Kapitel 1

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Ich schreibe diese Geschichte für alle, die nicht auf klischeehafte Geschichten mit Happy End stehen:) - ich bin leider kein schneller Schreiber, also verzeiht mir wenn ich manchmal ein bisschen länger brauche. Trotzdem hoffe ich, dass meine Geschichte euch gefällt und dass ihr mir in den Kommentaren eure Meinung schreibt:)

Kapitel 1

1. Carlisle lag an diesem Morgen in völliger Ruhe und der Himmel war in ein undurchdringbares Grau getaucht, sodass es kein einziger Sonnenstrahl schaffte die mit Schnee bedeckte Kleinstadt zu erreichen. Carlisle war eine Stadt voll mit wohlhabenden Rentnern, denen nichts als ihr Kreuzwortätsel auf der letzten Seite der Sonntagszeitung und der übliche Klatsch und Tratsch über den eigenen Nachbarn geblieben war. Einer von ihnen war Charles Bennett. Er war vor drei Jahren mit seiner Frau Caitlin - sie ist ungefähr zwanzig Jahre jünger als Charles, blond und hätte besser als sein geldgeiles Anhängsel beschrieben werden können -in das pompöste und prachtvollste Haus der Kleinstadt gezogen. Und wie zu jedem Milionär sein Anhängsel gehört, so gehört zu jedem Milionär auch eine Putzfrau. In diesem Fall übernahm die junge Audrey Coleman diesen Part.

2. Alles war totenstill, nur das Knirschen ihrer Schuhe im Kies der Auffahrt war zu hören. Hastig eilte sie zum Haus hinauf und hielt vor der Tür. Ihre Fingerspitze berührte den eisigen Knopf, worauf ein grelles Läuten im inneren des Hauses erhallte. Dann noch einmal. "Mr. Bennett, Sir? Sind sie daheim?" Nichts rührte sich und sie konnte kein Geräusch auf der anderen Seite der Tür vernehmen. Das Haus war in eine gespenstische Ruhe gehüllt. Allmählig wurde sie nervös, immerhin musste sie mit einer Kündigung rechnen nach so einer Verspätung. Doch heute würde sie niemand entlassen, nicht an diesem Morgen. Sie harte noch eine Weile in der mörderischen Kälte aus, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und lief den Kiesweg bis zum Tor wieder hinunter. Ihre Hand umgriff bereits die Klinke des Eisentors, als sie einen Moment lang inne hielt. Etwas stimmte nicht. Doch was? Zögerlich glitt ihre Hand von der Klinke. Mr. Bennett war jeden Montag stets zu Hause gewesen. War er übers Wochenende an Alzheimer erkrankt und hatte es vergessen? Wohl kaum. Ihr Blick schweifte über das Anwesen auf der Suche nach etwas Ungewöhnlichem, etwas das ihren Gedanken Mr. Bennett sei im Haus bestätigte. Der Kirschbaum im Vorgarten, die Haustür, die Garage. Alles wie immer oder? Es brauchte nicht lange bis ihr ihre Bestätigung auffiel. Das Detail, das nicht ins Bild passte. Sein Wagen stand in der Auffahrt vor der Garage und strahlte wie der Schnee auf den Dächern in der allmählig aufgehenden Morgensonne. Mit dem immer stärker werdenden Gedanken Mr. Bennett befinde sich doch im Haus, stampfte sie erneut zum Haus hinauf. Sie beschloss noch ein letztes Mal zu klingeln, doch als das grelle Läuten nun zum dritten Mal im Haus ertönte geschah wieder nichts. So still wie an diesem Morgen hatte sie das Haus noch nie erlebt. Das einzige, was nun durch die Nachbarschafft schallte, war das fiese Krächzen der Raben, die wie Schatten über die Dächer huschten. Am liebsten hätte sie sie allesamt erwürgt. Nachdem sie einen Moment lang mit dem Gedanken beschäftigt wie sie den Raben ein Ende bereiten konnte, raffte sie sich wieder zusammen und betrat den Rasen, der an den Kiesweg angrenzte. Sie lief unter dem Kirschbaum hinweg und umging das Haus auf der rechten Seite, die gänzlich im Schatten lag. Bei jedem Schritt in Richtung Terrasse knirschte der Schnee unter ihren Schuhen und sie sah, dass sie nicht die erste war, die dort entlang stapfte. Neben ihr verliefen Fußspuren, die wohl von der Terrasse zu kommen schienen. Sie folgte den Fußspuren und kam nach etwa dreißig Metern tatsächlich zur Terrasse, an der genauso wie am Rest des Hauses, nicht gespart wurde. Dort lag eine Mamorplatte akorat neben der anderen und filigran verzierte Säulen, wie aus einem griechischen Tempel geraubt, stützten den Balkon, der Schatten für die Terrasse spendete. Nun ja, man brauchte sich wohl nicht lange umsehen, um zu merken, dass hier kein älterer Herr zu finden war. Doch wo war er? Genau in diesen Situationen ärgerte sie sich über solche, die sich zu altmodisch für ein Handy waren. Mr. Bennett war ein sturer, alter und unbelehrbarer Mann, verschwiegen, fast schon geheimnisvoll. Audrey lehnte sich gegen ein Fenster neben der Terrassentür, um einen Blick ins Wohnzimmer zu erlangen und als ihr warmer Atem auf das kallte Glas traf, beschlug es ein wenig. Ein letzter Blick um sich zu vergewissern, dass er nun tatsächlich außer Haus war. Und wie schon erwartet sah sie auch im Inneren des Hauses keine Menschenseele. Vielleicht war er spazieren? Eher unwahrscheinlich um diese Uhrzeit. Sie war schon im Ansatz zu gehen, als ihr ein zunächst kleiner, jedoch verlockender Gedanke durch den Kopf schoss. Mr. Bennett war weit und breit nicht zu sehen und schließlich kannte sie jede Schublade und jedes Kästchen, in denen er und seine Frau ihre kleinen aber kostbaren Schätze aufbewahrten. Audrey selbst würde sich niemals als eine Diebin bezeichnen, mehr als als jemanden, der seine Chancen und Gelegenheiten zu nutzen wusste. Außerdem besaßen die Bennetts so viel, dass es ihnen kaum auffallen würde, wenn etwas fehlte. Behutsam griff sie nach der Klinke, drückte sie langsam nach unten und hatte Glück. Die Tür war nicht abgeschlossen, weshalb sie sich gar schon dazu eingeladen vorkam einzutreten. Wie in Zeitlupe öffnete sie die Tür und ließ sie fast ohne einen Laut hinter sich ins Schloss fallen. Eine Welle angenehm warmer Luft kam ihr entgegen, als sie das Wohnzimmer betrat. Jedes Mal in diesem Raum konnte sie ihre Blicke nicht von dem glänzendem und funkelndem Kronleuchter lassen, der wie ein Diamant strahlte. Doch sie hatte jetzt keine Zeit um lange an die Decke zu starren, schließlich war das hier ein Einbruch und keine Austellung. Wo sollte sie anfangen zu suchen? Eigentlich hätte man das gesamte Haus ausräumen können, denn jedes Bild, jeder Rahmen war ein kleiner Schatz, doch ihr erster konkreter Gedanke war die Kommode im Schlafzimmer. Sie lief gerade durch den Raum zum Eingangsbereich, die Treppe hinauf in den zweiten Stock und dann ins Schlafzimmer. Vor der Kommode kniend fand sie wonach sie suchte. Aus einer kleinen Schublade zog sie eine etwa handgroße Figur - ein Löwe aus purem Gold, den die Bennetts letztes Jahr aus dem Afrikaurlaub mitgebracht hatten. Kaum dass sie den Löwen in der Hand hielt, überlegte sie was sie mit dem Geld alles anstellen könnte. Rom, London, Hawaii. Es gab so vieles, was sie von der Welt sehen wollte. Nachdem sie zumindestens im Kopf ihren Urlaub der nächsten zwei Jahre geplant hatte, lief sie zurück ins Wohnzimmer und suchte nach weiteren Schmuckstücken. Audrey erinnerte sich an den kleinen Buddha - ebenfalls aus Gold - , der im Bücherregal neben dem Kamin saß. Durch einen Bogen kam sie ins Kaminzimmer und fixierte mit starrem Blick den dicken, lachenden Mann im Bücheregal. Zielstrebig griff sie nach und hielt nun in ihren beiden Händen so viel Geld wie sie in zehn Jahren nicht verdient hätte. Das müsste reichen, dachte sie und drehte sich um mit der Absicht das Haus zu verlassen.

