- Kapitel 1 - Der Anfang

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Da steht sie. Ich kann sie aus der Ferne schon ausmachen. So oft habe ich sie in schwachen Momenten genaustens betrachtet. Ihr dunkelblondes Ellbogen langes Haar liegt wie immer perfekt geglättet über ihren Schultern und ein breites Lächeln ziert ihr schmales Gesicht. Ihre hohen Wangenknochen liebe ich am meisten an ihr. Lächelnd fahre ich mir durch die Haare.

Ein junger Mann den ich nicht kenne, steht neben ihr. Sie unterhält sich angeregt und unterstützt ihre Aussagen mit ihren Händen. Sie malt Anführungszeichen in die Luft und streicht sich immer wieder ihr Haar hastig hinters Ohr. Eine Marotte, die ich oft bei ihr beobachte, wenn sie sich mit anderen unterhält. Neid kommt in mir auf. Was will der von ihr? Warum wirkt sie in seiner Nähe so losgelöst und vertraut? Ist sie das bei mir auch? Über was unterhalten sie sich? Sie nickt zustimmend zu irgendeiner Aussage des anderen und sieht mich gar nicht, so vertieft scheint sie in das Gespräch zu sein.

Ich lasse mir also extra etwas Zeit damit ich sie noch einen ungestörten Moment betrachten kann. Auch wenn es an mir nagt, das sie sich mit irgendeinem Kerl unterhält. Aber wir sind hier ja nicht bei Gossip Girl und ich bin nicht Dan Humpfrey oder Chuck Bass. Ja, ich habe mir Gossip Girl gegeben. Aber auch nur, weil eine Weile wirklich jeder darüber gesprochen hat und ich den Hype verstehen wollte. Am Ende fand ich die Serie gar nicht mal so übel. Aber das bleibt ein Geheimnis, klar?

Endlich scheint der Kerl mit dem sie spricht das Gespräch zu beenden. Bei dem Gedanken daran, das sie mich gleich umarmt, wird mir warm ums Herz und alles andere ist vergessen. Eines meiner Glanzmomente am Tag. Ob das traurig ist, oder nicht, kommt ganz darauf an, aus welchem Blickwinkel man diese Aussage betrachtet. Ich bemerke das meine Hände leicht zittern. So wirkt sie ständig auf mich. Darum hole ich mir eine Kippe zur Beruhigung aus meiner Schachtel heraus und zünde sie mir an. Das Feuerzeug macht dabei ein klickendes Geräusch und schon füllt der giftige Rauch den freien Raum meiner Lungen aus. Ich stecke das Feuerzeug in meine Tasche zurück und seufze, ehe ich den Rauch in die Luft ausblase. Der frische Herbstwind weht mir durch die Haare und es fröstelt mir. Scheiß dünne Jacke, verdammt nochmal.

Ich rauche verdammt viel in letzter Zeit. Mindestens eine Schachtel. Das ist schon eine menge, wenn man erst seit etwas über einem Jahr raucht. Mir ist bewusste, das ich meinen Konsum minimieren sollte, wenn ich nicht mit vierzig an Lungenkrebs sterben will, oder sogar eine COPD riskieren möchte. Doch in letzter Zeit wurde mir das ehrlich gesagt immer egaler. Ich müsste mich wahrscheinlich nicht einmal selbst umbringen. Mein lausiges Leben würde das sicherlich bei meinem Glück bald selbst erledigen. Alles was mich jeden Morgen aufstehen ließ, war sie. Nur so bestritt ich jeden Tag aufs Neue. Wenn man so will ist sie der Nordstern am Himmel, an dem ich mich orientiere, um mich nicht in der Dunkelheit zu verirren. Auch wenn sie davon wahrscheinlich nicht die leiseste Ahnung verspürte, so ist sie mein Kompass in der Nacht, mein Fels in der Brandung und mein Steuermann bei stürmischer See. Schnulzig, aber wahr.

Sie nippt gerade an ihrem Kaffee den sie von Becks Coffeeshop geholt hat, und selbst dabei sieht sie atemberaubend aus. Ist das möglich, fragt ihr euch? Glaubt mir, wenn ihr sie sehen würdet.. Sie trinkt prinzipiell übrigens immer nur diesen Kaffee, wenn sie sich vor der Schule einen kauft. Sie behauptet felsenfest dies sei der beste Kaffee in Crown-Heights. Schwachsinn, wenn man mich fragte. Ich bin ein überzeugter Starbucks Trinker. Aber meine Meinung interessiert eh niemanden. Es ist auch eigentlich total egal welcher der beste Kaffee in der Gegend ist. Beide sind gleich überteuert. Außerdem wäre es viel umweltschonender und günstiger sich zu Hause einen zu machen, allerdings bin ich dazu schlichtweg einfach zu faul. Ich muss über meine absolut sinnlosen Gedanken leicht lächeln. Als Coco sich suchend umblickt, ziehe ich noch einmal an der Zigarette, ehe ich sie in die Gosse werfe. Sie hasst es, wenn sie mich rauchen sieht. Ihr reicht es schon, wenn ich danach rieche. Zahlreiche Menschen tummeln sich bereits um den riesen Eingang des Colleges.

Silent Secrets - Die Eine (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt