Die Worte hallen in meinem Kopf nach. Wieder und wieder. Ein Schwester? Ich kann David nicht ganz folgen und sehe ihn mit offenem Mund an.
"Ich bin transident", sagt er mit einem zögerlichen Grinsen, "das heißt, ich wurde im falschen Körper geboren."
Dieses Geständnis zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Ich weine so stark, dass ich mir die Tränen wegwischen müsste, um wieder richtig zu sehen, aber ich will David nicht los lassen.
"Seit wann weißt du es schon?" Meine Stimme versagt.
"Kann ich gar nicht so genau sagen. Schon ewig."
"Was heißt ewig?"
"Seitdem ich so 8 oder 9 war. Da wusste ich, dass irgendwas nicht mit mir stimmt."
Mein Herz verkrampft sich. Ich kann Davids Worte zwar verarbeiten, aber von Glauben kann nicht die Rede sein. "Warum hast du nie etwas gesagt?"
"Was hätte ich sagen sollen? Dass ich nicht normal bin? Dass ich noch mehr ausgegrenzt werde?"
Ich lasse ihn nun doch los und starre ihn ungläubig an. "Wir sind deine Familie. Nicht irgendwer! Es hätte gereicht, wenn du Thorsten oder mir etwas gesagt hättest!"
"Ich konnte wirklich nicht. Ich hatte Angst, was unsere Eltern mit mir machen würden. Wer will schon ein unnormales Kind?"
Ich kann wirklich nicht glauben, dass er solche Gedanken hatte.
"Weißt du schon, wie du heißen willst?" Ich fange zu grinsen an, in der Hoffnung, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Ich will David keine Vorwürfe mehr machen. Er war immerhin ein Kind. Nun, einige Jahre später, muss er - müssen wir - das Beste daraus machen.
Er fängt zu lachen an. Wie ich es liebe! "Ja, den weiß ich schon seit Jahren!"
"Dann verrat ihn mir!" Ich setze mich nun im Schneidersitz aufs Sofa direkt neben ihn, und versuche ihn zu necken, indem ich ihn in die Seite kneife. Er windet sich, bevor er antwortet: "Ok, ist ja schon gut, aber versprich mir, dass du es niemanden verrätst."
"Wie soll ich etwas verraten, wenn ich das davor schon nicht erwähnen darf und mit meinem Leben schütze?" Ich kichere und warte gespannt auf seine Antwort.
"Elenor!"*******
Meine Gedanken heute:
Wir saßen noch einige Zeit beieinander und lachten. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr so gut mit David gefühlt, wie damals. David erzählte mir, dass er noch einen zweiten Therapeuten benötigen und alles wirklich ewig dauern würde, bis es endlich voran ginge. Wie schnell es jedoch dann wirklich gehen würde, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich will an dieser Stelle aber noch nicht zu viel verraten :) Ich gehe aber davon aus, dass meine Schwester bei einigen Sachen wirklich großes Glück hat. Kontakt habe ich mittlerweile mit einer netten Frau (ebenfalls als Mann geboren), von der ich vieles gelernt habe, um meine Schwester besser unterstützen zu können. Sie ist nunmal sehr schüchtern und daher versuche ich ihr viel abzunehmen (gerade Telefonate, für die sie sich sehr schämt aufgrund ihrer sehr tiefen Stimme).
Heute Abend erzähle ich euch mehr!
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Als mein Bruder meine Schwester wurde - und ich ein besserer Mensch
Teen Fiction"Es ist total simpel: erst gibt es die Larven, dann die Raupen. Und schließlich den Schmetterling", er wendet den Blick von mir ab, bevor er schluckt. "Und dann gibt es mich: Ich bin die zerdrückte Larve." Schon früh ist dem Jungen klar, das etwas n...