Ich murmelte mich in der Bettdecke zusammen. Langsam blinzelte ich auf. Grau und träge war der Himmel. Noch sah ich verschwommen und ungenau, aber ich musste nicht auf den Wecker schauen, um zu wissen, dass es spätestens 6:30 Uhr war. Ich wollte so gerne einmal länger schlafen und von leuchtenden, kitzelnden Sonnenstrahlen geweckt werden, doch ich konnte nie länger schlafen, sogar am Sonntag nicht. Mit einem lauten Ausatmer drehte ich mich zur anderen Seite um, da lag er, Marc, mein Verlobter. Er hingegen stand erst mittags auf, wenn er es konnte. Ein rhythmisches, sanftes Schnarchen kam aus ihm hervor, haargenau, wie bei Sitt, dem Faultier. Stöhnend drehte ich mich auf den Rücken, da ich sicherlich nicht noch einmal einschlafe, beschloss ich aufzustehen. Das stellte sich als gar nicht so leicht heraus. Ich schlang die Bettdecke um meinen kleinen Körper und rutschte auf meine Füße, der warme Teppich kitzelte sie von unten. Langsam richtete ich mich auf, noch etwas unbeholfen und leicht schummrig. Barfuß tapste ich mit meiner Decke zur Tür. Mit meiner viel zu großen Hand fiel es mir leicht, die Decke zu halten und die Tür zu öffnen. Ich eilte ins Wohnzimmer, um die Fenster zu öffnen, dabei fiel mir nun doch die Decke herunter, ich ließ sie liegen. Mit ein paar Schritten stand ich bereits in der Küche und steuerte zur Kaffeemaschine, dort stand immer meine grüne Tasse aus Seoul. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Bilder von einer kleinen Fünf-jährigen mit glänzend schwarzen Zöpfen tauchten vor meinen Augen auf. Mit gelben Gummistiefeln hüpfte sie durch die Pfützen, während ihre Zöpfe im Wind wehten. Bei dem Kinderlachen wurde mir ganz warm ums Herz. Noch einmal dieses kleine Mädchen in Seoul sein. Diese Erinnerungen und Vorstellungen des kleinen Mädchens wollte ich nicht aufgeben. Ich hatte Angst zurückzukehren in mein Mutterland. Ein Piepen löste mich aus meinen Gedanken. Mein Handy, Mist, wo war das noch gleich? Mein Blick wanderte einmal im Kreis, ich versuchte es unter einem Stapel Zeitungen und hatte Glück, da war es. Ich schaufelte es frei, eine neue Nachricht von Ben:
„Ich will dich und Marc heute zum Frühstück einladen, muss euch was Wichtiges sagen! Ihr könnt so um 8 Uhr kommen."
Ich mochte Ben wirklich und war echt gespannt, was es so Wichtiges gab, also schrieb ich ihm, dass wir kommen.
Ich wandte mich wieder meiner Kaffeetasse zu und drückte den linken Knopf der Kaffeemaschine. Die Maschine brach die Stille und ratterte die warme, braune Flüssigkeit aus. Meine kalten Hände umschlossen die Wärme. Schlürfend ging ich zurück ins Schlafzimmer. Ich dachte, dass ich Marc noch eine Stunde schlafen lasse. Ich griff mein grünes, langärmliges Kleid, eine Strumpfhose, einen Pullover und Unterwäsche. Meine Tasse ließ ich im Schlafzimmer zurück. Im Bad angekommen sprang ich gleich unter die Dusche.
Was er wohl so Wichtiges sagen wollte ich bin mir nicht sicher ob das jetzt positiv oder negativ sein sollte bei ihm war immer alles perfekt unser Vorbild ja wie ein Vater den ich nie hatte und eine verschollene Mutter keine Ahnung ob sie wohl gerade in Seoul war als Kind war es da so schön gewesen sie war doch meine Mutter warum besuchte sie mich/uns nie? ich hatte immer alles gemacht so wie sie es wollte wir waren früh nach Deutschland gezogen weil sie es wollte ohne mich zu fragen was ich eigentlich wollte und dann war sie selbst zurückgekehrt ohne mich ich war 17 noch keine 18 gewesen und gezwungen auf eigenen Beinen zu stehen naja ich hatte jetzt ja Marc aber trotzdem was hatte sie sich dabei gedacht? An das kleine Mädchen in Gummistiefeln war sie nie herangekommen sie war unzerstörbar hoffte ich zumindest ach keine Ahnung wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit ihr zu begegnen würde sie mir Seoul kaputt machen? Als wir alle klein waren hatte man uns gesagt du wirst das verstehen wenn du älter bist so wie alt soll ich denn noch werden Mist! Die 30 war nicht weit entfernt und ohne Marc hätte ich nichts geschafft ich war ihm so dankbar er hatte mir gezeigt gehabt was es heißt geliebt zu werden ja ich liebte ihn und meine Mutter ich werde es wohl nie verstehen ich hatte ja noch Ben, ein richtiges Geschenk es konnte einfach nur eine tolle Neuigkeit sein...
Ich machte das Wasser aus und griff meinen Bademantel. Ich bemühte mich nicht auszurutschen. Im beschlagenen Spiegel war ich ganz annehmbar. Immer noch barfuß ging ich ins Wohnzimmer zurück und ließ mich auf das warme Sofa fallen. Ein Buch von Marc lag vor mir. Um mir die Zeit zu vertreiben, las ich einfach ein wenig.
Nach einer Weile schaute ich zur Uhr: fünf vor 8, Mist! Sofort sprintete ich zum Bad und schlüpfte in mein Kleid, den Pullover zog ich schnell über, während ich in meine Boots schlüpfte. Ich eilte noch schnell ins Schlafzimmer. Marc, der noch immer schnarchte, schlief tief und fest. Ich weckte ihn nicht, sondern ging alleine. Eine kühle Brise wehte durch mein Haar. Die Luft war feucht und drückend. Der Weg zu Ben dauerte nur 10 Minuten. Meine Beine trugen mich schnell vorwärts bis ich sein Eckhaus erblickte. Ein kleiner Pfad führte zum Eingang ich bahnte mir einen Weg durch all seine Pflanzen. Bevor ich klingeln konnte, öffnet er die Tür und strahlte mich an: „Guten Morgen, meine kleine Chai, wo ist denn Marc?"
„Ich habe ihn schlafen lassen."
Seine Füße schwebten dahin. Eine Art Leichtigkeit hatte er in seinem Gang, behutsam trug er seinen Körper vorwärts. Elegant war das passende Wort. Ich kam mir hinter ihm wie ein Trampel vor. Er führte mich in einen Lichtdurchfluteten Raum mit bodentiefen Fenstern und alten Dielen. Der Geruch von Zimt stieg mir in die Nase, ich liebte ihn, sofort konnte ich mich wohlfühlen. Ben setzte sich auf sein modernes weißes Sofa. Herzhaftes Gebäck lag angeordnet auf einem Silbertablett vor ihm. Ich spürte die Wärme, die vom Essen ausging, ich hatte ganz vergessen, was für einen Hunger ich hatte. Neben Ben ließ ich mich fallen und angelte mir eine kleine gefüllte Teigtasche.
Sie war so heiß, dass meine Wangen von innen zu glühen begannen. Eine Weile hörten wir nur die Arbeit unserer Zähne. Langsam packte mich die Neugier, was wollte Ben mir sagen?!
„Ben, was gibt es denn so Wichtiges?", fragte ich mit vollem Mund.
„Hier, siehe selbst." Er zog etwas Weißes aus seiner Brusttasche und reichte es mir. Etwas verwirrt nahm ich, die Tickets! Flugtickets! Es waren zwei Tickets nach Seoul, meiner Heimat. Sofort sprangen die Bilder in meinem Kopf hin und her. Da wollte ich doch eigentlich nicht mehr hin. Da war es wieder, das kleine Mädchen, es fing an. sich die gelben Gummistiefel auszuziehen, ihre kleinen Hände zogen immer fester, bis ihre nackten Füße zum Vorschein kamen. Sie atmeten, das kühle Wasser ein.
Noch nie zuvor blickte mich das kleine Mädchen an, ich sah in ihre dunklen Augen. Freude und Glück spiegelten ihre Augen wider, vielleicht auch etwas Schmerz, aber vor allem etwas Neues, das ich noch nicht kannte. Irgendwo verborgen in mir öffnete sie eine kleine Tür. War es Hoffnung?
