Das Meer in deinen Augen

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Ich erwachte aus meinem Tagtraum als mein Vater mich fragte was ich zu trinken wolle. Etwas verträumt sah ich ihn an. In Gedanken war ich bereits am Strand. Das Essen verlief reibungslos, doch der Kaffee den ich bestellte war kalt und viel zu bitter. Verschlafen ging die Reise weiter. Erst bei der Handgepäckkontrolle wurde ich wieder Hellwach, als meine auffällig rote Tasche zur Seite genommen wurde und durchsucht wurde. „Woher soll ich auch wissen, dass man keine Sonnencreme mit nehmen darf“, sage ich Schultern zuckend als ich wieder zu meinen Eltern komme. Keine drei Schritte weiter verfalle ich wieder in meine Schläfrigkeit. An Deck angekommen und nach dem Sicherheitstanz der Flugbegleiter, kommt meine Musik zum Einsatz. Das Ziel war nicht mehr weit, nur noch ein paar Lieder weit entfernt. Angekommen empfängt uns liebevoll die warme Sommerluft. Nach einer viel zu langen Zeit, kommen wir endlich in unserem Hotelzimmer an. In den Pool zur Abkühlung und das Abendessen zur Stärkung. Am nächsten Morgen machten wir uns, direkt nach dem Frühstück, zur Tauchbasis auf. Da der Tauchgang erst mittags war, legten wir uns nochmal in die Sonne. Noch mit der Müdigkeit in den Augen gingen wir zurück zum Treffpunkt, unwissend das dieser Tag den ganzen Urlaub verändern würde.
Er stand da, erklärend und über etwas reden was ich nicht verstand, als sich unsere Blicke das erste Mal trafen. Und mir war so als würde ich ihn bereits kennen. In Gruppen eingeteilt, schraubten wir unsere Ausrüstung zusammen und irgendwie hatte ich ihn schon ganz aus meinem Kopf verdrängt. Die Übungen im Pool zeigten ihm, dass ich ein Anfänger bin und das war mir nicht wirklich recht. Mein Selbstbewusstsein fühlte sich an, als hätte man ihm Blei umgebunden und es im Meer untergehen lassen. Im Meer klappte das alles erstaunlich gut, zumindest für meine Verhältnisse. Doch die Eindrücke sind nur noch blass, da mir das Atmen schwer fiel und mich mehr Fragen beschäftigten wie sie es sollten.
Anschließend gingen wir den steilen, nassen Weg mit der schweren Ausrüstung hinauf und wieder war ich in Gedanken versunken. Plötzlich lief er neben mir und suchte das Gespräch. Ich war so überrumpelt, dass ich nur lächeln konnte. Erst nach dieser Unterhaltung fiel mir auf, dass ich mich gerade mit ihm verabredet hatte. Etwas panisch suchten meine Augen nach denen einer Mutter. Nach ihrem Einverständnis stand unserem Treffen nichts mehr im Weg und sein Blick der nun meinen traf sah zufrieden aus.
Beim Essen hetzte ich mich, der Blick schnellte immer wieder zur Uhr. Schnell ging ich zum Treffpunkt und erkannte dabei, dass ich zu spät war. Zwar nur drei Minuten, aber zu spät.  Endlich angekommen stand er da, seelenruhig und wir kamen ins Gespräch über Gott und die Welt.
Die Zeit mit ihm war so schön und unbeschwert, dass wir uns wieder treffen wollten. Und so kam es, dass wir die nächsten Tag zusammen in einer Bucht verbrachten. Ein ganzer Tag voller Spaß und Wasser. Nach Stunden des Herumtollens, fielen wir erschöpft auf einen Felsvorsprung. Wir redeten über belangloses und abgehackt. Unser Blick fiel über das Meer bevor sie sich trafen und unsere Gesichter sich näher kamen. Es trennten uns noch einige Sekunden, als ich meinen Kopf noch einmal über das Meer gleiten lies. Erst dann realisierte ich meine starke Zuneigung zu ihm, ich drehte mich erneut zu ihm und wir küssten uns innig.
Anschließend in seine Augen zu sehen war als würde man die Wellen im Meer beruhigen. Auf dem Weg nachhause schwiegen wir zunächst darüber, jedoch blieben wir alle paar Meter für einen erneuten Kuss stehen. Und schnell war uns klar, dass es nicht der letzte gewesen seien würde.
Bei einer Runde „Strawberry-Colada“ erwähnte er, fast beiläufig, dass er Theologie studieren und katholischer Pfarrer werden möchte. Da ich mich bisher vor Religion und Gott eher gedrückt hatte, war das für mich eher schockierend. Kurzzeitig ins Schweigen verfallen, konnte ich es immer noch nicht ganz fassen. Der Mann in den ich mich gerade hoffnungslos verliebt hatte, wollte sein Leben enthaltsam und keusch verbringen. Das Zölibat Frau, Haus, Hund und Kindern vorzuziehen. Als er die Tränen in meinen Augen sah sagte er, dass er mich lieben würde und nicht vor hat mich zu verlassen. Ich war immer noch ein wenig verwirrt, was sich aber löste als er mich küsste.
Am nächsten Tag war alles wie vergessen und begraben, so als wäre es nie zur Sprache gekommen. Unser Tauchgang war so wunderschön und unvergesslich. Überall waren Fische und Oktopusse, das Wasser hatte eine angenehme Temperatur und alles war einfach perfekt.
Kuschelnd saßen wir im Anschluss an den Klippen und schauten der Sonne beim Untergang zu. Hin und wieder trafen sich unsere Lippen, schon fast automatisch.
Der Tag der Abreise rückte immer näher und somit schwand die Zeit die uns blieb. Wir nutzten jede Sekunde zusammen, doch jede Verabschiedung war mit der Angst verbunden sich nicht Wiederzusehen. Jeder darauf folgende Tag zeigte, dass die Angst unbegründet war.
Der Tag kam, an dem ich mich von ihm verabschieden musste. Tränen flossen und Versprechen wurden aufgesetzt. Dann stieg ich mit meiner Familie in den Bus und fuhr wieder Richtung Flughafen. In meinem Kopf kreisten Fragen. Ob ich ihn je wieder sehen würde oder ob er mich nur ausgenutzt hat war nur einige davon. Das Flugzeug hatte Verspätung und gab mir so genug Zeit um weiter über diese Fragen nachzudenken. Als wir dann doch noch starteten hörte ich Musik und beruhigte mich so ein wenig. Mein Blick ging aus dem Fenster über das schöne, blaue Meer.
Keine Woche später war auch er zurück. Das Versprechen, was er mir gab, hielt er ein. Er wollte herkommen und mich besuchen. Gesagt, getan setzte er sich am nächsten Tag in sein Auto und fuhr zu mir. Die Nacht konnte ich nicht schlafen und auch am Tag nicht eine Sekunde ruhen. Mein Herz raste und ich wartete sehnlich auf den Ton der Klingel. Es klingelte. Ich stürmte die Treppe hinunter. Wir fielen uns um die Arme und gingen gemeinsam, schweigend die lange Treppe nach oben.
Oben angekommen setzten wir uns auf das Sofa und redeten, wie zuvor am Tag an der Bucht, nur über belangloses. Wir sahen uns kaum in die Augen und wenn doch schauten wir schnell weg. Ich hatte Angst, dass alles seinen Zauber verloren hatte. Doch als er mein Kinn in seine Hand nahm und fest küsste, waren alle Zweifel aus dem Raum. Anschließend sahen wir uns in die Augen und ich sagte:
„Ich kann das Meer in deinen Augen sehen.“

Das Meer in deinen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt