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Hätte ich gewusst wie sich alles entwickeln würde hätte ich vieles anders gemacht. Leider wurden Zeitmaschinen noch nicht entwickelt also gab es keine Möglichkeit etwas rückgängig zu machen, oder etwas zu verhindern was man hätte merken sollen. Diese Gedanken zerfraßen mich, mein Kopf war einfach nie leise.

Einen kurzen Seufzer ausstoßend ließ ich meinen Kopf an der kalten autoscheibe nieder und beobachtete wie Pennsylvanias Landschaft an uns vorbeizog. Ich hasste Umzüge, jedes Mal ist es das gleiche. Neue schule, neue Menschen, neue gottverdammte Stadt. Diesmal sollte es Easton, Pennsylvania sein. Eine recht große Stadt mit ca. 27.000 Einwohnern und mir eigentlich völlig egal.

„Wir werden bald da sein", meldete sich meine Tante vom Beifahrersitz aus.

„Mhm", meine Tante und ich hatten nicht das beste Verhältnis, sie mochte mich nicht und ich war auf sie genauso schlecht zu sprechen. Ich war nicht die Nichte die sie sich vorgestellt hatte als ich geboren wurde. Ich war so sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht richtig realisierte, dass sich die Landschaft langsam veränderte. Flaches Land veränderte sich langsam zu Gebäuden und Straßen. Langsam aber sicher bogen wir in unterschiedliche Straßen ein und hielten schließlich vor einem kleinen Haus.

Unser neues zuhause, yay.

Schnaubend löste ich meinen Gurt und öffnete die Autotür, der Schotter unter meinen Füßen knarzte als meine schwarzen Chucks diesen berührten. Mit dem Rucksack geschultert schlug ich die Tür zu und lief in Richtung der Eingangstür.

„Sieht doch nicht schlecht aus", rief meine Tante mir vom Kofferraum aus zu während sie zusammen mit meinem Onkel unser erstes Gepäck aus dem Kofferraum luden. Meine Tante ist die frau meines Onkels, mit ihm habe ich ein besseres Verhältnis als mit seiner frau.

Wenn man vom Teufel spricht, sie kam freudig pfeifend zu mir um die Haustür aufzuschließen: „Freust du dich denn gar nicht? Eine ganz neue Erfahrung, neue schule, du wirst bestimmt schnell Freunde finden"

Genervt verdrehte ich die Augen, Gott warum tat sie denn so als würde sie mich nicht so verachten wie ich es tat. Nachdem sie die dunkelbraune holz Tür schwungvoll öffnete trat ich in die kleine Küche ein. Weiße schränke zierten die Wände und ich ließ meinen Blick langsam über die Einrichtung laufen. Ganz in Ordnung.

Als ich durch die Küche lief, kam ich zu einem schmalen Flur, der sowohl zum Wohnzimmer, als auch zu einer Treppe führte die ich schließlich auch hinauf lief. Oben fand ich drei Türen und eine weitere Treppe die wohl zum Dachboden führte. Ganz am Ende von dem Flur befand sich ein hübsches Bad, dusche, Waschbecken, Spiegelschrank und Toilette. Die anderen zwei Türen werden wohl die verfügbaren Schlafzimmer sein. Ich öffnete die erste Tür und entschied sofort als ich aus dem Fenster schaute, dass dieses Zimmer meins sein sollte. Direkt unter dem Fenster war ein kleines Vordach, dass zur Einfahrt führte. Ich liebte es mich nachts raus zu schleichen und dieses Fenster würde es tausendmal einfacher machen. Abgesehen von diesem fantastischen Teil meines Zimmer hatte es auch noch einen recht schicken begehbaren Kleiderschrank.

Sofort lief ich runter um meinen ‚Eltern' davon zu berichten für welches Zimmer ich mich entschieden hatte. Mein Onkel machte sich gerade daran einige boxen ins Haus zu tragen und in der Küche stapelten sich diese bereits.

„Hey Alice, da drüben stehen boxen von dir, du kannst ja schon mal anfangen deinen Schrank einzuräumen solang wir auf den Umzugs Truck warten", mein Onkel lächelte mir leicht zu und ich antwortete ihm nur mit einem kurzen nicken.

Na dann mal ab ans Werk.

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„Fertig!", stolz grinste George mich an nachdem er die Matratze auf mein Bett gelegt hatte.

„Danke", leicht lächelnd schaute ich ihn an und hing den letzten Kleiderbügel in meinen Schrank bevor ich mich auf mein nicht bezogenes Bett schmiss. Wow ich könnte wirklich fast einschlafen.

„Morgen können wir den Rest von deinen Möbeln aufbauen, aber heute ist es schon spät", zustimmend nickte ich ihm zu und beobachtete noch kurz wie George den raum verließ. Morgen.

Morgen war Sonntag, ein Tag um noch etwas zu entspannen bevor die Hölle namens Schule begann. Wieso mussten wir auch unbedingt mitten im Schuljahr umziehen. Als sei eine neue schule im Allgemeinen nicht schon genug, nein es muss unbedingt mitten im Jahr sein.

Langsam aber sicher überkam mich eine Welle von Müdigkeit, eigentlich wollte ich noch nicht schlafen gehen aber es fiel mir so unglaublich schwer meine Augen offen zu lassen...

"Alice! Komm bitte runter", verwirrt schaute ich meine beste Freundin Marie an.

"Soll ich mitkommen?", sie warf mir einen besorgten blick zu.

Ich schüttelte den Kopf und lief die Treppe runter zu meiner Oma. Als ich jedoch die zwei uniformierten Männer in unserem Wohnzimmer stehen sah, blickte ich verwirrt umher. Waren die wegen ihm da?

"Was ist los?", meine Stimme zitterte, mein Gehirn wollte das schlimmste befürchten doch ich schob diese Gedanken in die hintersten Ecken meines Unterbewusstseins.

"Komm", sie redete leise, beunruhigend leise, vorsichtig legte sie ihre Hand auf meinen Rücken und schob mich in die abgedunkelte Küche.

"Was ist los? Haben sie Dad endlich gefunden? Geht es ihm gut? Kann ich ihn sehen?", sofort Bombardierte ich sie mit fragen, ich musste ihn endlich sehen, ich hatte mir Sorgen gemacht.

Ich wollte nichts anderes glauben als dass ich meinen Dad endlich sehen konnte. Eine Woche war er jetzt schon verschwunden. Eine ganze Woche, ohne sich zu melden. Das war nicht typisch für ihn.

"Alice... Sie haben ihn gefunden aber... Alice... er ist...", mit einem Schlag fror ich ein, mein Gesichtsausdruck veränderte sich dramatisch und es fühlte sich an als hätte jemand mein Herz herausgerissen. Herausgerissen und auf den Boden geschmissen. Ich fühlte nichts, keinen Schmerz, keine Trauer, nichts. Das kann nicht stimmen. Sie muss sich irren. Das war einfach nicht möglich.

Meine Oma nahm mich in den Arm und zum ersten Mal seit den letzten Sekunden spürte ich die Tränen die aufkamen und sich heiß ihren Weg über meine Wangen bahnten.

Ich wollte schreien, schreien und dagegen ankämpfen, es konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein!

Verdammt nochmal ich brauche dich doch!!

Sofort schreckte ich hoch, schwitzend, tränen rannen über meine Wangen und trugen mein Make-up mit sich. Sofort wischte ich mir über die Wangen. Das Alter zu weinen ist vorbei, ich war kein kleines Kind mehr, ich war nicht so schwach wie damals. Dennoch verfolgte mich dieser verdammte Albtraum seit sieben Jahren. Sieben verdammte Jahre musste ich dieses Erlebnis immer und immer wieder durchlieben. Jedes Mal wieder brach es mir mein herz und es zerstörte mich einfach.

Meiner Familie war es wohl völlig egal wie ich mich fühlte.

Sofort stand ich von meinem Bett auf und kletterte nach draußen auf das Vordach um endlich eine zu rauchen und meine Nerven zu beruhigen.

Menschen verändern sich nicht ohne Grund, ich bin nicht mehr dieses kleine Naive Mädchen, nein.

Das bin ich schon lang nicht mehr.

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