Kürbistumor: M E M O R I E S - all that remains.

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Ich saß an meinem Schreibtisch, den Kopf auf meine Hände gestützt und die Augen halb geschlossen. Unter meinen müden Augenlidern begannen sich Tränen zu bilden. Ich schluchzte auf. Ein halbes Jahr war mittlerweile schon vergangen, seit er mich verlassen hatte. Es war zwar schon länger her, aber es tat immer noch so sehr weh. Er hatte mich alleine gelassen, allein auf dieser Welt, wo mich doch keiner so verstand wie er, wo keiner mich so gut kannte wie er, und keiner mich jemals so lieben könnte wie er es getan hatte.

Flashback

Ich saß an meinem Computer und schnitt gerade ein paar Videos, als ich einen Anruf von Manu bekam. Ich wunderte mich nicht sonderlich, schließlich rief Manu nicht allzu selten an. Wir waren eben beste Freunde.

Ich ging dran... und wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass dieses Gespräch mein Leben von Grund auf verändern würde.

"Hey Manu!"

"P... Palle?"

Ich stockte. Seine Stimme zitterte, und er redete langsam, wie in Trance.

"Manu, ist alles in Ordnung?"

"P... Palle..."

Spätestens jetzt begann ich mir wirklich Sorgen um meinen besten Freund zu machen.

"Ja, ich bin's! Manu, was ist los?!"

"Ich... Krankenhaus..."

"WAS?! Wie das denn? Wo bist du? Ich bin bald bei dir, wenn du mir sagst, wo du bist!"

"Ich... kann nicht mehr...", er wurde von einem Hustenanfall unterbrochen, "...Palle..."

"MANUEL BÜTTINGER, DU VERRÄTST MIR AUF DER STELLE WO DU BIST!!!"

"Ich bin... Kölner Landeskrankenhaus..."

Er legte auf.

Und ich machte mich auf den Weg nach Köln.

In besagtem Krankenhaus angekommen, fragte ich nach ihm und bekam Auskunft über seinen Aufenthaltsort... der wäre das Zimmer 103. Ich musste mich zusammennehmen, um nicht die Gänge des Krankenhauses entlangzulaufen.

Ich stand - endlich - vor der Tür, auf der die Zahl "103" stand. Vorsichtig klopfte ich an und hörte ein leises Krächzen von innen, was ich als Zeichen nahm, dass ich eintreten durfte.

Bei dem Anblick, der sich mir bot, wollte ich einfach nur weinen. Ich sah einen mageren Manu, mithilfe von vielen Schläuchen und Kabeln an ein piepsendes Gerät angeschlossen. Er war völlig erschöpft, das sah man ihm sehr deutlich an,und trotz alldem versuchte er zu lächeln, als ich den Raum betrat. Das gelang ihm nicht wirklich, was eigentlich als eine beruhigende Geste mir gegenüber gedacht war, wirkte auf mich nur umso beunruhigender. Ich ging schnellen Schrittes auf sein Bett zu und blieb unschlüssig davor stehen.

Ohne eine Aufforderung meinerseits begann Manu zu erzählen. Er kannte mich eben zu gut.

"Du weißt ja, dass ich mehrere chronische Krankheiten habe. Eine davon betrifft meine Leber. Und da ich für eine Woche lang keine Tabletten bekommen konnte, hat sich die Krankheit verschlimmert. Wären die anderen beiden Krankheiten nicht, würde vermutlich Chance auf Heilung bestehen, aber mit ihnen... Palle...", er schluchzte auf und vergrub das Gesicht in seinen Händen, wobei er fast einen der Schläuche abriss, "... ich will nicht sterben..."

Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen, und ich wusste es nicht besser, als zu ihm zu gehen und ihn zu umarmen.

Die nächsten Tage besuchte ich ihn immer wieder im Krankenhaus, wir redeten viel und es ging uns einfach darum, die Zeit noch zu nutzen, bevor es zu spät sein würde. Die Ärzte suchten verzweifelt nach einer Heilungsmethode, aber es fand sich einfach nichts.

Einmal, als ich an seinem Bett saß und einfach Stille herrschte, unterbrach er sie mit einer für mich unerwarteten Frage: "Glaubst du, es gibt ein Leben nach dem Tod?" Ich glaubte nicht an solche Dinge, trotzdem antwortete ich ihm: "Ja, ich denke schon, dass so etwas existiert."

Er lächelte mich nur schief an.

"Du bist ein entsetzlich schlechter Lügner, weißt du das, Palle?"

Und dann... als ich eines frühen Morgens Manu's Krankenzimmer betrat, schreckte ich zurück. Um sein Bett wuselten mehrere Krankenschwestern herum, die den offenbar bewusstlosen Manu auf einem fahrbaren Bett in Richtung der Operationssäle schoben. Ich ahnte schon schlimmes.

Von einer der Krankenschwestern konnte ich schließlich erfahren, was los war.

Es würde ein letzter Versuch stattfinden, Manu zu retten. Eine Notoperation.

Ich saß stundenlang im Wartezimmer, klammerte mich an den winzigen Hoffnungsschimmer, den ich noch hatte und versuchte nicht zu denken.

Dann, nach über fünf Stunden, die mir wie eine halbe Ewigkeit erschienen, kam ein Arzt aus dem Saal. Direkt auf mich zu. Wie er mich angesehen hat, diesen Gesichtsausdruck, wenn man gleich eine Hiobsbotschaft zu verkünden hat, werde ich nie vergessen. Er hatte sich in diesem Moment in mein Gehirn eingebrannt, mit dem Ziel, dort für immer zu bleiben. Ich wusste sofort, was los war.

Er war gegangen.

Ich wollte schreien und lachen, schreien, weil Manu nicht mehr hier war und lachen, weil er nun von seinen Schmerzen, die ihn geplagt hatten, befreit war. Ich wollte toben und still weinen, toben, weil niemand ihm zu helfen wusste, still weinen, weil Manu es nicht gewollt hätte, dass ich jemandem die Schuld für seinen Tod gebe.

Ich stieß einen verzweifelten Schrei aus, all der Schmerz und die Trauer, die sich in meinem Herzen angestaut hatte, brach aus mir heraus. Ich weinte einfach nur, weil ich nicht weiter wusste.

Flashback Ende

Verstehst du nicht, dass ich dich brauche?
Verstehst du nicht, dass ich nicht ohne dich leben kann?
Verstehst du nicht, dass ich dich vermisse? Und nicht nur ich.
Verstehst du nicht, dass es nicht an der Zeit war, zu gehen?
Verstehst du nicht, dass ich dich HIER brauche? Hier, an meiner Seite.

Aber... alles was mir bleibt, sind die Erinnerungen.

M E M O R I E S - all that remains.

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