Sein braunes, verwuscheltes Haar hing ihm in die Stirn. Sein wohlgeformter Mund verzog sich zu einem leichten, doch traurigem Lächeln. Seine sanften blauen Augen schienen tief in meine Seele zu blicken. Sie strahlten nicht so, wie sie es sonst taten. Da war ein trüber Schleier auf ihnen, verwischte die Fröhlichkeit, die man früher einmal in ihnen gesehen hatte. Seine Augen schienen eher gräulich als bläulich zu sein.
Es zerbrach mir das Herz ihn so zu sehen - so kaputt, ihn in den Krieg ziehen lassen. Darauf hoffend, er würde gesund und munter zurückkehren. Mit der ständigen Angst zu leben, ihm könnte jederzeit etwas passieren...
"Vergiss mich nicht, srce moje", hauchte er.
Srce moje, mein Herz.
Schluchzend warf ich mich in seine Arme, genoss es von ihnen unschlossen zu sein. Ich fühlte mich geborgen, zu Hause. Sanft malte er mit seinem Daumen sanfte Kreise auf meinen Rücken, versuchte mich - wie auch sich selbst - zu beruhigen.
"Sag sowas nicht, wie könnte ich dich nur jemals vergessen? Ich liebe dich, und wie ich dich liebe! Ich werde warten. Jede Sekunde werde ich an dich denken, jede Sekunde wirst du in meinem Herzen sein."
"Sam, falls ich nicht-"
"Nein, sprich es nicht aus. Du wirst zurückkehren, ich weiß es!", redete ich mir ein.
Ich löste mich von ihm, strich ihm eine Träne von der Wange, die sich einen Weg nach unten bahnen wollte. Sanft hielt ich sein Gesicht zwischen meinen Händen, küsste ihn sanft auf die weichen Lippen.
So standen wir nun eng umschlungend im Regen, die Aussenwelt schien für uns zu verschwimmen. Das einzige, was im Moment zählte, waren wir.
"Ich liebe dich", flüsterte er.
"Ich liebe dich", hauchte ich.
"RAYNE!", schrie ein Mann mit strenger, tiefe Stimmer, die uns aus unserer eigenen kleinen Welt riss.
Ich schloss die Augen und legte ein letztes Mal meine Lippen sanft auf die seinen - kurz, doch voller Gefühle.
Traurigkeit, Wut, Angst und Liebe.
Traurigkeit, weil er seiner Pflicht nachgehen und ich ihn gehen lassen musste.
Wut auf diese gottverdammte Welt, dass es überhaupt erst Krieg gab, in dem Menschen ihr Leben verloren.
Angst, weil er in Lebensgefahr schwebte und jederzeit getötet oder gefangen genommen werden könnte.
Eine sanfte, letzte Berührung- fast so wie ein Windhauch. Dann war da nur noch Kälte. Ich war mir nicht sicher, ob die Berührung real gewesen war oder ich mir es eingebildet hatte.
Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich nur noch, wie das Fahrzeug mit ihm in der Ferne verschwand. Mit jedem Meter, den es zurücklegte, wurde mein Herz schwerer, die Tränen mehr.
Eigentlich ist es egal, wo du bist. Der Mond ist nie grösser als dein Daumen.
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The Soldier
Teen FictionSamantha - kurz Sam - Jones ist ein normales 18 jähriges Mädchen, das noch mitten in der High School steckt. In den Ferien bekommt sie einen überraschenden Anruf von ihrer Tante Kathrin. Diese arbeitet als Hebamme für die UNESCO. Momentan arbeit...