"Und du bist dir wirklich sicher, dass du dich dort bewerben willst?" Sina schaute mich mit ihrem 'Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist, ich will nicht, dass du enttäuscht wirst'-Blick an. "Es gibt nichts, was ich mehr will.", ich nahm meinen Ordner und ging mit ihr zusammen aus der Klasse. "Ich werde gleich mit Frau Lohr sprechen. Sie sagt selbst immer ich hätte großes Talent." "Ja, aber Sophia das ist ein ganzes Jahr. Am anderen Ende des Landes. Dort kennst du keine Menschenseele. Willst du nicht nur vor Ben und deinen Gefühlen fliehen?" Ich blieb abrupt stehen und meine beste Freundin lief mir in den Rücken. "Ich hab das mittlerweile verarbeitet, okay? Das ist jetzt schon ein dreiviertel Jahr her und ich empfinde nichts mehr für diesen Typ. Keine Wut, keine Liebe, keinen Hass, gar nichts." Wir gingen zu den Umkleiden neben der Sporthalle und Sina zuckte resigniert mit den Schultern. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber sie hatte Angst mich durch dieses Projekt zu verlieren. Seit dem Unfall waren nun etwa zwei Monate vergangen und sie klebte seitdem wie eine Klette an mir. Ich konnte es ihr aber wirklich nicht verdenken. Immerhin waren sie und Mirco 2 Jahre lang ein Paar gewesen und dann war er bei einem Autounfall gestorben. Seit jenem Tag kam Sina nicht mal in die Nähe eines Autos und daher lief ich, als sehr solidarische beste Freundin, jeden Tag 10km in die Schule und zurück, was bedeutete, dass wir mindestens eine halbe Stunde brauchten. "Ich habe mir übrigens überlegt, dass wir ja auch mit dem Zug fahren könnten." Sina sah mich an und wartete auf meine Reaktion. Ich wusste, dass sie es nur sagte um mich zu überreden, nicht zu gehen, aber ich sagte nur: "Das ist die beste Idee, die du seit langem hattest."
Frau Lohr stand in der Halle und schimpfte wie ein Rohrspatz. Da die Sporthalle unserer Schule eine einzige Baustelle war, mussten wir uns mit der öffentlichen Halle eine Straße weiter begnügen. Dort war zur selben Zeit jedoch noch eine andere Klasse, die allerdings nicht von unserer Schule war, und dass ärgerte Frau Lohr ungemein. Die Leute schienen vom BBZ zu sein und liefen uns die ganze Zeit vor die Füße, was dazu führte, dass Adrian und Felix fasst den Schwebebalken fallen ließen. "Bist du dir sicher, dass du sie jetzt fragen willst? Sie wird nicht schnell sauer, aber wenn sie es ist, dann haben wir immer schlechte Karten." Sina und ich sahen erst unsere Sport- sowie Deutschlehrerin an und dann die Frau, die scheinbar für die anderen Schüler verantwortlich war und gerade hereinkam. Sie pfiff einmal durch ihre Trillerpfeife und sofort verhielten sich ihre Schüler diszipliniert. Frau Lohrs Gesicht entsannte sich ein wenig. Ich lächelte. "Sieht so aus, als könnte ich mit ihr sprechen." Widerwillig ging Sina mit mir zu unserer Lehrerin. "Frau Lohr? Haben Sie schonmal etwas vom 'internationalen Workshop für junge Autoren' gehört?" Meine Lieblingslehrerin sah mich an. "Ja natürlich. Wieso fragst du?" "Wissen Sie, ich würde mich gerne dort bewerben. Aber außer einer selbst verfassten Kurzgeschichte muss außerdem ein Empfehlungsschreiben eines qualifizierten Lehrkörpers vorliegen. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie mir ein solches schreiben würden." Ich sah sie an und Sina kniff mir anerkennend in die Seite. Ja, ich war selbst auch sehr stolz auf meine gebildete Ausdrucksweise. Frau Lohr lächelte. "Aber natürlich werde ich dir einen solchen Brief schreiben. Das ist eine große Chance, Sophia." Dankbar strahlte ich sie an doch plötzlich erstarrte ich und wusste nicht mehr was ich tun sollte. Sina war meinem Blick gefolgt, packte mich am Arm und meinte: "Komm, du wolltest mir doch diesen blöden Handstand beibringen." Sie verfrachtete mich auf eine Bank an der Wand und drückte mir eine Flasche Wasser in die Hand. "Hast du das gesehen?", fragte ich meine Freundin fassungslos und starrte auf meine Schuhe. "Jap und ich glaube, er hat dich hinter sich gelassen. Sonst hätte er nicht mit Miri geknutscht." Jetzt wusste ich welche Klasse vom BBZ hier war. Es war Bens Klasse. Und Miri diese *** hatte mit ihm geknutscht. Ich war angewiedert. Seit unserer Trennung hatte ich Ben nicht mehr gesehen. Es war in Ordnung, dass er eine neue Freundin hatte. Aber das? Das war Miri. Miri ging in meine Klasse, hatte einen sehr schlechten und beschmuzten Ruf an unserer Schule und hatte eigentlich einen Freund. Einen anderen. Und Ben hatte sich immer angeekelt von ihr gefühlt. Und jetzt das. Das war dann doch ein bisschen viel.
Nach Sport hatten wir frei. Da Frau Lohr uns hatte früher gehen lassen, saßen Sina und ich im Eiscafé nebenan und tranken einen Milchshake. "Ich denke, du solltest es tun.", sagte Sina aus heiterem Himmel. "Ich weiß, wie viel es dir bedeutet. Bewirb dich. Hier hast du doch sowieso nichts zu tun." In diesem Moment ging Ben am Fenster vorbei. Ich stand auf und lief nach draußen. Ich rief ihm hinterher und Ben blieb stehen. Er kam auf mich zu und sah mich an. "Hey. Schön dich zu sehen. Wie - AHH!" Die hatte gesessen. "Danke. Jetzt, mein Freund, geht es mir ganz ausgezeichnet." Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück an unseren Tisch. Sina hatte uns beobachtet. "Seit wann bist du denn so schlagfertig? Der Typ ist 10 cm größer als du und du haust ihm einfach eine runter. Hammer." "Weißt du Sina,", sagte ich mit einem Lächeln, "du hast recht. Jetzt habe ich hier nichts mehr zu tun."
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Sommerregen
Teen FictionDie 16 jährige Sophia möchte Schriftstellerin werden. Als sie die Möglichkeit bekommt für ein Jahr in einem Hotel zusammen mit 11 anderen Jugendlichen einen Workshop zu machen an dessen Ende der beste Roman von einem Verlag gedruckt wird, zögert sie...