3. Wenn Audrey an diesen Morgen zurück denkt, hätte sie im nachhinein einiges anders gemacht oder lieber gleich ganz gelassen, denn dieser Morgen war kein gewöhnlicher. Mit diesem einen Dezembermorgen hatte es alles angefangen. Es war der Anfang von Audreys langsam aber sicher näher kommendem Ende. Von diesem Morgen an hatte das Gute dem Bösen die Regie über Audreys Leben überlassen, sodass sie einzig und allein eine Marionette des Unglücks und des Hasses wurde.

4. Als Audrey plötzlich realisierte was oder besser wen sie auf einmal sah, schnürte es ihr den Atem und den gesamten Hals ab. Wie ein Messer rammte das sich ihr bietende Bild in ihr Herz und blieb dort stecken. Sie konnte nicht schreien, nicht atmen, nicht wegschauen, bis das Messer mit einem Ruck aus ihrem Herz gerissen wurde und eine tiefe Narbe hinterließ. Befreit von dem Seil um ihren Hals und dem Messer in ihrem Herzen, ließ sie einen fürchterlichen Schrei los, der wie ein Schuss durch die Nachbarschaft peitschte. Mit einem Mal entglitten ihr die beiden Goldstücke in denen Händen und prallten mit voller Wucht auf den Boden. Mr. Bennetts kalte, tote Augen, überströmt vom eigenen Blut, das aus einem tiefem, dunklem Loch in seiner Stirn quoll, blickten sie an. Wie ein Gespenst saß er in seinem Sessel, die Arme bequem auf den Lehnen liegend, als ob vor ein paar Sekunden sein Herz noch warmes Blut durch seinen Körper gepumpt hätte. Beim Anblick der Leiche wurde ihr schwindlig und sie fühlte wie ihr Atem zitterte vor Angst. Da war er nun. Sie hatte ihn gefunden, den sturen, alten und unbelehrbaren Mann, der ihr jeden Montagmorgen mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen die Tür geöffnet hatte. Ihre Knie wurden ganz weich und sie verlor die Balance, so fühlte es sich an, sodass sie sich in den Sessel neben dem Toten setzte. Sie sah ihn nur an, eine ganze Weile lang und als sie den blassen alten Mann dort so machtlos sitzen sah entrann ihren Augen eine Träne. Doch sie weinte nicht um einen Geliebten, nein, sie weinte um einen Menschen der seit drei Jahren ihr Leben mit beeinflusst hatte. Er hatte für sie Standhaftigkeit bedeutet, welche ihr nicht all zu oft zu Teil geworden war. Und wie sie dort saßen, fast wie Großvater und Enkelin, meinte sie ihn ebenfalls weinen zu sehen. Was sollte sie jetzt machen? Die Polizei rufen? Nein, Audrey war schlau genug um zu wissen wonach das alles hier aussehen würde. Es gab für sie nur eine logische Möglichkeit: so schnell wie möglich raus aus diesem Haus.

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