Grelle Straßenlaternen in der sonst völligen Dunkelheit in dieser Nacht lullten mich ein. Alle Dächer, sowie der sternenbesetzte Himmel stürtzten in einer rasenden Geschwindigkeit auf die einsame Person herab, die niemand geringeres war als ich selbst. Wie sehr wünschte ich, dass das die Realität wäre und nicht die zusammengesponnenen Fäden meiner Gedanken und der Halluzinationen, die ich seit einem Jahr hatte. Viel zu tief steckte ich in den Problemen, die mir meine verwirrte Psyche verursachte. Mal wieder hatte ich eine hitzige Diskussion meiner Eltern mitbekommen müssen, in der es wie so oft darum ging, ob ich nicht endlich in die Klapse sollte, um es zusammen zu fassen. Die Heftigkeit ihres Streits war kaum zu beschreiben, im Vergleich zu den harmlosen, die sie vor allem geführt hatten. Bevor dem Tag, an dem ich den bellenden Hund auf mich zu kommen sah, der kurz davor war, mich in etwas zu verwandeln, von dem nicht mehr viel übrig bleiben würde. Panisch war ich fortgerannt und verstörende Blicke damit auf mich gerichtet. Denn diesen Hund gab es nicht. Er war nur in meiner Vorstellung. Nur eine Illusion, mit der alles begann. Zuerst kamen die Halluzinationen alle paar Wochen, dann mehrmals pro Woche und letztendlich jeden Tag mindestens eine, wenn auch teilweise nicht sehr Große. Es machte mich wahnsinnig, nicht mehr zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden zu können, aber auch, dass ich jeden Tag nur meine eigenen vier Wände zu Gesicht bekam, weil mich meine Mutter nicht mehr aus dem Haus lassen wollte. So lief ich mitten in der Nacht durch die Straßen New Yorks und versuchte, etwas aus dem anstrengendem Alltag zu flüchten. Dennoch schliefen die Halluzinationen nie, sie verfolgten mich auch nachts. Reflexartig hob ich die Hände über den Kopf, um die fallenden Ziegelsteine ab zu wehren, obwohl ich genau wusste, wie irreal dieses Geschehen eigentlich war.
»Regnet es schon? Ich wusste, ich hätte einen Regenschirm mitnehmen sollen, « ertönte eine Stimme aus dem Nichts, nur etwas weit von mir entfernt sah ich einen Jungen stehen. Überrascht senkte ich meine Arme und ein Stein fiel mir direkt auf den Kopf und der Schmerz, der sich auf meiner Kopfhaut ausbreitete, war wie alles andere ein Teil des Kinos, das mein Gehirn veranstaltete.
»Hättest du, « flüsterte ich und sah hinauf zu den fallenden Sternen, die ihm in die beleuchteten Haare rieselten, aber er merkte kein bisschen davon. Und obwohl meine Stimme so leise war, hörte er mich, was wahrscheinlich daran lag, dass er viel näher bei mir stand, als ich annahm.
Für einen Moment war er verschwunden, aber dann sah ich mich neben ihm laufen, in Richtung Central Park, direkt auf die vielen Bäume zu. Ich kam garnicht dazu, das Ganze zu hinterfragen, sondern starrte nur auf den geheimnisvollen Jungen, der sich mir nun mit mehr als nur seiner Silhouette zeigte. In die Stirn fallende schwarze Haare, blaue Augen, die durch den Lichtstrahl leuchteten. Er hatte eine verwaschene helle Jeans an, ein bedrucktes weißes Shirt und einen Blazer, dazu flache Converse.
Er erzählte mir bei unserem kompletten Spaziergang nichts von sich, sondern hörte sich stattdessen meine ganze Geschichte an, bei der ich nicht wusste, warum ich sie ihm erzählte. Vielleicht, weil er auf mich wirkte, als ob ich ihm alles erzählen könnte und er immernoch beeindruckt wäre, selbst wenn ich sagen würde, dass ich einmal ein Kaninchen gefüttert hatte. Oder es lag daran, weil er einfach schön war und es mich meine Gedanken noch mehr vernebeln ließ, als sie es sowieso schon waren.
Und obwohl ich rein garnichts von ihm wusste, nicht einmal seinen Namen, verliebte ich mich genau in der Nacht, in der die Sterne vom Himmel fielen und die Dächer von den Häusern krachten, in den hübschen Jungen, mit dem ich durch den Park spazierte. Nicht in der weiteren Zeit in dieser Nacht, noch in den darauffolgenden Wochen, die ich so gut wie immer mit ihm verbrachte, hatte ich eine Halluzination. Nicht einmal eine und es war, als ob er das Wundermittel dafür wäre. Obwohl es eigenartig war, dass er mir nicht einmal seinen Namen verraten wollte und immernoch nichts von seiner Herkunft berichtete, hinterfragte ich alles nicht, weil ich selber wusste, wie belastend einem die eigenen Angelegenheiten sein konnte. Er würde seinen Grund für sein Schweigen schon gehabt haben, dachte ich.
Genau sieben Wochen und drei Tage später entschied ich, diesen besonderen Jungen mit nach Hause zu nehmen und ihn meinen Eltern vorzustellen. Sie würden sich freuen, dass ich jemanden gefunden hatte, der mich nicht abstoß, weil ich verrückt war, der mich trotzdem liebte, genau wie sie es taten, obwohl sie es schwer zeigten. Ich hatte meine Mutter schon vorher eingeweiht und wie erhofft, freute sie sich und konnte es kaum erwarten, dass ich ihn mitbrachte.
Kurz nach der Mittagszeit holte ich ihn an unserem Treffpunkt im Central Park ab, von wo aus wir gemeinsam zu mir nach Hause laufen würden.
»Ich bin mir nicht so sicher, ob das eine gute Idee ist, « meinte er mit einer Hand in der Hosentasche und die andere mit meiner verschlungen. Sanft streichelte er mir mit dem Daumen über den Handrücken und ich spürte, wie er etwas schwitzte.
»Es ist süß, wie nervös du bist, « kicherte ich. »Aber du brauchst keine Angst haben. Meine Mum wird dich mögen. Was sag ich, sie wird dich lieben, « versicherte ich ihm und beugte mich etwas auf Zehenspitzen, um ihn einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Unsicher lächelte er zurück und seufzte.
An meiner Haustür angekommen sperrte ich mit zitternden Händen die Türe auf, wobei von der Seite ein amüsiertes Kichern ertönte. Spielerisch boxte ich ihm gegen die Schulter und bekam endlich den Schlüssel ins Loch. Mit rasendem Herzen zog ich ihn in die Diele und streifte mir die Schuhe von den Füßen, dann rief ich durchs Haus, dass wir da waren.
»Na endlich, ich freu mich so, « schrie meine Mum aufgeregt aus der Küche, dann hörte ich ihre schnellen Schritte. Mir wurde fast schwindlig, weil ich es kaum erwarten konnte und glücklich stützte ich mich an ihm ab, der mich nur etwas schief anlächelte.
»Du glaubst garnicht, wie- . « Sie stoppte mitten im Satz, als sie um die Ecke kam und ich hatte das Gefühl, die ganze Mimik, sowie die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Und gleichzeitig drehte sich mein Magen um und die Erkenntnis traf mich wie ein felsengroßer Stein ins Gesicht, der mich auf den Boden fallen und in einen tiefen See voller Verzweiflung stürzen ließ.
All die Tage, Wochen seit dieser jenen Nacht..alles war wieder nur eine Illusion.
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illusion [short story]
Short Story❝die alltägliche realität ist nur eine illusion. ❝