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So schnell ich kann flüchte ich von den Menschen, wobei ihr Gemurmel mich immer noch verfolgt. Die Gedanken überschlagen sich in meinem Kopf und ich bin mir nicht sicher ob ich mich für meine Tat beglückwünschen oder schlagen soll. Was ist, wenn ich sterbe? Ich meine es wäre möglich. Der Plan könnte schief und ich draufgehen.

Das Blut rauscht in meinen Ohren, als ich die Treppen erklimme. Mein Herz pocht viel zu schnelle. Eine Art Stein hat sich in meinem Magen niedergelassen und ich gleite zwischen dem Zustand der Nervosität und der Angst hin und her. Meine Beine tragen mich beinahe automatisch zum Versammlungsraum, wo ich auf Jamie warten soll, während er noch etwas erledigen muss. Wie in Trance wandere ich durch die Gänge, denn mein Verstand scheint Meilen weg zu sein.

In meinem Kopf male ich mir tausend Szenarien aus was alles schiefgehen könnte, ohne, dass ich es überhaupt will.

Mein Gedankengang wird jedoch unterbrochen, als ich die Türe des Versammlungsraumes aufreiße, in der Annahme den Raum leer vorzufinden. Da ich so in Gedanken war, habe ich auch nicht die Stimmen gehört, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Diese halten aber überrascht inne, als ich hereinplatze.

In diesem Augenblick werden mir zwei Dinge klar. Warum ich die einzige war die sich für die Mission gemeldet hat und warum mich keiner aufgehalten hat, als ich es getan habe. Damon, Ryan, Matt, Lincoln, Jessy und eine weitere Frau, deren Name ich nicht kenne, starren mich verwirrt an. Leicht öffne ich den Mund, nicht sicher was in dieser Situation zu sagen. Die Frage wir mir jedoch abgenommen.

„Eleya, was machst du hier? Solltest du nicht unten sein?", fragt Damon, sein Finger immer noch auf eine Karte gerichtet, wo er anscheinend gerade etwas erklärt hatte.

Nervös reibe ich mir über den Nacken.

„Solltet ihr nicht auch unten sein?", weiche ich seiner Frage aus. Die sechste Person im Raum, die namenlose Frau mit den schulterlangen braunen Haaren und den schmalen Augen, mustert mich nachdenklich. Sie hat nicht besonders hübsche Gesichtszüge, erscheint mir auf den ersten Blick jedoch freundlich und aufrichtig, was sie irgendwie schön wirken lässt.

„Du bist die Freiwillige nicht wahr?", fragt sie in die aufkommende Stille hinein. Dankbar, dass sie die Frage stellt und nicht einer der Jungs, wende ich mich an sie.

„Äh ja." Fest beiße ich mir auf die Lippe, als ich Ryans Gesicht aus dem Augenwinkel sehe.

„Du bist was?", fragt Matt schockiert. Langsam drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Ein warnender Ausdruck liegt in seine Augen, der mich leicht schlucken lässt.

„Naja, nachdem sich keiner gemeldet hat, als Jamie fragt, hab ich beschlossen es zu tun." Entschuldigend zucke ich mit den Schultern, was Matt jedoch nicht versöhnlich stimmt.

„Bist du wahnsinnig? Meinst du ich habe dich die ganze Zeit beschützt, dass du dich jetzt für so eine Mission freiwillig meldest. Du könntest dabei draufgehen."

Wütend starret er mich an, die Finger fest in die Stuhllehen vor sich gekrallt, sodass seine Köcheln weiß hervortreten. Beschwichtigend hebt Damon seine Hände.

„Matt beruhig-", versucht er seine Freund zu beschwichtigen.

„Nein, ich beruhige mich nicht. Verdammt wie kann man nur so dumm sein?" Mit zusammengebissenen Zähnen schließe ich meine Augen, als die Wut wieder langsam in mir hochsteigt.

„Du peilst es einfach nicht. Es geht dich nichts an, was ich tue, weil es mein Leben ist. Mein verdammtes Leben. Und wen ich es aufs Spiel setzten möchte, um zu helfen, dann darf ich das. Also sag mir nicht was ich tun soll."

„Eleya, hast du dir das auch wirklich überlegt? Die Mission ist sehr gefährlich und dir kann auch keiner versichern, dass du da wieder rauskommst", setzt nun Ryan zu einem Versuch an, mich um zu stimmen.

Verstehen sie den nicht, dass ich das weiß? Ich weiß was passieren kann.

„Ich weiß was ich tue, danke."

„Nein, du weißt es nicht. Gott, du bist so naiv. Du weißt nichts vom Leben, was da draußen passiert, weil du immer nur in deiner heilen, kleinen Welt gelebt hast", motzt Matt mich an.
Swine Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht. Schockiert starre ich ihn an, so wie der Rest im Raum. Er ist zu weit gegangen und an seinem Blick sehe ich auch, dass er es weiß.

„In meiner kleinen, heilen Welt also?" Die Worte verletzten mich, auch wenn ich es nicht zugeben will.

Ein bitteres Lachen entweicht meinen Lippen, während ich fassungslos meinen Kopf schüttle. 

„Eleya, so habe ich es-" Hastig hebe ich meine Hand.

„Nein, schon gut. Ich weiß was du sagen willst. Und weißt du was, vielleicht braucht es diese Mission ja auch. Damit ich endlich sehe was das wahre Leben ist und ich mich nicht weiter in meiner kleinen, heilen Welt verstecken kann. Ich hab schon verstanden." Scharm und Zorn spiegeln sich in Matts Gesicht wieder.

„So hat er es nicht gemeint, Eleya. Diese Mission-", fängt Damon an, aber ich unterbreche ihn.

„Diese Mission ist genau das richtige für mich. Und ihr könnt mich nicht umstimmen."

„Aber-" Wütend schießt mein Blick zu Ryan.

„Ich habe gesagt ich mache es. Also hört auf euch um mich zu kümmern. Ich kann das alleine durchziehe und brauche dafür nicht eure Erlaubnis. Denn stellt euch vor, ich bin kein kleines, dummes Mädchen und ihr seid nicht meine Brüder!"

In dem Augenblick in dem das letzte Wort meinen Mund verlässt, hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Brüder?

Automatisch schießt mein Blick zu Lincoln, der mich verwundert ansieht. Einige Sekunden starren wir uns nur an.

„Du kannst meine Meinung auch nicht ändern. Ich werde es machen", sage ich hart.

„Ich weiß", erwidere Lincoln jedoch nur. Ohne eine Miene zu verziehen, nicke ich. In meinem Inneren hätte ich vor Erleichterung am liebsten geweint. Er ist auf meiner Seite, er glaubt an mich.

Auch wenn ich davon überzeugt bin, Lincoln zu hassen, kann ich doch nicht den Teil ausschalten, der sich danach sehnt ihn zu umarmen.

Doch davon zeige ich nichts. Ich will nicht das jemand sieht, was in mir vorgeht. Dafür ich es für mich selber zu schwierig zu verstehen.

Jamie rettet den Augenblick schließlich als er durch die Türe kommt. Ich bin mir sicher, dass er sofort erahnen kann, wie die Information von den Beteiligten aufgenommen wurde.

„Alles klar?", fragt er dennoch in die Stille hinein, während er sich neben mich stellt.

„Nein, es ist nicht alles klar. Wie konntest du sie das nur machen lassen?", knurrt Matt wütend. Beruhigend hebt Jamie die Hände, so wie Damon es zuvorgetan hatte.

„Matt beruhig dich."

„Beruhigen? Sag du mir nicht, ich soll mich beruhigen. Sie könnte sterben und dann? Was dann?" Ich will zu einer Erwiderung ansetzten, aber Jamie legt mir hastig die Hand auf die Schulter, sodass ich meinen Mund wieder schließe.

„Es ist ihre Entscheidung Matt, nicht deine." Theatralisch wirft Matt seine Hände in die Luft. „Ja klar, lassen wir doch alle Entscheiden was sie wollen. Soll jeder tun was er möchte, so kommen wir sicher weiter."

Wütend wendet er sich ab, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Und ich? Ich drehe mich weg von Matt, von Ryan, Damon und Lincoln und geselle mich zu den beiden Frauen, damit sie mir den Plan erklären.

Fighter - My life on the streetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt