One Shot

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Pan hatte diesen Abend wenig gegessen, das Wetter lag ihm auf dem Magen und zwang ihm fast alles wieder hoch, was der junge Mann zu sich nahm. Mitleidig wurde er von einem Mitschüler angeschaut, woraufhin Pan die Augen verdrehte und sich vom Haustisch erhob. "Ich bin oben.", verabschiedete er sich vorerst von Geraldine Phoenix, eine seiner wenigen Schulfreundinnen. Als er mit elf die Tore Hogwarts betrat fiel es ihm schwer sich einzuleben, immerhin war er der einzige deutsche Hogwartsschüler zu dieser Zeit. Nun gab es vereinzelt deutsche Mitschüler in den jüngeren Jahrgängen, doch zwei Jahre, die er komplett alleine verbrachte zeigten ihre Spuren. Niemand hasste Pan, er hatte auch mit niemandem Streit oder Stress. Es war einfache eine anstrengende Gleichgültigkeit, die der Ravenclaw von anderen erfuhr.

Pan sah schon vom anderen Ende des Ganges die wohl verwirrteste Ravenclaw seines Jahrgangs am Eingang zum Gemeinschaftsraum stehen. Mit einem verträumten Blick stand Wilma Whopping vor dem Adlerkopf, der nur immer wieder die Augen schloss und öffnete, als würde er gleich einschlafen. "Guten Abend, Pan.", begrüßte Wilma ihn. "Cheers!", antwortete er mit einem Lächeln. Auffordernd blickte er zu dem Adlerkopf, der Pan hoffnungsvoll ansah. "Was hört immer doch spricht nie?", stellte er sein Rätsel. Einige Momente überlegte Pan, kratzte sich dabei an einer Stelle hinter seinem Ohr, die oft juckte. Als er die Hand wieder runter nahm streifte er sein Hörorgan, wodurch Pan einen Geistesblitz hatte. "Das Ohr! Es hört immer, spricht aber nicht.", löste er das Rätsel auf. Der Adlerkopf nickte und öffnete den Eingang zum Ravenclawturm.

Etwas ermüdet ließ sich Pan auf seinen Lieblingssessel fallen. Es war ein alter, schwarzer und etwas abgewetzter Sessel, der seine besten Tage schon hinter sich hatte. Im ersten und zweiten Jahr hatte der junge Mann immer an der linken Lehne gekratzt, wenn er beim Lernen auf dem Sessel saß. Wusste man dieses Detail nicht, könnte man meinen, dass sich eine der zahlreichen Katzen am Stuhlwerk zu schaffen gemacht hatte. Lautes Grollen ertönte, woraufhin Pan sich etwas erschrak. Verstört blickte er aus einem der Buntglasfenster, bis er realisierte, dass es gewitterte. Mit faszinierten Blick stand er auf und ging auf das Fenster zu. Dieses gab die Sicht auf den See frei. Über diesem zogen sich dunkle Wolken, imposant und mächtig, zusammen. Der Himmel war in einem dunklen violett verfärbt. Noch einmal ertönte das laute Donnern, dann stoben Blitze durch die gerade aufgezogen Wolken und ein starker Regen setzte ein. Pan legte die Hand an das Fenster. Er hatte schon viele Gewitter in den schottischen Highlands erlebt, da er fast das ganze Jahr in diesen verweilte, jedoch hatte er noch nie so eines miterlebt. Wie hypnotisiert starrten seine braunen Augen aus dem Fenster.

"Pan?", hörte er seinen Namen. Komplett aus seinen Gedanken gerissen drehte er sich erschrocken um und sah Geraldine verwirrt an. "Wieso stehst du noch hier? Du bist vor einer Stunde hoch gegangen!", fragte die Blondine skeptisch. Sie hatte ihre Augenbrauen zusammen gezogen und ein schiefes Grinsen umspielte ihr Gesicht. Kurz musste Pan sich noch sammeln, dann antwortete er. "Keine Ahnung. Ich glaube ich habe gerade geistig abgeschaltet.", lachte er und kratzte sich wieder an der Stelle hinter seinem Ohr. "Lust noch ein wenig die Verwandlungszauber zu üben? Gonni ist zwar alt, aber wir wissen beide, dass sie schnell zickig wird, wenn sie merkt, dass man nichts gemacht hat.", fragte Geraldine mit einem kecken Lachen. Pan schüttelte den Kopf und blickte noch einmal aus dem Fenster. "Nein, aber danke Geraldine. Ich glaube ich gehe jetzt lieber spazieren.", meinte er, bevor er sich umdrehte um zum Ausgang zu gehen. Die Tür öffnete sich schon, da kam Geraldine ihm einige Schritte hinter her. "In einer halben Stunde ist Nachtruhe!", rief sie verwirrt. Kurz drehte Pan sich noch einmal um, sein Gesicht von einem schelmischen Ausdruck geprägt. "Ich weiß.", sagte er und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum.

Im untersten Gang vor den Kerkern setzte er sich in eine versteckte Nische von der er jedoch immer noch durch den gegenüberliegenden Fensterbogen sehen konnte. Pan konnte einfach nur hinaus starren und staunen. Es durchzog ihn ein Gefühl von surrealistischer Natur. So, als wäre er der einzige Mensch der Welt. Und während er da saß, wunderte er sich, ob jemand gerade genau das gleiche fühlte. Ob jemand gerade genauso das Gewitter beobachte und sich das gleiche fragte. Erstaunt stand er auf, als er meinte, einen riesigen Vogel durch die Wolken ziehen zu sehen. "Ist da jemand?", hörte Pan es auf einmal durch den Gang rufen. Erschrocken zuckte er zusammen. Das klang stark nach Eric Volvir, dem Hufflepuff, der auch noch Schulsprecher war. Volvir war eine der wenigen Personen, die Pan nicht leiden konnte. Es war nicht so als hätten sie sich je gestritten, tatsächlich war der dunkelhaarige Hufflepuff stets freundlich zu Pan. Der Ravenclaw wusste nicht woran es lag, es war einfach ein tiefes, unsympathisches Gefühl, das sich durch ihn zog, immer wenn er auch nur Volvirs Namen hörte. Schnell stand er auf und lief los.

Pan hatte Glück gehabt, schon nach zwei Gängen gab Volvir die Verfolgung auf. Das hieß nicht, dass der Schüler nicht zum Hausmeister gehen würde, um den Vorfall zu melden. Schnell begab sich Pan zum Ravenclawturm. Der Adlerkopf fragte Pan die gleiche Frage wieder, woraufhin Pan nur den Kopf schütteln konnte. Dummes Federvieh!, dachte der Ravenclaw sich. Schnell murmelte er seine Antwort, sah sich noch einmal um, sprang dann durch den Eingang. Mit eiligen Schritten ging er zu seinem Schlafsaal. Im Gemeinschaftsraum saß niemand mehr, genauso wenig war noch jemand im Schlafsaal munter. Erschrocken keuchte Pan, als er die Uhrzeit sah. Es war viertel nach drei, ohne es zu merken war er mehrere Stunden unterwegs gewesen. Müde machte er sich bettfertig, bevor er sich hinlegte. Nur wenige Sekunden waren seine Augen geschlossen, bevor er mit komplett ruhiger Stimmung einschlief.

Was für ein interessanter Abend.

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