Kapitel 1. {Tag 1}

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ERSKINE

06.06.2022, wenn ich mich nicht verzählt habe. Mein Name ist Erskine Davies und ich bin möglicherweise der letzte Mensch auf Erden. Vor 5 Jahren begann es. Die Toten kamen zurück auf die Erde. Seit 3 Jahren habe ich keinen lebenden Menschen mehr gesehen.
Aber ich gebe nicht auf. Ich werde nicht aufgeben, bis mich der Teufel persönlich holt. Wenn du das hier liest; bitte geb auch du die Hoffnung nicht auf. Du bist nicht alleine.
Hoffnungsvoll, Erskine.

Seufzend packte ich meinen abgenutzten, mit einem Taschenmesser angespitzten Bleistift wieder in meinen Schwarz-rot gemusterten Rucksack. Mit einer ruckartigen Bewegung riss ich den soeben geschriebenen Zettel aus dem Notitzblock und schmiss diesen mit einer lockeren Handbewegung in den Wind, auf dass jemand den Zettel finden und lesen würde. Der starke Wind auf den Überresten des Wolkenkratzers wehte das Blatt in tanzenden Bewegungen weiter in Richtung Westen und ich sah ihm ermüdet hinterher. Tatsächlich. Heute war es fünf Jahre her. Wie konnte ich das nur vergessen, in all der Einsamkeit, allein unter Wiedergängern? Ich lehnte mich etwas nach vorne, um über den Sims des Mauerstücks und an meinen Füßen vorbei, knappe 80 Meter in die Tiefe zu blicken. Keine fünf Meter weit entfernt stand ein weiteres Hochhaus, das nicht ganz so hoch wie die Ruinen war, auf denen ich saß. Durch das Fenster, oder eher durch den Rahmen des Fehlenden Fensters am Gegenüberliegenden Gebäude, erblickte ich einen Untoten und dachte nach. Wiederbeseelte Leichen gab es wie Sand am Meer und ich war eine ihrer wenigen Nahrungsquellen. Zwar konnte ich mich von Konservenfutter und Getrocknetem ernähren, auch schien der Fluss, der unter anderem diese Stadt durchquerte, noch relativ Sauber. Aber die "Zombies", wie ich sie eher ungern nannte, liebten alles was Lebt. Ich hatte schon ewig weder Mensch, noch Tier gesehen. Die Untoten sind zu Einzelgängern geworden, da sie inzwischen nur noch vom Kannibalismus überleben konnten. Soll mir recht sein. Wenn die sich gegenseitig fressen, muss ich mir weniger Sorgen machen. Jedoch starrte mich der Wiedergänger, den ich bis vorhin durch das Fehlende Fenster der Ruine beobachtet hatte, für meinen Geschmack etwas zu lange und zu begierig an. »Hey, du Hackfresse«, rief ich dem Untoten zu, der seine Gesichtslose Mine von vorher nicht veränderte. »Hast schon lange kein Frischfleisch mehr gesehen, was?«, spottete ich und mein Gegenüber gab ein gurgelndes Geräusch von sich. »Ja, ja, komm doch her wenn du dich beschweren willst«, Murmelte ich ironisch und so leise, dass der Zombie es nicht hätte hören können, was aber auch nicht weiter schlimm gewesen wäre, da er keine fünf Meter weit und acht Meter Hoch springen konnte. Klar, Zombies sind Willenlos- aber trotzdem flink und geschickt. Nur nicht geschickt genug um so etwas zu schaffen.
Erneut seufzend griff ich nach dem Zufallsprinzip in meinen heißgeliebten Rucksag und zog einfach irgendeine Konservendose heraus. »Dann gibt's heute wohl Ananas«, merkte ich nach einem Blick auf die Dose an. Ich schnappte mir noch eine Gabel, öffnete damit die Konserve und begann das Essen. Ich hasste Ananas. Die Säure der Frucht brannte unangenehm im Mund und Rachen und den süß-sauren Geschmack vermochte ich gar nicht mehr los zu werden. Angeekelt schmatzend entfernte ich die Reste meines Abendessens zwischen meinen Zähnen und spülte mit dem Wasser aus der Mira, dem Fluss, dem ich folgte, nach. Ich hasste Ananas, aber ich musste ja irgendwas essen. Davon würde ich schon nicht sterben, sterben würde ich wenn ich es nicht äße. Demnächst würde ich schon wieder nach Lebensmitteln suchen müssen. Hier in der Gegend hatte ich schon ziemlich alle Haushalte und Märkte abgesucht, doch alles, was ich an nicht verderbbarem auffand, ist schon fast leer. Immer wenn ich durch alle Häuser gestriffen bin und sich nichts mehr auffinden ließ, wandert ich weiter die Mira entlang nach Westen, bis ich auf die nächste verlassene Zivilisation traf und dort Proviant sammeln konnte. So ging das nun seit fünf Jahren und ich hatte inzwischen keine Ahnung mehr, wo ich im Moment überhaupt war. Die Reisen zwischen den Städten waren unterschiedlich; manchmal bloß einen Tagesmarsch, nicht selten war ich über zwei Wochen unterwegs. Das schwierigste jedoch war, sich gegen die Wiedergänger auf freier Fläche zu verteidigen. Seufzend ließ ich meine Beine baumeln und blickte zum Sonnenuntergang am Horizont. War es das alles wirklich wert?

HORAC

Immernoch leicht betrübt saß Erskine auf seinem Lieblingsplatz dieser Stadt und zählte abwesend die Zombies, die sich zwischendurch mal auf dem Marktplatz blicken ließen. Die Sonne ging bereits unter und tauchte den sonst eher grünlich und verpestet wirkenden Himmel in ein angenehmes Violett bis Dunkelblau. Sonnenauf- sowie Sonnenuntergang waren Erskines Lieblingszeiten, natürlich gleich nach der Nacht. Doch um sagen zu können, dass der Mensch Nyktophilie hatte, war ihm der Schlaf eindeutig zu wichtig. Auch wenn man es ihm nicht anmerkte; Erskine konnte unglaublich faul sein und liebte das Schlafen. Trotzdem konnte er wie aus der Pistole geschossen auf der Stelle fünf Gründe nennen, warum ich die Nacht so mochte.
Resigniert starrte er in den Abgrund, bis er ein Geräusch wahrnahm und Alarmiert hochschreckte. Es waren definitiv Schritte, die von der Treppe des Gebäudes kamen. Angriffslustig versetzte Erskine seinen rechten Fuß etwas weiter nach hinten und nahm den Dolch, den er in seiner rechten Gürteltasche bewahrte, in die Hand. Der Wiedergänger kam ihm gerade Recht- ein wenig Action! Erfreut grinste Davies und lief seinem Angreifer die Treppen hinunter entgegen. Er setzte zum Angriff an und...

»Fuck!«

Sold Out- the hell is packed (Boy×Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt