Prolog

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Schließe deine Augen. Wenn du jetzt das Wort „Urlaub" hörst, woran denkst du?

Also ich habe Bilder vor Augen, von Stränden, tiefblauem Meer und türkis leuchtendem Himmel.

So ist meine Version von „Urlaub". Ganz anders wiederum die meiner Mum.

Wenn es nach ihr ginge, würden wir irgendwohin fahren, wo es möglichst wenig Zivilisation gibt und versuchen möglichst minimalistisch den Urlaub zu verbringen, heißt, alles was für sie Konsum ist, bleibt zu Hause. Und du kannst mir glauben, meine Mum stuft schnell als Konsum ein.

Dazu zählen zum Beispiel getrennte Zimmer für mich und meinen Bruder, elektronische Geräte (außervielleicht noch Backofen und Lampen) und warmes Wasser zum Duschen.
Wahrscheinlich würde sie sogar fegen, selbst wenn einf unktionstüchtiger Staubsauger neben ihr stehen würde.

Bis jetzt hat sie sich noch nie durchgesetzt und wir haben Urlaub immer der Vorstellung von meinemVater, meinem Bruder und mir nach verbracht. Tja. Bis heute.

Während ich diese Sätze in mein zerschlissenes, in Leder gebundenes blanko Buch kritzle, sitzen wir im Auto, wahrscheinlich das letzte Mal für diese Woche, denn ein Auto ist ja schließlich Konsum. Wir sind auf dem Weg in irgendeine Bio-Nazi Siedlung am Arsch der Welt.

So langsam tun mir meine Ohren weh, weil mir meine Kopfhörer ein Stück zu klein sind und meine Ohren einquetschen. Ich habe immer Kopfhörer auf, auch wenn ich keine Musik höre. Wenn man Kopfhörer auf hat, sprechen einen deutlich weniger Leute an. Und wenn ich richtig mies drauf bin, tu ich so, als würde ich nicht hören wenn mich jemand anspricht, weil die Musik solaut ist.

Ich meine, jeder wird wohl die Momente kennen, wenn man einfach keine Lust auf Kommunikation hat, oder?

Ich befinde mich gerade in einem dieser Momente. Mein Vater hat mein Handy zu Hause weggeschlossen, damit es nicht geklaut wird. Also keine Chance das Handy heimlich mitzunehmen.
Mein Kopfhörerkabel endet einfach in meiner Hosentasche. Mir doch egal, was die anderen denken. Sollen sie ruhig wissen, dass ich sauer bin. Dann lassen sie mich auf jeden Fall in Ruhe, denn wenn ich sauer bin sollte man mich besser nicht ansprechen, außer man ist lebensmüde und möchte meine gesamte geballte Wut wie eine Harpune abbekommen.

Das einzige was ich höre ist das leise Surren von den Reifen über den unebenen Asphalt und ich merke die ganz leichte Vibration von der Scheibe, weil ich meinen Kopf fest an sie gedrückt habe um meine Wut an irgendetwas auszulassen. Ich stelle mir vor, wie die Scheibe gleich zersplittert, weil ich so fest gegen sie drücke und gleichzeitig versuche, dass man von außen nicht sieht, dass ich angespannt bin.

Laut Navi sind wir in zweieinhalb Stunden da. Na super. Ich freue mich.

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⏰ Last updated: May 15, 2017 ⏰

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