Schlechte Nachrichten

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Hallo zusammen,

dies ist mein erster Versuch einer Karl May Fanfiktion. Die Figuren gehören nicht mir und ich verfolge keinerlei kommerzielle Absichten mit dieser Geschichte.

Mir ist bewusst, dass das hier geschriebene nichts mit der eigentlichen Biographie von Karl May zu tun hat. Es ist reine Fiktion.

Viel Spaß und viele Grüße

Danny



Sharlih


„Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen schonender beibringen soll, also verzeihen Sie mir bitte, Herr May, dass ich es einfach so ausspreche, wie es ist. Drei bis sechs Monate bleiben Ihnen noch, mehr nicht. Sie müssen sich darauf vorbereiten, dass es Ihnen schon in den nächsten Tagen schlechter gehen wird. Die Symptome werden sich von nun ab bis zum unvermeidlichen Ende hin immer weiter verschlimmern, gegebenenfalls kommen weitere hinzu. Das kann ich im Moment noch gar nicht so recht vorhersagen, denn mit so einer Art der Erkrankung hatte ich bislang noch nie zu tun. Es tut mir wirklich leid, Herr May, aber ich kann nichts weiter für Sie tun, außer die Schmerzen und weiteren Auswirkungen, wie Fieber, Schwindel und eine immer mehr zunehmende Schwäche, die sich von nun an verstärkt zeigen werden irgendwie zu lindern. Sofern mir das überhaupt möglich sein wird. Die Krankheit ist schon zu weit fortgeschritten. Doch selbst, wenn Sie früher gekommen wären, bin ich mir nicht sicher, ob ich tatsächlich hätte helfen oder gar heilen können. Es handelt sich um eine sehr ungewöhnliche und aggressive Infektion. So etwas ist mir in meiner Praxis wirklich noch nicht untergekommen. Herr May? Hören Sie mir noch zu, Herr May?"

Hatte ich diese Worte gerade gehört und waren sie überhaupt an mich gerichtet gewesen? Das konnte, nein durfte nicht wahr sein! Gut, dass ich auf einem Stuhl saß, mir hätte die Nachricht wohl sonst die Beine unter meinem Körper weggezogen und ich wäre einfach auf dem Boden zusammengebrochen. Doch auch der Stuhl bot mir nur einen unsicheren Halt. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach – mir wurde heiß und kalt zugleich, Sterne tanzten vor meinen Augen und der Raum schien sich um mich herum zu drehen. Meine Hände krallten sich unwillkürlich rechts und links in die Seiten der Sitzfläche.

Mir gegenüber, nur ein massiver Schreibtisch zwischen uns, saß mein Arzt. Ich hatte ihn aufgesucht, weil ich mich in letzter Zeit immer unwohler fühlte, ungewohnt schwach war und hin und wieder leichtes Fieber hatte. Ich dachte an eine hartnäckige Erkältung, die ich vielleicht nicht richtig auskuriert hatte, aber doch nicht an meinen Tod! Tod! Ich soll sterben? Und das schon bald?

Sterben – Tod – Krankheit. Worte, die in meinem Kopf herumschwirrten, wie Mücken in einer Sommernacht. Sommernacht – würde ich noch eine erleben dürfen? Wieder so ein kurzer Gedanke, der sich gleich wieder verflüchtigte.

Wie aus weiter Ferne hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Es war der Doktor und ich konzentrierte mich auf seine Stimme.


Ich schüttelte heftig meinen Kopf, zum einen in dem vergeblichen Versuch ihn wieder klar zu bekommen, zum anderen aber auch, um meinem Protest mehr Ausdruck zu verleihen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Er musste sich irren, alles andere war einfach absurd.

Ich testete meine Stimme und war überrascht, dass sie mir gehorchte:

„Aber, aber ich bin doch erst Mitte dreißig und immer gesund und kräftig gewesen! Sie müssen sich irren! Das bisschen Fieber, das mich hierher geführt hat, kann doch nicht so schlimm sein! Das muss ein Irrtum sein! Vielleicht verwechseln Sie mich mit einem anderen Patienten! Untersuchen Sie mich noch einmal!", versuchte ich meiner Irritation, ja inzwischen war es gar Wut, Luft zu machen. Hätte ich meinen Beinen getraut, wäre ich aufgestanden und hätte mich vor dem Arzt aufgebaut, um meine Meinung zu unterstreichen, doch ich fürchtete, dass meine Beine mich noch nicht tragen würden, also blieb ich einfach sitzen.

Der Doktor sah mich an und in seiner Miene las ich das, was ich nicht wahrhaben wollte, was nicht wahr sein durfte. Er schüttelte bedauernd seinen Kopf.

„Doch, das bisschen Fieber, wie Sie es ausdrücken, ist schlimm. Es ist ein Symptom für eine schwere Infektion, die sich in Ihrem Körper ausgebreitet und bereits Ihre Organe angegriffen hat. Ich vermute, dass Sie diese Infektion schon einige Zeit in sich tragen und sie erst jetzt zum Ausbruch gekommen ist. Die Entwicklung wird jedoch ab jetzt rasant sein. Sie sollten Ihre Angelegenheiten regeln. Es tut mir außerordentlich leid, Herr May. Eine Verwechselung oder ein Irrtum sind ausgeschlossen. Ich habe die Ergebnisse mehrfach überprüft."

