Die Nachtgeschichte der Geister vergangener Tage
1
Es lebte einmal vor langer Zeit ein kleines Kind, ein Mädchen, welches für ihre Neugier bekannt war. Sie durchstöberte Schubladen, Kartons und alles andere was sie eigentlich nichts angehen sollte. Doch nie war ihr jemand böse, denn sie alle kannten ihre Geschichte. Sie war eine Waise, ausgesetzt an einer kalten Weihnachtsnacht und zum sterben verurteilt. Man fand sie in einem Karton, allein und vollkommen abgemagert. Sie war gerade einmal 5 monate alt und sie kreischte wie am Spieß. Voller Mitgefühl nahm sie das Waisenheim auf und pflegte sie gesund. Seit jenem Tag sind 13 Jahre vergangen. Trotz all ihrer Erlebnisse und ihrer Abgeschiedenheit ist ein Lächeln nicht von ihrem Gesicht wegzudenken.
Noch immer lebte sie in jenem Waisenheim und hatte eine neue Familie gefunden. Glücklich und völlig unbesonnen lebte sie jeden Tag, als wäre es ihr letzter. Strahlend kletterte sie Bäume hinauf und sprang dem Abenteuer lachend nur so in das Gesicht. Das was ich euch hier und jetzt erzähle habe ich noch nicht vielen erzählt. Also hört gut zu. Es handelt von einem Abenteuer. Es handelt von der Nachtgeschichte der Geister vergangener Tage.
2
Es war früh am morgen als die Sonne am Horizont zu erscheinen beginnt und wieder einmal ist es Marie die als erstes den Morgen grüßt.
Sie springt auf und ab, so glücklich ist sie endlich aus dem Bett zu steigen und zu dem Wald um die Ecke ihres Waisenheims zu gelangen. Das war ihr Lieblingsort. Auf dem Weg dorthin rennt und rennt sie und wird immer schneller. Der Wind zerzaust ihr Haar, aber das ist ihr nicht wichtig denn sie muss ihren einzigen Freund sehen. Sie muss ihm etwas erzählen.
Wie immer kletterte Marie auf ihren Lieblingsbaum und gleichzeitig besten Freund, den sie, wie sie allen stolz erzählte, Magnus getauft hatte.
Sie saß dort von ganz früh morgens bis spät in die Nacht und erzählte ihm ihre Abenteuer, die sie in ihren Träumen erlebte.
Denn Marie war kein normales Mädchen. Sie konnte durch ihre Träume die Menschenwelt verlassen und in neue, nicht vorstellbare Welten, gelangen. Sie war eine sogenannte Weltenwanderin. Umso schöner, dass ihr, die so verlassen und ausgrenzt war, diese übermenschliche Gabe geschenkt wurde.
Immer wieder erzählte sie Magnus von ihren Heldentaten und es tat ihr sichtlich gut jemanden zu haben der ihr endlich einmal zuhörte, denn dieses Privileg war ihr sonst nicht vergönnt. Sie redete von ihren Kämpfen gegen böse Piraten, von Männern die sie umwarben und von sich, wie sie frei wie ein Vogel durch die Lüfte fliegen konnte und keine Grenze spürte.
Und auch an jenem Tag setzte sie sich auf ihren Baum Magnus, begrüßte ihn, holte tief Luft und genoss noch ein letztes Mal, bevor sie zu sprechen begann, die beruhigende wunderschöne Stille.
3
Sie sah in ihrem Traum wieder einmal diese Tür die sie wegbrachte, weg von alle dem, also riss sie sie auf und trat ein.
Es war magisch, es war voller Liebe. Marie betrat nicht irgendeine Welt, sie betrat eine Welt die sich wie ihr zu Hause anfühlte.
Sobald sie durch die Tür in die neue Welt eingetreten war befand sie sich auf einem Boot, umringt von Männern und Frauen die sangen. Wunderschön, das kann man sich gar nicht vorstellen. Es waren Töne die mit Sicherheit den Sirenen ähnelten. Aus irgendeinem Grund verstand sie sie, sie sangen vom Frieden, von der Liebe und der Gerechtigkeit.
Alle auf dem Boot sahen nicht übermäßig reich aus, eher ärmlich, aber allen, wirklich allen, war ein Lächeln von den Lippen abzulesen. Keiner der anwesenden vermag es, so schien es zu mindestens, über den anderen zu gebieten oder zu herrschen. Sie lebten alle in Harmonie. Was ihr auch noch auffiel war, dass das Boot auf dem sie waren sich nicht bewegte und alle Menschen eine rote Rose hoch in die Luft hielten, geradewegs auf eine große, pompöse und ebenso einschüchternde Statue zu.
Abwartend blickte jeder auf eben diese Statue hinauf.
Und plötzlich haben alle, die eine solche Rose in der Hand hielten diese in die Luft geworfen und sobald sie die Luft berührten ,verglühten sie. Sie verglühten. Die Überbleibsel der verkohlten Blumen flogen hinauf, hinauf zu der Statue und verschwanden dann augenblicklich. Es schien als hätte die Statue sie aufgenommen um weiter existieren zu können.
Als das passierte brach ein ohrenbetäubender Jubel zwischen den Menschen aus. Sie klatschten, lachten, weinten und umarmten sich gegenseitig. So etwas hatte sie noch nie gesehen, dieses Glück das von so vielen Menschen geteilt wurde war ihr nicht bekannt und obwohl Marie eine Fremde war wurde sie von all dem regelrecht mitgerissen. Sie feierte und fühlte sich das erste Mal wirklich wohl innerhalb einer Gesellschaft, außer Magnus hatte sie ja keinen.
Nach dem jedoch diese ersten Minuten der Glückseligkeit vorüber waren nahm das Boot Kurs auf die ihnen vorliegenden Inseln zu und Marie war gespannt was sie dort wohl erwarten würde.
4
Auf der Insel angekommen blickte sie auf eine Stadt die sie mit dem Utopia vergleichen würde. An jeder Ecke spielten Musikanten wunderschöne Stücke auf ihren Streich- und Blasinstrumenten, Künstler malten und Händler preisten ihre Waren an. Marie war sprachlos. Überwältigt. Das so eine Welt existieren konnte war ihr nicht bewusst. Breit grinsend trat sie ein und wollte nie wieder weg. Ihr langes Haar hing in ihrem Gesicht als sie den ersten ihrer vielen noch kommenden Schritte tat. Mit einem Kopfschütteln bändigte sie ihr Haar und verschaffte sich dadurch freie Sicht.
Das erste Mal in ihrem Leben konnte sie sich eine freudige Zukunft vorstellen, in dieser neuen Welt. Doch auch sie wusste, dass sie noch einmal zurück musste. Sie musste sich verabschieden, nicht von vielen, aber von Getrud die sie gefunden und aufgezogen hatte und von Magnus ihrem einzigen, über die Jahre, konstanten Freund. Eine Träne kullerte über ihre Wange. Sie hatte es gefunden, ihr zu Hause, ihr neues zu Hause. Sie dreht sich noch ein letztes Mal der Insel zu, welches in baldiger Zukunft ihr Heim sein wird. Lächelnd blickt sie der Tür zu und tritt ein letztes mal in eine Welt die nicht wahrhaftig die ihre war.
Das war sie Kinder, die Nachtgeschichte der Geister vergangener Tage. Marie entschied sich dazu diese Welt zu betreten und nie mehr zu verlassen, erst ihre Kinder kamen zurück. Also ihr seht, selbst wenn es Momente gibt in denen man aufgeben könnte, gibt es immer wieder Höhen und letztendlich ein Happy End. Ein Mensch ist auf der Welt um Glück und Liebe zu empfinden. Und ein jeder wird das bekommen. Früher oder Später. Also weint nicht um vergangenes, denn das vermag keiner zu ändern, blickt der Zukunft freudig in das Gesicht und habt keine Angst was passieren mag. Ihr werdet es finden, euer Happy End.
ENDE
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Die Nachtgeschichte der Geister vergangener Tage
Short StoryGute Nacht Geschichte Happy End Aufmunternd