Es war ein teuflischer Plan, den sich Hans Giebener ausgedacht hatte. Es war während der Wintermonate und er war auf dem Weg zu einer Sennhütte, die sich seit Ewigkeiten im Familienbesitz befand. Es war kalt und überall lag knietiefer Schnee. Doch er stieg weiter den Berg hinauf, so anstrengend es auch war. Wenn er den Plan ausgeführt hatte, würde er reich sein. Die ganze Beute aus einem Banküberfall, den er und ein Ehepaar verübt hatten, würde ihm gehören. Er mußte nur die beiden anderen loswerden. Deshalb war er auf dem Weg zur Sennhütte. Er hatte dort Alois Derber einquartiert, den männlichen Part des Ehepaars, das ihm beim Überfall geholfen hatte. Dieser Idiot hatte nämlich nicht aufgepaßt, und seitdem ist sein Phantombild in allen möglichen Zeitungen und auf Plakaten zu sehen. Klar, daß er sich verstecken mußte. Hans kam auf der Suche nach einem geeigneten Versteck die Idee, Alois von der Sennhütte zu erzählen. Dieser war begeistert. Er konnte ja nicht wissen, daß dieser Ort, der weitab von Skipisten und -loipen und somit fern von aller Zivilisation gelegen, nicht nur ein ideales Versteck, sondern auch ein idealer Ort war, jemanden umzubringen.
Hans war nicht mehr besonders weit von der Hütte entfernt, als er sich noch einmal versicherte, daß er die Waffe in seiner Jackentasche auch geladen hatte. Die Handschuhe hatte er auch an - bei dieser Kälte auch verständlich, nicht nur für einen Mörder. Er warf noch einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr, ein wertvolles Einzelstück, das er selbst angefertigt hatte, bevor er weiterging. Plötzlich hörte er etwas, was zu dieser Jahreszeit hier oben eigentlich nicht möglich war - das Geläute von Kuhglocken. Er tat es als Einbildung ab, hörte er es doch bisher jedesmal, wenn er hier herauf kam. Verunsichert war er jedoch trotzdem. Daher ging er unbewußt langsamer. Die Kuhglocken waren immer lauter zu hören je näher er der Weide kam, die die Hütte umgab. Als er den Bergwald verließ, konnte er seinen Augen nicht glauben. Da grasten tatsächlich Kühe auf der schneebedeckten Weide. Er blieb stehen und rieb sich die Augen, aber diese hatten ihm keinen Streich gespielt. So unwahrscheinlich es auch war, da standen Kühe. Erst wollte er nicht weitergehen, doch dann besann er sich seines Planes und des Geldes, welches er erhalten würde. Er ging also weiter, zwar mit einem mulmigen Gefühl, aber er ging weiter.
„Was?„ Hans glaubte seinen Ohren kaum, was er da hörte. „Sie sind ja wohl total bescheuert. Was haben Sie mit ihm gemacht?„
„Nur das, was Sie auch vorhatten, mit ihm zu tun. Ich habe Ihn umgebracht.„
Hans zog seine Waffe aus der Jackentasche hervor, entsicherte sie und zielte auf den Verrückten. „Kommen Sie mir keinen Schritt näher oder ich erschieße Sie!„
„Versuchen Sie es nur,„ sagte dieser und ging mit dem Teller in der Hand auf Hans zu.
„Ich warne Sie! Kommen Sie mir nicht näher!„ schrie dieser nun, aber seine Worte stießen auf taube Ohren, denn der Verrückte kam weiterhin auf ihn zugelaufen.
Voller Angst drückte Hans ab. Doch die Kugel traf nicht sein Gegenüber, sondern die Holzwand hinter diesem.
„Sehn Sie, es hat keinen Sinn. Sie können mich nicht töten, ich bin schon tot.„
Hans ließ seine Waffe fallen, als er von einem Schlag des Verrückten erfaßt wurde und zu Boden ging. Er konnte nicht mehr aufstehen, nein, vielmehr konnte er sich nicht mehr bewegen. Der Verrückte, oder besser gesagt der Geist, nahm Alois' Leber in die Hand und stopfte sie dem wehrlosen Hans in den Mund. Dieser erbrach sie, kurz nachdem er sie verschluckt hatte, wieder.
„Was ist los? Schmeckt Ihnen mein Mahl nicht? Das ist aber schade. Lassen Sie mich nun erklären. Um meine Strafe endlich loszuwerden, muß ich einige Verbrecher in die Hölle schicken. Ihr Freund ist schon dort, und Sie werden ihm bald folgen.„
„Halt, nein, warten Sie! Reicht der Tod von Alois denn nicht aus, um Sie zu erlösen.„
„Nein, leider nicht. Ich muß dazu mindestens drei Verbrecher töten.„
„Nein, nein, lassen Sie mich am Leben,„ winselte Hans.
„Nun ja, ich könnte Sie am Leben lassen, aber Sie müßten mir etwas geben.„ Der Geist überlegte. „Ja, genau, geben Sie mir Ihre Uhr. Die gefällt mir nämlich sehr.„
Hans nahm die Uhr von seinem Handgelenk und gab sie der ruhelosen Seele. „Hier nehmen Sie! Diese Uhr ist unbezahlbar. Ich habe sie selbst gefertigt.„
„Ich weiß,„ antwortete der Geist und nahm die Uhr an sich. „Ach ja, Ihre Waffe werde ich auch behalten. Und nun verschwinden Sie von hier und kommen Sie nie wieder an einem Wintertag hierher.„
Hans stand auf und verließ die Hütte. Er flüchtete über die Weide mit den grasenden Kühen in den Bergwald, von wo aus er sich an den Abstieg durch den Schnee machte.Es war wieder Frühling und der Schnee war geschmolzen, als Hans' Türklingel betätigt wurde. Hans öffnete die Tür und sah Inge, Alois' Ehefrau, vor sich.
„Hallo, Inge!„ begrüßte er sie.
„Die Gendarmerie hat seine Leiche gefunden.„
„Wessen Leiche?„ fragte Hans und eine seltsame Vermutung stieg in ihm auf.
„Die Leiche meines Mannes. Er wurde in der Hütte ermordet, erschossen mit einer Waffe, wie du sie besitzt.„
„Solche Waffen gibt es Tausende. Das hat nichts zu sagen.„
„Stimmt, aber die Gendarmerie hat eine Uhr gefunden, deine Uhr. Du hast ihn umgebracht.„
„Halt, warte, nein, das stimmt nicht, aber ich weiß, wer es war.„
„Da bin ich aber gespannt. Wer war es denn?„
„Hör mal, du wirst mir das nicht glauben, aber es ist wahr.„
„Wer war es?„ fragte Inge ein weiteres Mal und verlieh ihrer Frage dieses Mal mit einer Pistole, die sie aus ihrer Handtasche gezogen hatte, Nachdruck.
„Was willst du denn damit?„ fragte Hans mit geweiteten Augen.
„Antworte!„ befahl ihm Inge.
„Nun gut, es war ein, ein, äh, ein Geist.„
„Sehr lustig. Tolle Ausrede,„ meinte Inge und schoß Hans eine Kugel zwischen die Augen, bevor sie sich die Pistole in den Mund steckte und ein weiteres Mal abdrückte.
Und fernab in einer Sennhütte freute sich ein Geist über seine Genialität, die es ihm ermöglicht hatte, innerhalb eines Jahres seine Strafe, die über 70 Jahre anhielt, zu beenden und endlich ins Reich der Toten einzugehen.
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Das Kasermandel
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