?" mischte sich nun Shizuka wieder ein. Lucian schüttelte leicht mit dem Kopf.
"Dieser Mann hat eine unheimliche Auffassungsgabe. Er merkt sofort wenn man lügt. Ich weiß nicht wie er das macht aber seine Menschenkenntnis ist unglaublich." In meinen Augen sah es tatsächlich so aus, als würde Onkel Lucian diesen Mann dafür bewundern. Schon seltsam einen Dämon so über einen Menschen sprechen zu hören. Aber vielleicht würde genau das mir helfen. Immerhin machte es die Schule zu einem noch sichereren Ort als ich dachte. Jetzt war ich doch schon ein wenig neugierig.
Aber in erster Linie wollte ich erstmal meinen Halbbruder kennenlernen. Wie als könnte er meine Gedanken lesen, sprach mein Onkel weiter.
"Und? Soll ich euch direkt dort hinbringen?" Ich nickte.
"Auf jeden Fall!"

Demonicial - Princess of Hell [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt