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Der Wind hallte gespenstisch in dem alten Haus wider, wie eine alte Hexe, die nach Rache am guten Prinzen sühnte, der Rapunzel gerettet hatte.
Mit abschätzendem Blick starrte ich die Gruselvilla an, in der ich die restlichen zwei Jahre meines Eltern-Schützlings-Lebens wohl verbringen würde.
Backsteinhaus. Grüne, windschiefe Fensterläden, ein altes, rostiges Törchen begrüßte uns und lud in den verwachsenen, wilden Garten voller exotischer oder auch nicht exotischer Pflanzen ein.
Ich hätte beinahe gelacht, als das Tor jämmerlichst ächzte, sobald ich es öffnete, aber die stechend drohenden Blicke meiner Mom brannten auf meinem Rücken und so hielt ganz vorbildlich den Mund. Ja. Der Mustersohn schlug durch.
Kaum hatte ich das Tor geöffnet, rannte Liz wie ein geölter Blitz an mir vorbei und studierte fachkundig mit ihren kleinen Kinderhänden die giftigen Effeuranken, die sich an dem Haus entlangschlängelten.
Sofort stand Mom neben ihr, schimpfte und zog sie barsch hinter sich nach drinnen.
Liz protestierte und schleifte ihren Stifffisch Mr Bubbles unachtsam hinter sich her.
Von hinten kam mein Vater mit einem Karton an und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
"Das wird ein gutes Stück Arbeit...", seufzte er und deutete mit dem Kopf auf unser neues Grundstück.
"Was du nicht sagst.", erwiderte ich und verdrehte die Augen.
"Ach komm, Ryan. Sei nicht so pessimistisch!"
Wiederum klopft er mir seine riesige Hand auf die Schulter, doch ich wagte nicht, zuzugeben, dass das ehelicherweise ziemlich weh tat. Aua.
Ich wusste, dass Widerstand zwecklos war und deshalb stolzierte ich hochmotiviert in mein neues Zuhause.
Ja, das war mein Leben.
Ich, Ryan Black, zarte siebzehn Jahre alt, zog also genau heute, fünfzehnter fünfter, von London irgendwohin an den Arsch der Welt.
Somit hatte unsere Hauptstadt eine Jungfrau weniger.
Meine Eltern waren der festen Überzeugung, dass es mir und meiner achtjährigen, nervtötenden Schwester ein leichtes Spiel werden würde, uns hier wohlzufühlen.
"Kinder und Jugendliche sind anpassungsfähig.", pflegt sie immer zu sagen und missachtet damit bestimmt einige natürliche Gesetze der menschlichen Psyche.
Schwachsinn. Absoluter, wahnsinnier Schwachsinn.
Aber das sage mal einer meiner Mutter!
Problem Nummer eins daran, der Neue zu sein, bestand darin, einfach niemanden zu haben. Keine coole Clique oder Gang, keinen, der dir mal einen Joint ausgibt.
Problem Nummer zwei war, dass ich wohl oder übel meinen Status als Bandenchef abgeben musste. Niederlagen sind nicht gut für mein Image. Ganz und gar nicht.
Und zuletzt musste ich verdammt aufpassen, keinen Mangel in mein nahezu perfektes Badboy Auftreten zu schrammen und mich an der neuen Schule zum Gespött zu machen.
Sie sollten mich fürchten, auch wenn ich nur spiele und nicht mit echten Waffen zielen werde.
Wow. Ich hatte tatsächlich eine Neigung zu Metaphern.
Liz rannte mich beinahe mit ihrem dämlich blau-gelben Fisch um, als ich die schiefen Stufen nach oben hinkte.
Ich stöhnte genervt auf und verdrehte abermals die Augen.
"Kannst du nicht aufpassen, Elizabeth Black?!", fauchte ich und sie lachte.
Dann wirbelte sie weiter durch die Pflanzen und brüllte mir zu:
"Das erste Zimmer gehört mir!"
Ich zuckte die Schultern.
"Von mir aus."
Moms Augen leuchteten in einem kindlichen Glitzern, als sie sich in dem riesigen Treppenhaus, das einem Schloss glich umsah und mich umarmte.
"Ist das nicht wundervoll, Ryan?", schwärmte sie und wuschelte meine braunen Haare, wobei sie mich an ein verwöhntes Barbiemädchen erinnerte.
"Nop, Mom. Absolut grauenhaft.", gestand ich ehrlicherweise und lächelte ihr sanft zu, damit sie nicht die Fassung verlor. "Mit zwanzig bin ich hier raus."
Mom ließ sich ihre Euphorie nicht nehmen und verdrehte nur die Augen. Arme Mom. Hust.
"Teenager...", murmelte sie grinsend und verschwand in der altmodischen Küche.
Gott, wie ich meine Jungs vermisste. In solchen Situationen war ich meistens zu Luke oder Ben gegangen, habe gesoffen, ein paar Schnecken abgecheckt und noch mehr gesoffen.
Wenn dein Leben dich einfach anpisst.
Zimmer eins. Tabuzone. Zickenzone.
Nennen wir es wie wir wollen. Das Zimmer meiner Schwester.
Sie saß mit dem Laptop auf dem Boden und schaute diese kleinen, blauen Viecher an, wie hießen die noch gleich? Achja, die Schlümpfe.
Von diesen kleinen, schlumpfenden Kreaturen hatte ich tagelang Albträume.
Schnell verließ ich das Zimmer, ehe ich mich wieder mit meinen blauen Depressionen herumschlagen durfte.
Zimmer zwei war dann wohl für mich vorhergesehen und in dem Moment, in dem ich es betrat, war mir auch klar, wieso meine schlaue schlaue hinterlistige Schwester das erste Zimmer wollte.
Mein Zimmer sah zwar größer aus und hatte das gleiche, unglaublich hässliche Fensterbrett, wie Liz und dennoch hatte es einen riesigen, offensichtlichen Nachteil.
Die Wände zierte eine vergilbte, geblümte Tapete, die überall abblätterte, während Liz Wände strahlend weiß gestrichen waren.
Seufzend machte ich mich daran, die Tapete abzureißen.
Es vergingen einige Stunde, in denen sich die Sonne langsam hinter den Wolken versteckte und die ersten Tropfen auf die Straße prasselten.
Ich bemerkte es nicht.
Ich war zu sehr damit beschäftigt, mein Leben in den Griff zu bekommen, dass mir dieser eine Moment wie ein Schlag in die Magengrube vorkam. Ein unglaublich schmerzhafter Schlag.
Soetwas kannte ich nicht.
Bis jetzt.

Hallo, liebe Wattpad-Leser!
Dies ist meine erste, richtige Geschichte auf Wattpad und ich hoffe, ich kann euch mit in den Bann ziehen.
Bin immer offen für konstruktive Kritik :)
Lasst gerne ein Kommentar da!
Danke!
Lg und viel Spaß beim Lesen
Ilona

Das Mädchen, das im Regen tanztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt