Stell dir vor, du stehst in einem riesigen Tanzsaal. Nun ja, vielleicht ist er nicht soo riesig, aber deine Nervosität bringt dich dazu manchmal ziemlich hysterisch zu übertreiben. Es ist dein Tanzkurs-Abschlußball. Um dich herum stehen lauter schnatternde Eltern und aufgeregte Jungen und Mädchen in deinem Alter. Alle haben sich sehr fein zurechtgemacht, genau wie du. Du trägst ein blaues Kleid, ausnahmsweise einmal hohe Schuhe und deine Lieblingskette. Immer wieder streichst du dir nervös eine verrutschte Strähne hinters Ohr. Da endlich siehst du deinen besten Freund Tom in der Menge und du kannst dich ein bisschen entspannen. "Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr", sagst du vorwurfsvoll aber auch erleichtert. "Tut mir leid, aber mein Vater musste noch ewig seine Autoschlüssel suchen" , erklärt er zerknirscht und schon kannst du nicht mehr sauer auf ihn sein. "Hast du deinen Schatz denn schon gesehen?" fragt er dich neckend. Du wirst rot. Denn Tom meint natürlich Phillip, deinen heimlichen Schwarm. Leider ist der aber auch von ganz vielen anderen sehr bewundert und so bemerkt er dich gar nicht. "Nein" nuschelst du in dich hinein. Denn Tom soll nicht wissen, dass du ihm schon den ganzen Abend lang hinterherschmachtest. Und genau wie seine anderen Fans deine Augen nicht von ihm nehmen kannst. Und damit Tom dieses für dich sehr unangenehme Thema nicht weiter ausweiten kann, wechselst du schnell das Thema. "Und, wie weit bist du bis jetzt mit deiner Strafarbeit für Herr Ammann?", fragst du ihn und beginnst sofort schadenfroh zu grinsen, als du siehst wie Tom seine Miene verzieht. "Ach Mann, die hätte ich ja fast vergessen. Bis übermorgen noch fünf Seiten über den Sinn der Mitarbeit im Unterricht..." Wieder stöhnt er genervt und verzweifelt auf und du beginnst zu kichern. Ist er schließlich selber Schuld, wenn er dauernd Mathe schwänzt oder heimlich mit seiner Freundin schreibt und sich dabei auch noch vom Ammann erwischen lässt. Doch plötzlich verfliegt deine gute Laune wieder. Nun geht es ans Tanzen und du wirst sogar noch nervöser als du es vorhin warst. In deinem Kopf spielt sich ein Schreckensszenario nach dem anderem ab. Was wenn du stolperst? Oder umkippst? Oder vor lauter Nervosität kotzen musst? Doch es hilft sowieso nichts. Schließlich wirst du von Tom auf die Tanzfläche geführt und als die Musik ertönt, beginnt ihr auch zu tanzen. Wie ein ferngesteuerter Roboter bewegst du dich. Total hölzern. In deinem Kopf laufen nur noch die verschiedenen Schrittfolgen ab. Du kannst den Tanz gar nicht genießen und vertraust einfach darauf, dass Tom dir schon helfen wird. Und das tut er auch. Tom ist schließlich schon das zweite mal in der zehnten klasse und hat auch letztes Jahr schon am Tanzkurs teilgenommen. Und als du merkst, dass nichts schiefläuft beginnst du dich langsam zu entspannen. Du wirst lockerer und findest Gefallen daran, dich zur Musik zu bewegen. Eigentlich, denkst du, ist Tanzen doch nicht sooo schlimm. Nein, es ist sogar ziemlich schön. Nun musst du dich nicht mehr so verbissen auf die Schrittfolgen konzentrieren und kannst deine Blicke durch den Raum andern lassen. Wo ist denn Phillip? Ist er vielleicht der braune Lockenkopf dahinten? Um besser sehen zu können reckst du deinen Kopf nach oben. Aber noch immer siehst du nicht genug. Deshalb trittst du ganz Gedanken versunken einen großen Schritt nach hinten. Aber... Aber du bist doch eigentlich grad im schönsten Tanzen... Merkst du allerdings