Meine Angelegenheiten regeln – das waren die Worte, die in den nächsten Tagen immer und immer wieder in meinem Kopf widerhallten. An viel kann ich mich aus dieser Zeit nicht erinnern. Ich war wie betäubt, lebte wie in einer Blase. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war noch jung und hatte noch so viel vor und jetzt sollte mein Leben vorbei sein? Jeden Moment hoffte ich einfach zu erwachen und dass dies alles nur ein Albtraum sei. Doch leider war es die bittere Wahrheit. Ich musste sterben; lange bevor meine Zeit eigentlich ablaufen dürfte. Das war die Tatsache, der ich mich stellen musste.

Doch ich konnte es nicht!

Oft lief ich einfach durch die Straßen der Stadt, ich ging weiter und weiter, als ob ich so dem Unvermeidlichen irgendwie davonlaufen könnte. Manchmal fand ich mich dann irgendwo wieder, an Orten, an denen ich noch nie zuvor gewesen war und hatte dermaßen die Orientierung verloren, dass ich gar nicht wusste, wo ich war. Oder waren das schon Auswirkungen der Krankheit? War ich bereits verwirrt und dem Irrsinn nahe?

Manchmal war ich bereits zu schwach, um weitere Strecken zurückzulegen oder auch nur die Treppen von meiner Wohnung hinab auf die Straße zu gehen.

Wie viele Tage waren seit dem Arztbesuch vergangen? Ich konnte es nicht sagen. Schon merkte ich, wie sich die Infektion mehr und mehr in meinem Körper Bahn brach, dass das Fieber kam und ging, mich schwächte. Das konnte nicht sein – durfte nicht sein! Ich wollte doch leben und noch so viel sehen und erleben.

Ich war erst seit kurzem wieder in meiner Heimat. War zurückgekommen, um einige meiner Erzählungen zu verkaufen, damit meine Reisekasse wieder gefüllt war und ich gleich zu neuen Abenteuern aufbrechen konnte.

Daraus wurde nun nichts mehr. Das Abenteuer Leben würde für mich bald zu Ende sein, würde keine Freude mehr für mich bereithalten, sondern nur noch einen qualvollen Tod.

In einem verzweifelten Versuch doch noch etwas ändern zu können, suchte ich einen anderen Arzt auf. Er untersuchte mich gründlich und nahm sich sehr viel Zeit. Schon wollte sich Hoffnung in mir breit machen, doch dann, nur wenige Tage nach meinem ersten Besuch bei ihm, bestätigte er die Diagnose meines Hausarztes. Seine Prognose war gar noch düsterer und ließ mir noch weniger Zeit.

Ich war verzweifelt und am Ende und ich war allein. Noch nie hatte ich mich so allein gefühlt.

Ich war nur froh, dass meine Eltern das nicht mehr erleben mussten. Ihren einzigen Sohn beerdigen zu müssen, wäre gerade für meine Mutter wohl zu viel gewesen. Auch hätte ich kaum gewusst, wie ich ihnen das hätte beibringen sollen. Wie sagt man seinen Eltern, dass man bald stirbt? Wie sagt man es seinen Freunden? Das blieb mir erspart. Eine Angelegenheit weniger zu regeln, fuhr es mir in einem Anflug von Sarkasmus durch die Gedanken.

Aber was waren überhaupt meine Angelegenheiten? Was gab es noch zu tun und zu regeln? Was konnte ich noch tun? Auf den Tod warten – mich selbst richten? Mit einem Mal fiel die Betäubung der letzten Tage von mir ab und wich einer schier endlosen Verzweiflung und der Erkenntnis: Es gab für mich nichts mehr zu tun, Besitztümer hatte ich nie angehäuft und durch meine vielen Reisen, gab es hier in meiner Heimat auch keine wirklichen Freunde mehr, niemanden, der sich meiner annehmen würde, wenn ich mich aufgrund meines nun drohenden körperlichen Verfalls nicht mehr selbst versorgen könnte. Nicht, dass ich mir überhaupt vorstellen konnte das ertragen zu können, hilflos zu sein, auf jemanden angewiesen. Ich, der seine Freiheit und Unabhängigkeit immer geliebt hat. Niemals! Blieb also nur der Suizid, eine Todsünde in den Augen meines Gottes.

Nun packte mich neben der Verzweiflung auch eine endlose Wut. Ich war wütend auf mich, auf meinen Körper, der mich zunehmend im Stich ließ und ja, ich musste zugeben, ich war auch wütend auf Gott! Wieso ich? Wieso ließ er so etwas zu?

Ich griff nach der kleinen Stehlampe auf meinem Schreibtisch und schmetterte sie mit einem lauten Aufschrei, in den ich all meine aufgestaute Wut und Verzweiflung legte, gegen die Wand.


Am Ende des WegesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt