Blut auf Stein

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Virenze und ich liefen westlich durch den Wald. Ich genoss den vertrauten Duft der Bäume und das samte Nachgeben des Bodens unter meinen Füßen. Wir liefen ein paar hundert Meter, bis ich das erste Galoppieren der majästetischen Zentaurenherde hörte. Ein Schwarm Vögel flog aufgeschreckt über uns hinweg und ich fing an zu grinsen, als ich Taredon sah. "Taredon!" Er drehte sich zu mir und grinste mich ebenfalls an. Im leichten Trab kam er mir entgegen. "Miss Lovegood, meine Teuerste! Wie waren Ihre Ferien?" "Wundervoll! Ich habe sehr viele Ausflüge in die Berge unternommen in diesem Sommer." entgegenete ich immer noch grinsend. "Mein Dad und ich haben uns mit einer benachbarten Zaubererfamilie zum Baumquackler ernten getroffen und wir haben ein prächtiges Abendessen gezaubert." Taredon schaute verwundert drein. Vermutlich wusste er nicht, was Baumquackler sind, aber er ging auch nicht weiter darauf ein. "So? Das freut mich. Und freuen Sie sich auf das neue Schuljahr?" Ich setzte mich an einen Baumstumpf. "Ohja, ich habe gehört, wir bekommen diesmal eine Hexe als Lehrerin in Verteidigung für die dunklen Künste. Die letzten vier Jahre waren es ausschließlich Zauberer. Ich freue mich sehr auf den Unterricht. Außerdem bin ich gespannt, welche Wesen wir dieses Jahr in Pflege magischer Geschöpfe behandeln." Virenze lachte. "Vielleicht Zentauren?"

Ich verließ den verbotenen Wald und lief zurück zum Schloss.

Harry lief mich fast über den Haufen, als ich die Eingangshalle betreten wollte. "Luna! Da bist du ja. Ich hab dich schon den ganzen Tag gesucht. Wie geht es dir?" schaute er mich besorgt an. Ich blickte verwirrt zurück. "Ehm...es geht mir gut. Wieso hast du mich denn gesucht?" fragte ich. "Naja, George hat mir erzählt, dass dir das Frettchen eins auf die Nase gegeben hat. Ich wollte wissen, ob alles in Ordnung ist." Oh, Malfoy. "Ja...mir geht's gut. Wirklich. George hat mich verteidigt und ich glaube, Malfoy hatte ganz schön Schiss bekommen." Ich grinste. Wohl etwas zu viel, denn Harry schaute mich durchdringlich an. "Weißt du, wenn du das tust, siehst du Albus Dumbledore ziemlich ähnlich." Harry lachte. "Ach, ist das so?" "Ja, genau so ist das, Harry" Ich stieß ihm in die Seite. "Wo wolltest du eigentlich so eilig hin?" fragte ich. "Ich war auf dem Weg zu Hagrid. Willst du vielleicht mitkommen?" Ich überlegte. "Nein, danke. Ich suche George aber grüß Hagrid von mir." Harry nickte und verabschiedete sich von mir. Ich sah ihm kurz nach. Was hat er sich wohl gedacht, als er mich so mit seinem Blick durchbohrt hat? Ich erinnerte mich an mein ursprüngliches Vorhaben und lief zur großen Halle. George saß mit Neville am Griffindortisch und spielte Zaubererschach. Ich schlich mich von hinten an ihn heran und murmelte über seine Schulter. "Sieht so aus, als ob Neville dich fertig macht." George erschrack und drehte sich etwas zu schnell zu mir um, sodass er mir eine Kopfnuss verpasste. "Au!" riefen wir beide gleichzeitig. Ich rieb mir die Stirn, während ich Nevilles Lachen sarkastisch imitierte. "Bei Merlins Baumwollunterhose, erst bricht dir Malfoy die Nase und jetzt verpasse ich dir auch noch eine Gehirnerschüttung. Es tut mir so leid, Luna." Er sah mich schuldbewusst an. Ich fing laut an zu lachen. "Tja, George. Man sollte einem Tollpatsch wie mir nicht zu nahe kommen. Verletzungen vorprogrammiert." George grinste. "Ich bin aber gern in deiner Nähe, Luni." Hui, mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und mein Gesicht wurde warm. Neville sah mich grinsend an. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und wandte mich zu George. "Können wir zwei uns vielleicht unter vier Augen unterhalten?" Sein Grinsen verblasste. "Ja...ja, klar." Er drehte sich noch kurz zu Neville um. "Dame nach D6." Ich beobachtete, wie die kleine Statue ihren Weg zum genannten Feld fand und mit ihrem Stuhl den weißen König zertrümmerte. Neville sah mich enttäuscht an. "Von wegen, ich gewinne." Er zückte seinen Zauberstab. "Reparo." Die zertrümmerten Figuren setzten sich wieder zusammen. George stand auf und wir verabschiedeten uns von Neville.