erst, als du das Pärchen hinter dir bereits angerempelt hast, einer der beiden ausrutscht und ihr beide unsanft auf dem Boden landet. Scheiße. Das wollest du nicht... Bestürzt versuchst du dich wieder aufzurichten und siehst dabei, auf wem du da gelandet bist. Es ist Phillip. Der Phillip, den du seit Jahren super toll findest. In den du schon ewig verliebt bist. Der dich nicht so tollpatschig erleben sollte. Und der gerade ganz und gar nicht erfreut über euer "Treffen" ist. Jetzt merkst du, dass auch die meisten anderen aufgehört haben zu tanzen und alle euch anglotzen. Gottseidank realisierst du auch die Hand, die Tom dir hinhält und ziehst dich daran hoch. Nichts wie weg hier ist dein einziger Gedanke und du rennst aus dem Ballsaal. Doof, dass man in hohen Schuhen nicht rennen kann. Das merkst du nämlich, als du einen verlierst. Aber umdrehen um den Schuh aufzuheben kommt nicht in Frage. Denn du willst einfach nur weg. Schnell verlässt du den Saal, auf einem Schuh und läufst dann in Richtung der Toiletten. Doch da hält dich eine Hand fest. Du drehst dich um und siehst Phillip. "Warte", sagt er. "Ich glaube du hast da was verloren". Er hält dir deinen Schuh hin. Du schniefst. Will er sich über dich lustig machen? "Was soll das? Es tut mir leid, dass ich dir deinen Abend versaut habe, wirklich. Lass mich bitte einfach gehen. Es soll nicht noch peinlicher werden..." Einzelne Tränen rinnen dir die Wange hinunter. Du würdest vor Scham am liebsten im Boden versinken. Alle werden dich hassen und verspotten, für immer. Du wirst als das Mädchen in die Geschichte eingehen, das nicht tanzen kann. Aber am schlimmsten ist, das du Phillips Abend ruiniert hast und er dich jetzt auch noch weinen sieht. Du schaust schnell auf den Boden um seine Reaktion nicht mitzuerleben. "Wäre doch Schade, wenn man wegen so einer doofen Kleinigkeit auf den ganzen Ball verzichten muss. Und ehrlich gesagt," er holt tief Luft, "wollte ich dich schon die ganze Zeit fragen ob du mit mir tanzen möchtest. Aber ich habe mich nie getraut. Und wenn du jetzt schon gehst, hätte ich nie die Chance dazu. Bitte geh nicht. Bleib bei mir... " Er sieht dich mit seinen braunen Augen bittend an und du kannst ihm seinen Wunsch nicht abschlagen. "Ich würde auch sehr gerne mit dir tanzen. Aber wie du gerade selber gemerkt hast bin ich keine all zu gute Tänzerin. Und es werden dich alle auslachen, wenn du mit mir tanzt." Ach Quatsch! Natürlich kannst du gut tanzen. Du warst eben nervös. Das hätte jedem passieren können. Und selbst wenn mich jemand auslachen sollte, du bist mir das Wert." Und mit diesen Worten hilft er dir auf, gibt dir deinen Schuh und ihr beide begebt euch wieder in den Tanzsaal. Gerade wird ein sehr ruhiges Stück gespielt und es fällt dir gleich leichter dazu zu tanzen. Das könnte aber auch daran liegen, dass du Phillip so nah bist wie noch nie und er dich mit so viel Sicherheit führt, dass du dir gar keine Sorgen machen musst. du schaust ihm in die Augen und ihr beide wiegt euch im Takt der Musik. Phillip ist nur auf dich fixiert. Seine schokoladenbraunen Augen liegen auf dir und ein Lächeln umspielt seinen Mund. Und endlich beugt er dich zu dir herunter und küsst dich.

YOU ARE READING
Love Stories
RomanceHier werde ich einfach Kurzgeschichten zum Thema Liebe schreiben. Diese sollen nicht zusammenhängend sein und ich werde auch versuchen, möglichst viele verschiedene Erzählstile auszuprobieren. Wer Lust hat kann natürlich gerne mal reinschauen, konst...