Kinky Boys | Stexpert

Unser Theater

Eigentlich war es nur ein dummer Spaß, den Tim da machte. Und eigentlich war es ernster gemeint, als Tim behauptete. Dennoch war ein kleiner Funke in dem Braunhaarigen entfacht worden, der sich Hoffnung machte, dass sein größte Idol, das hübscheste Model der Welt und der netteste Mensch mit ihm ins Theater gehen wollte. Vor Allem mit ihm, einem unbedeutenden Jungen, der nicht wirklich hübsch war und dessen Selbstbewusstsein so ziemlich unter Null gesunken war, seit er in der Uni saß und die jungen, wilden Typen hinter ihm immer mit Stiften und Papierkugeln nach ihm schmissen.

Dennoch las er sich die einfache, simple Antwort seines Idols immer und immer wieder durch. Er konnte nicht fassen, dass er ihm geantwortet hatte. Ihm war klar, dass Stegi, sein heimlicher Crush, von ihm wusste. Er war penetrant und auffällig gewesen; schon immer und das blonde Model wusste deshalb auch von ihm. Tim würde dafür seine Hand ins Feuer legen, denn Stegi wusste von ihm und kannte seinen Namen. Gut, er musste zugeben, dass es nicht schwer war, sich so einen normalen und langweiligen Namen zu merken, aber trotzdem. Es ging um's Prinzip.

Ein paar Tage später war es nun für den jungen Mann so weit. Er verabschiedete seinen Bruder, der mit ihm in der kleinen Wohnung wohnte, und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Er fuhr oft Zug, aber irgendwie fand er Flixbus fahren spannender. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass der Bus um Längen günstiger war und nicht so viel Verspätung hatte, wie der Zug, in den er gerade, eine Stunde zu spät, einstieg. Aber er konnte ja nicht alles haben, wäre auch zu langweilig und Tim mochte langweilig nicht.

Irgendwie war er aufgeregt und er fand gerade jetzt, als er zwei Karten für das Theater, in seinen Fingern drehte und sich Gedanken darüber machte, wo er Stegi treffen, wie er ihn erkennen sollte und vor Allem, wusste er noch nicht einmal, ob Stegi wusste, wann und wo das Theaterstück statt fand.

Vielleicht machte sich der Braunhaarige auch einfach viel zu viel Hoffnung und ein Stück weit ärgerte er sich, dass er alleine gegangen war und nicht seinen Bruder mitgenommen hatte. Vielleicht hätte er auch einfach das Ticket verkaufen sollen. Die 18 Euro hätte er sicher gut in ein Essen investieren können.

„Ihre Karte bitte." Ein älterer Mann, Tim schätzte ihn auf knappe sechzig, holte ihn aus seinen Gedanken.

„Oh, ich warte noch auf jemanden, entschuldigen Sie."

Und das tat Tim, er wartete auf jemanden. Er wartete auf Stegi, auf sein Idol und auf den Menschen, dessen aussehen er nicht kannte. Na ja, zum Teil. Er kannte seine makellosen, langen und dünnen Beine, seine helle Haut, seinen flachen Oberkörper und vor Allem seinen wohlgeformten Hintern. Es war nicht so, dass er Stegi schon alleine wegen seines Arsches liebte, aber ... nun gut, es war genau deswegen. Aber auch sein Charakter zeigte, dass er ein Engel war. Er spendete monatlich die Hälfte seiner Einnahmen an einen guten Zweck. Letzten Monat hatte er über 1000 Euro an eine Krebsorganisation gespendet und kaufte sogar Kunstwerke nur, wenn sie einen guten Zweck erfüllten, oder er sie weiter schenken konnte. Er war einfach ein sehr großes Vorbild für viele.

„Sir? Sie müssen nun rein, sonst verpassen Sie die Show."

Etwas enttäuscht nickte er, gab dem Mann seine Karte und ging dann mit langsamen Schritten und hängenden Schultern zu seinen Platz. Erste Reihe, Parkett außen links, Platz sieben. Seine zweite Karte hätte Platz acht gehabt. Stegi würde nun rechts neben ihm sitzen und er würde mit ihm tauschen, wenn dieser näher in der Mitte sitzen wollte. Er würde vor ihm niederknien und ihm die Füße massieren oder ... „Wo sind wir, dass wir dieses Leben führen müssen? Wo sind wir, dass wir und bewachen lassen, weil uns die Bosheit unter den Schuhsohlen hängt, wie ein lästiger Kaugummi? Wo leben wir, wenn man uns sieht, wenn wir essen, schlafen unsere Frau betrügen oder unseren Mann? Wo ist der Reiz und wo der Verstand der Menschen, die böses wollen?"