Mir die Menschen anzusehen liebe ich am meisten, wenn ich mir die Zeit nehmen kann, langsam zu gehen. In London ist an jedem Tag was los und es laufen einem immer wieder neue Gestalten über den Weg. Die Wege sind voll von Touristen, die einem jedes Mal vor die Füße laufen und auf den Straßen hupen die Autos wie verrückt. Ich habe meine Hände in den Hosentaschen vergraben und schlendere die Straße entlang, zu meinem Termin habe ich es nicht gerade eilig. Neben mir liegt der Hyde Park, welcher eine angenehme Ruhe inmitten der hektischen Stadt ausstrahlt. Ein telefonierendes Mädchen läuft vor mir auf die Straße zu und bleibt stehen, um aufgeregt in ihr Handy zu sprechen. Eine genervte Mutter versucht, ihr Kind davon zu überzeugen, mit ihr zu gehen und eine Gruppe Touristen umkreist eine Telefonzelle, um sie von jeder Seite zu fotografieren. Das Mädchen läuft, ihren Kaffe trinkend, ohne zu gucken auf die Straße. Das ist der Moment, in welchem ich aus meinem Beobachtungsposten aufschrecke und eingreifen muss. "Komm da zurück!", rufe ich noch, sehe aber schon den Bus auf sie zu rasen und abbremsen, höre noch das Hupen, als ich nach ihrem Arm greife und sie ruckartig zurück auf den Weg ziehe.
"Ist dir was passiert?" Erschrocken und mit klopfendem Herzen sehe ich sie an und bemerke, dass sie ihren ganzen Kaffee über ihr Shirt geschüttet hat. Sie sieht nur an sich runter und dann zu mir hoch, sie scheint noch unter Schock zu stehen. "Ich...Ich...Danke", stottert sie dann und fährt sich aufgewühlt durch die dunklen Haare.
"Das weiß man doch, dass man hier vorsichtig sein muss", ich grinse schief und sehe in ihre Augen. Ich frage mich sofort, was sich dahinter verbirgt. Mit wem sie telefoniert hat und wohin sie unterwegs ist.
"Danke nochmal...", murmelt sie und sieht genauso in meine Augen, begutachtet dann ihr Shirt und streicht seufzend über den nassen Stoff.
"Tut mir wirklich Leid deshalb...Geht das so?", frage ich und folge ihrem Blick zu dem Shirt. Hoffentlich hat sie nichts wichtiges vor.
"Es..ist nur Kaffee." Sie bringt ein Lächeln zustande und sieht wieder zu mir hoch. Es musste wirklich ein Schock gewesen sein, den Bus mit quietschenden Reifen und hupend neben sich auftauchen zu sehen und zu merken, dass es jeden Moment vorbei sein könnte. "Kann ich mich irgendwie bei dir bedanken?"
Weil mir nichts anderes in den Kopf kommen will als sie kennenzulernen und zu erfahren wo sie herkam oder wo sie hinwollte, muss ich es einfach riskieren und sie danach bitten.
"Uhm...Geh einen Kaffee mit mir trinken? Als Entschädigung für den Verschütteten?"
Ich sehe und lächele sie warm an. Eigentlich spreche ich keine Mädchen an. Aber dieses Mal bin ich schon so weit aus meiner Rolle herausgekommen, dass ich nicht einfach weitergehen kann.
Ich bin überrascht, als sie nach meiner Hand greift und mit einem Kugelschreiber ihre Nummer darauf notiert. Ich nehme meine Lippe zwischen die Zähne, versuche meine Hand still zu halten und mustere zum ersten Mal genauer ihr Gesicht. Die langen Haare fallen ihr ins Gesicht und vor die großen, braunen Augen. "Ruf mich einfach an", sagt sie und sieht wieder zu mir hoch, sie ist ein ganzes Stück kleiner als ich. "Ich gehe mich erstmal umziehen..."
"Mach ich...Und pass das nächste Mal auf, wo du hinläufst", ich muss leicht schmunzeln und sehe dann auf meine Hand, spüre meine Mundwinkel zucken.
"Jacky xx"
Jacky heißt sie also.
"Mh...Werde ich", sie nickt und lächelt mich leicht an. "Wir sehen uns dann.""Bis dann", ich sehe ihr nach und kann nicht anders, als zu lächeln. Diese Begegnung hat mir den eigentlich schlechtesten Tag im Monat versüßt. Dieses Lächeln geht mir gar nicht mehr aus dem Kopf. Es war süß.