George und ich verließen die große Halle und ich spürte Nevilles neugierigen Blick im Rücken. Wir bogen zu einer Treppe ab und stiegen uns anschweigend die Stufen hinauf. Ich überlegte, wie ich das Gespräch beginnen konnte, ohne, dass es merkwürdig werden würde. "Und...wie geht's dir so?" George erschrak, weil ich ihn fast angeschrien hatte. Oh Luna, das hat ja klasse geklappt. "Gut." George sah zu Boden. Mein Herz wurde schwer, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Wir waren mittlerweile in der Eulerei angekommen. Ich beobachtete ihn bei dem Versuch zu lächeln. "George...das ist nicht wahr." begann ich. "Wie geht es dir wirklich?" Georges Mundwinkel senkten sich erneut. Ich sah, wie seine Augen glasig wurden. Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Er sank zu Boden. "Er fehlt mir so schrecklich, Luna. Wir waren unser ganzes Leben beieinander. Er war ein Teil von mir und ich kann nicht mehr einfach so tun, als wäre alles in Ordnung. Ich kann nicht durch diese Gänge wandern, ohne ständig an ihn zu denken. Bei allem was ich tue, denke ich an ihn. Wir haben so viel durchgestanden. Wir haben so viel miteinander geteilt und jetzt ist er einfach weg, als hätte es ihn nie gegeben. Wie soll ich das nur verkraften, Luna? Ich schaffe das nicht mehr länger." Es brach wie eine reißende Welle aus ihm heraus. Eine Eule erschrak und flog davon. Ich setzte mich neben ihn auf den dreckigen Boden und zog ihn an mich. "Ich weiß, George." Mehr konnte ich in diesem Moment nicht herausbringen. Sein Gesichtsausdruck brannte in meinem Kopf und auch ich konnte meine Tränen nicht länger zurückhalten. Wir saßen eine Weile so da, bis er sich beruhigte. Er wich etwas von mir zurück und wischte sich über die Augen. "Entschuldige Luna. Ich...das wollte ich nicht." Mein Herz zerbrach erneut bei seinem Anblick. "Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin immer für dich da. Versprochen." Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft. George schaute auf und blickte mir tief in die Augen. "Danke...wirklich, Luna" sagte er und fing leicht an zu lächeln. Ich grinste und umarmte ihn ein weiteres Mal. "Komm, lass uns gehen." Ich griff nach seiner Hand und half ihm hoch. Doch er bewegte sich nicht. Ich drehte mich zu ihm um. Er stand da, sah auf unsere Hände und schaute dann zu mir auf. Erstaunt schaute ich ihn an. Er kam einen Schritt auf mich zu und rang nach Worten. Plötzlich fiel er mir um den Hals. "Ich bin so dankbar, dass ich jemanden wie dich in meinem Leben habe, Luna. Du bist echt ein wichtiger Teil von meinem Leben geworden und ich werde immer auf dich Acht geben. Versprochen." Ich war so überrumpelt von seinen Worten, dass ich nur ein Nicken zustande brachte. Ich umarmte ihn ebenfalls.

Noch bis in die späte Nacht lag ich im Bett und dachte über ihn nach. Seine Tränen waren wie Säure für mein Herz. Es schmerzte so, dass ich nichts tun konnte, um es ihm leichter zu machen. Ich beschloss, ihn abzulenken und ihn für einen Tag die ganze Trauer vergessen zu lassen. Mit dem Gedanken schlief ich schlussendlich ein. In meinem Traum verschwamm all das zu einem großen Strudel aus Tränen, Schmerz und Blut. Ich stand auf einer Treppe in Hogwarts, umringt von Schutt und Asche. Schreie drangen aus dem ganzen Schloss hervor, blutende Schüler, die sich an den Mauern gelehnt gegenseitig verarzteten. Ich schritt die Treppe hinunter. Jeder Schritt fiel mir schwerer, als würde ich durch einen sich immer weiter verdichtenden Nebel laufen. Zu meiner rechten erschien die große Halle. Links und rechts unter den schwebenden Kerzen lagen Schulter an Schulter Leichen von Schülern, Lehrern und Auroren. Mir liefen Tränen die Wangen herunter. Die Schule war getränkt mit dem Blut derer Schüler, die sie eigentlich beschützen sollte. Ich schaute Richtung Lehrerpult und entdeckte Mrs. Weasley weinend über einen rothaarigen Leichnam gebeugt. Wie zu Eis erstarrt schaute ich auf die tote Person dort auf dem Boden, wo sonst fröhlich gefeiert wird. Jemand stieß mich an, als er an mir vorbei zu der Leiche rannte. Es war Ron. Er schrie vor Schmerz um seinen Bruder. Meine Sicht verschwamm. Ich drehte mich um und stürmte aus der großen Halle. Mir wurde kotzübel. Das konnte nicht sein. Diese Menschen dort in der großen Halle...sie waren meine Freunde...meine Familie. Sie dürfen einfach nicht sterben. Nicht jetzt. Plötzlich wurde ich aus dem Traum gerissen. Butters klopfte an mein Fenster. Verwirrt und klatschnass stand ich auf, um ihm zu öffnen. Ein weiterer Tag in dieser Schule, die so viel Leid gesehen hat.

Nach dem Unterricht machte ich mich auf die Suche nach George. Als ich ihn fand, allein in der Eulerei, lächelte ich ihn an. "Na, du? Lust auf ein Butterbier?" Er sah mich an und zögerte einen Moment. "Gern."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 22, 2017 ⏰

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