Das 13. Grab (Part 1/2)

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Es war kurz vor Mitternacht. Die blasse Sichel des Halbmonds hing am dunklen Himmel. Der Nebel hatte sich verdichtet. Kein Stern war am Himmel zu erkennen, wodurch das fahle Mondlicht die einzige Lichtquelle in dieser trostlosen und menschenverlassenen Gegend zu sein schien. Doch dieser Schein trog. Eine Taschenlampe lag am erdigen Boden und leuchtete damit den in den Wald führenden Wanderweg aus. Doch kein Wanderer wagte sich zu jener späten Stunde in den „Wald des Todes", wie er aufgrund seiner Nähe zum direkt danebengelegenen Friedhof genannt wurde. Doch war die Gegend doch nicht so menschenleer wie es um diese Zeit üblich gewesen wäre. Ein etwa durchschnittlich großer Mann lag rücklings in der Erde. Etwa fünf Meter vor dem Eingang zum Friedhof. Es schien als hätte er das Bewusstsein verloren. Die Taschenlampe war ihm aus der Hand gefallen und er rührte sich nicht. Doch plötzlich schreckte Jason hoch. Er atmete schnell. Sein Shirt klebte an seinem verschwitzten Körper. Der Mann war wohl rund 25 Jahre alt, er hatte blonde Haare, welche komplett zerzaust und ebenfalls nass vom Schweiß waren. Dabei war es gar nicht so heiß. Eine laue Sommernacht mit rund 20 Grad. Richtig angenehm! Doch Jason schien diese Nacht keinesfalls zu genießen. Sein Schädel brummte. Er hatte schreckliche Kopfschmerzen. Außerdem schmerzte sein linker Fuß. Dementsprechend schwer fielen ihm die ersten Schritte, nachdem er sich unter heftigem Stöhnen schwerfällig aufgerichtet hatte.
Was war passiert?
Jason versuchte sich anzustrengen. Er dachte nach. Dachte darüber nach, was das letzte war, woran er sich erinnerte. Ehe ihm auch nur ein der Erleuchtung naher Gedanke gekommen war, fiel sein Blick auf die Taschenlampe, die ein paar Meter neben ihm lag. Er hob sie auf und entdeckte einen schmutzigen, zusammengefalteten Zettel direkt daneben. Er entfaltete ihn vorsichtig, um das Papier nicht zu zerreißen und las:
MIT GROßEM BEDAUERN MUSS ICH IHNEN MITTEILEN, DASS DIE EINZIGE PERSON, DIE SIE JE GELIEBT HABEN, VERSTORBEN IST!
Jason schluckte heftig. Ihn überkam ein Gefühl der Übelkeit.
Wie war er hier hergekommen? Und was war mit seiner Frau passiert?
Diese Gedanken schossen wie Blitze durch seinen Kopf. Doch das Weiterlesen auf der Rückseite trug nicht dazu bei, dass die Übelkeit nachließ.
DIE VIEL ZU FRÜH GEGANGENE PERSON LIEGT IM 13. GRAB IN REIHE 1 DES FRIEDHOFS ZU IHRER RECHTEN.
ICH BEDAURE, DASS SIE AUF DIESE ART VON IHREM TOD ERFAHREN.
Jasons Gehirn arbeitete. Wer hatte den Brief verfasst? Und schaudernd stellte er fest, dass der Friedhof sich tatsächlich zu seiner rechten erstreckte. Er beleuchtete dessen Eingang mit der Taschenlampe und trat näher. Hatte der mysteriöse Briefschreiber auch in den anderen Punkten recht? Jason zitterte vor Angst und ein fast unerträgliches Gefühl von Schwindel überdeckte seine Übelkeit. Beinahe unfähig gerade aus zu gehen, trat Jason durch das Eingangstor des Friedhofs. Einmal blickte er noch auf den Zettel, um sich zu vergewissern, ob die Worte tatsächlich drauf standen. Oder ob er doch halluziniert hatte. Ob ihm sein Unterbewusstsein einen Streich gespielt hatte. Vor lauter Erschöpfung, von der er nicht wusste woher sie kam, hatte er sich den schockierenden Inhalt des Briefs selbst zusammengereimt. Doch er hatte sich nicht getäuscht. Die Worte standen da. Jason hatte sogar den letzten Satz übersehen. Als er ihn las, lief ein kalter Schauer über seinen Rücken. Jason zuckte zusammen. Todesangst breitete sich in ihm aus. Doch die Neugier überwiegte. Grab sieben, acht, neun, zehn. Jason beschleunigte seine Schritte und hielt vor dem 13. Grab an. Jason verlor fast das Gleichgewicht, die Kontrolle über seinen ausgelaugten Körper als er las, dass der Geisteskranke alles ernst meinte. Immer wieder blickte Jason in alle Richtungen, um sich zu vergewissern, dass da niemand war. Auf dem Grab stand: JANICE PARKER. Der Name seiner Frau. Sonst stand nichts am Grab. Weder das Geburtsdatum noch ein netter oder ein mehr oder weniger einfallsreicher beziehungsweise geistreicher Spruch. Eigentlich fehlten ja sogar die letzten drei Buchstaben des Vornamens seiner Frau, da diese wohl mit Staub überdeckt waren. Der Grabstein wirkte uralt, wirkte so, als sei er schon ewig da gewesen. Doch das konnte nicht sein. Er hatte heute Morgen mit seiner Frau geredet. Jason konnte sich an ein gemeinsames Frühstück mit ihr erinnern. Er war ihr kein guter Ehemann gewesen. Er hatte Affären gehabt. Er hatte sie betrogen und belogen, und doch hatte er sie geliebt. Doch war diese Liebe zu ihr durchgedrungen? Hatte er sie zu wenig gezeigt? Oder war sie hinter die Affären gekommen und hatte die Welt verlassen mit dem Gedanken, dass ihr Mann, der jetzt Witwer war, untreu und ein schlechter Mensch war. Jason war ein schlechter Mensch. