Der Anfang meines neuen Lebens

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Seufzend schloss ich die Tür zu meinem neuen Zuhause auf. Ich hatte mir dieses kleine Haus von meinem Erbe gekauft und hier wollte ich nun von vorne anfangen. In diesem kleinen Ort würde ich Literatur studieren, so wie ich es immer gewollt hatte, während ich Abends in einer Bar arbeitete.
Doch dies war nicht mein Leben als Amara Sorenson. Nein hier würde ich eine andere sein. Und zu einem neuen Leben gehörte auch ein neuer Name. Seufzend blickte ich auf den gefälschten Ausweis, den ich von einem Bekannten bekommen hatte. Ab heute war ich nicht mehr die 16-jährige Schülerin Amara Sorenson. Nein, ab heute war ich die 19-jährige Studentin Brooke Hastings. Meine ehemals braunen Haare hatte ich mir blond gefärbt. Niemand würde jetzt in mir das freche Mädchen von früher erkennen.
Ich legte meine Handtasche auf der Garderobe ab und ging ins Wohnzimmer. Alles hier war so ungewohnt. Doch genau so sollte es auch sein. Ich wollte schließlich durch nichts an früher erinnert werden.
Plötzlich klingelte es an meiner Tür. Wer war das denn? Niemand, den ich kannte, wusste, dass ich hier wohnte. Sollte ich überhaupt aufmachen? Ich hatte ein wenig Angst, dass mir vielleicht doch jemand aus meiner Vergangenheit hierher gefolgt war, doch schließlich überwog meine Neugier und ich öffnete die Tür.
„Willkommen in der Nachbarschaft, Ms Hastings", begrüßte mich eine fröhliche Stimme. Sie gehörte einer etwa 40-jährigen Frau, die freundlich lächelte.
Ich war so erleichtert, dass es nur meine neue Nachbarin war, dass ich unwillkürlich auch lächeln musste. „Freut mich, Sie kennenzulernen", erwiderte ich. „Aber nennen Sie mich doch bitte Am...ähm Brooke." Oh Mann, wieso ging dieser neue Name einfach nicht in mein Gedächtnis?
„Nur wenn du mich Samantha nennst", entgegnete sie.
Ich nickte. „Das mach ich doch gerne, Samantha. Wollen Sie...willst du vielleicht reinkommen?"
Sie schüttelte den Kopf. „Danke aber ich hab noch einiges zu tun. Aber hättest du nicht vielleicht Lust, heute zum Abendessen zu uns zu kommen? Wir wohnen gleich gegenüber."
Wow. Ich hätte nicht gesagt, dass ich so schnell eine Einladung zum Essen bekommen würde. Doch für meinen Neuanfang war es vermutlich genau das richtige. „Also wenn es Ihnen keine Umstände macht, komme ich gerne", antwortete ich.
„Gut dann sehen wir uns heute Abend", lächelte sie. „Wäre 19.00 Uhr für dich ok?"
Ich nickte. „Ja das wäre perfekt."
„So jetzt muss ich dann aber mal wieder gehen", seufzte sie. „Ich muss meine Kleine noch von einer Freundin abholen und einkaufen müsste ich auch noch. Das Leben als Mutter ist heutzutage echt nicht mehr so leicht. Merk dir das, falls du selbst mal Kinder hast."
„Soll ich dir vielleicht etwas abnehmen?", fragte ich. Die Worte sprudelten einfach so aus mir heraus. „Ich meine, wenn du mich schon zum Essen einlädst, wäre das doch das mindeste, das ich tun könnte."
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht von dir verlangen."
„Oh das wäre doch kein Problem", entgegnete ich. „Ich hab eh nichts zu tun."
„Also wenn es dir wirklich nichts ausmacht, dann könntest du vielleicht meine Tochter abholen", meinte sie.
„Das mach ich gerne", erwiderte ich. „Aber denkst du, dass sie einfach so mit mir mitkommt?"
„Ich werde ihr Bescheid sagen", erklärte sie. „Und ich gebe dir noch schnell die Adresse."

Eine halbe Stunde später stand ich vor einem Mehrfamilienhaus, in dem ich anscheinend Samanthas Tochter abholen musste. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das an meinem ersten Tag in diesem Ort tun würde, aber ich war echt froh, so schnell Anschluss zu finden.
Seufzend drückte ich auf die Klingel. Da kam auch schon ein Mädchen heraus, das Samantha zum Verwechseln ähnlich sah. Sie schien kaum jünger als ich zu sein, vielleicht vierzehn oder so. „Hey, ich bin Brooke", stellte ich mich vor. „Ich bin hier, um..."
„Ich weiß", erwiderte sie. „Das hat mir meine Mum vorhin am Telefon erklärt. Ich bin übrigens Amy."
„Schön dich kennenzulernen, Amy", meinte ich.
Sie lächelte. „Gleichfalls. Meine Mum scheint echt begeistert von dir zu sein. Heute morgen hat sie noch gesagt, dass sie hofft, dass unsere neue Nachbarin nicht so eine Tussi ist. Und als wir telefoniert haben, hat sie echt nur noch von dir geschwärmt."
Ich spürte, wie ich rot wurde. „Sie kennt mich ja kaum."
„Ich bin mir sicher, dass du cool drauf bist", sagte sie.
Dann gingen wir zu meinem Auto und ich fuhr sie nach Hause. Ihre Mum schien noch nicht wieder Zuhause zu sein. „Willst du noch mit zu mir kommen?", fragte ich. „Oder bist du froh, wenn du deine Ruhe hast?"
„Also ich wäre schon froh, wenn ich meine Ruhe hätte", erwiderte sie, „allerdings hab ich die nicht, weil mein Bruder Zuhause ist. Also nehme ich das Angebot gerne an."
Ich lachte. Ich war auch immer froh gewesen, wenn mein Bruder nicht da gewesen war. Aber nein, daran durfte ich nicht denken. „Aber sag lieber deinen Eltern Bescheid, nicht dass sie sich Sorgen machen."
„Ach, die werden mich schon finden", entgegnete sie.
Kurz bevor wir drinnen waren, hörte ich eine Stimme. „Amy, wo willst du denn hin?"
Ich drehte mich überrascht um. Da stand ein Junge, der Amy wütend anschaute. „Du bist heute mit Bad putzen dran, hast du das schon vergessen?"
Ich hörte, wie Amy neben mir seufzte. „Darf ich vorstellen? Das ist mein nerviger Bruder."
„Nicht so nervig wie meine kleine Schwester", entgegnete er. Dann sah er mich an. „Und wer bist du?"
„Ich bin Brooke", antwortete ich, „eure neue Nachbarin. Ich hab Amy von ihrer Freundin abgeholt, um eurer Mutter ein wenig Arbeit abzunehmen. Und ich hab sie gefragt, ob sie noch mit zu mir kommen will."
Amy's Bruder nickte. „Das ist ja nett von dir. Aber Amy hat noch eine Menge zu tun."
Ich lachte. „Du scheinst ja ein richtiger Kontrollfreak zu sein."
Er runzelte die Stirn. „Du kennst mich doch überhaupt nicht."
Ich zuckte die Achseln. „Nein, aber um das zu wissen, muss man dich auch nicht besonders gut kennen."
„Was willst du eigentlich?", fragte er wütend. „Mir Ratschläge geben, wie ich mit meiner Schwester umgehen soll? Darauf kann ich verzichten! Und wie alt bist du eigentlich? Du bist doch kaum älter als Amy!"
„Ich bin neunzehn, wenn du's genau wissen willst", entgegnete ich. Ich hoffte echt, dass er mir das glaubte. Meine Lüge durfte nicht auffliegen.
Doch dann nickte er nur. „Wenn du meinst."
„Ich geh schon mal rein", meinte Amy zu mir. „Das darf ich doch, oder?"
„Das musst du mit deinem Bruder klären", erwiderte ich.
„Ok danke", erwiderte sie nur und ging in mein Haus. Dieses Mädchen schien sich aber auch nichts sagen zu lassen.
Da kam ihr Bruder auf mich zu. „Vielleicht wirke ich auf dich ja wie ein Kontrollfreak", sagte er, „aber du kennst Amy nicht. Sie macht jetzt schon, was sie will. Und du bestärkst sie nur noch darin."
„Ich geb dir mal einen Tipp", entgegnete ich. „Tu einfach so, als wäre es dir egal, was sie macht. Dann wird es ihr zu langweilig und sie kommt von selbst nach Hause. Glaub mir."
Plötzlich seufzte er. „Um mich zu verstehen, musst du die ganze Geschichte kennen."
„Dann erzähl sie mir", erwiderte ich. „Ich hab Zeit."
„Also schön", meinte er. „Unsere Eltern waren früher überhaupt nicht streng. Amy und ich durften immer alles. Und eines Tages landete Amy im Krankenhaus, weil sie betrunken Auto gefahren ist. Damals war sie elf Jahre alt! Und seitdem passen meine Eltern und ich einfach besser auf sie auf, weil wir wissen, auf welche dummen Ideen sie manchmal kommt."
Ich sah zu Boden. Irgendwie konnte ich das verstehen. Und vermutlich war es wirklich etwas voreilig gewesen, ihn als Kontrollfreak zu bezeichnen. Das war nicht fair gewesen. „Ok tut mir leid. Wahrscheinlich hattest du recht. Ich kenne dich wirklich kaum." Aber vielleicht kenn ich ihn ja doch. Mein Bruder war schließlich genauso gewesen. Immer hatte er versucht, mich zu beschützen.
„Schon gut. Ich hab mich ja noch nicht mal vorgestellt", fiel ihm plötzlich ein. „Ich bin Caleb."
„Soll das jetzt ein Friedensangebot sein?", fragte ich und grinste ihn an.
Da musste auch er lachen. „Ja, ich denke schon."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 03, 2017 ⏰

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