Ich setze meinen Weg langsam fort und habe die Hand mit ihrer Handynummer in meiner Hosentasche vergraben. Ganz anders als sonst bin ich plötzlich total gut drauf. Fröhlich öffne ich die Tür der Arztpraxis und begrüße ihn sofort.
"Harry! Gut drauf heute?", ich sehe sein Lächeln und kann gar nicht anders als zu grinsen, nicke. "Jap", erwidere ich einfach und laufe schonmal in das Behandlungszimmer, um mich auf die Liege fallen zu lassen und die Untersuchungen über mich ergehen zu lassen.
Meine Gedanken driften an einen ganz anderen Ort, ohne Stress und Sorgen, an welchem ich fröhlich durch Straßen lief und süße Mädchen vor Bussen rettete.
"Du machst dich wirklich gut.", die Stimme des Arztes und seine Hand auf meiner Schulter reißen mich wieder aus meinen Gedanken. "Die Zellen können mich mal", ich grinse schief und stehe wieder auf.
"Das ist die richtige Einstellung...Bis nächsten Monat, ja?"
Ich nicke ihm zu und mache mich dann wieder auf den Weg nach Hause, wo ich meine Mutter gut gelaunt begrüße.
Ihren etwas verwunderten Blick bemerkend laufe ich an ihr vorbei in die Küche, um mir etwas zum Essen zu machen. Nachdem ich die Minipizzen in den Ofen geschoben habe, lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und betrachte meinen Handrücken, während ich nachdenklich auf meiner Lippe rumkaue. Sollte ich sie schon anrufen? Oder ist es noch zu früh? Sie weiß nichtmal, wie ich heiße.
Ich speichere ihre Nummer in mein Handy ein und bemerke das kleine Lächeln gar nicht, das sich auf meinen Lippen befindet. Mein Daumen schwebt lange über dem Anrufsymbol und ich bin hin und hergerissen. Bei so einem Mädchen kann ich doch nicht davon ausgehen, dass es single ist. Andererseits gehen mir die kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase nicht mehr aus dem Kopf.
Der Alarm des Herdes reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich zusammenzucken. Schnell lege ich mein Handy zur Seite und hole mein Essen, um es hungrig hinunter zu schlingen. Ich muss sie anrufen. Ich würde es bereuhen, wenn ich es nicht tun würde.
Also räume ich das Geschirr schnell weg und laufe die Treppe nach oben in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett fallen lasse und das Handy wieder in meiner Hand behalte. Ich muss mir schon vorher überlegen was ich sagen will, denn der Gedanke dass ich aus dem Konzept kommen könnte, macht mich ziemlich nervös.
Als ich ihre Nummer wähle und das Handy an mein Ohr drücke, spüre ich mein Herz schneller schlagen.
"Hallo?", ihre Stimme lässt meine Mundwinkel in die Höhe zucken.
"Ich bins, der komische Typ, der dich vor dem Bus gerettet hat"
"An den kann ich mich erinnern."
Meine Lippen umspielt ein Lächeln und ich sehe meine Beine an, welche ich vor mir abgestellt habe. "Mein Angebot steht noch, also was sagst du?", ich habe ihr Gesicht vor Augen während sie redet und bekomme dieses gar nicht mehr aus dem Kopf."Wann und wo?", fragt sie und mein Lächeln wird nur noch größer, weil sie zugesagt hat.
"Das kommt ganz darauf an wann du Zeit hast und wo können wir dann immer noch entscheiden"
Dass sie mir lachend sagt dass sie jetzt Zeit hat, macht mich nur noch nervöser. Das passt mir und ich kann sie so schnell wie möglich wiedersehen. "Okay...Soll ich dich abholen?", frage ich und beiße leicht auf meiner Lippe rum. Sie gibt mir ihre Adresse. Ich habe ein Date. Oder kann man das nicht so nennen? Jedenfalls treffe ich mich mit einem hübschen Mädchen, welches ich heute erst kennengelernt habe. "Ich bin in...20 Minuten da.", überlege ich und spüre mein Lächeln breiter werden, als sie sagt, dass sie sich schon freue. "Bis gleich", ich verabschiede mich lächelnd und laufe dann schnell ins Bad, um meine Zähne zu putzen und nochmal durch meine Haare zu fahren, dann mache ich mich auf den Weg nach draußen.
Ich hoffte nur, sie trifft sich nicht nur mit mir, weil ich sie gerettet hatte.
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Until The End.
FanfictionKind sein, glücklich sein. Zum Teenager heranwachsen, sich ausprobieren, auf Partys gehen und das erste Mal Alkohol trinken. Man wird erwachsen, beendet die Schule und sucht sich eine Uni aus. So sieht das Leben der meisten jungen Leute aus, doch da...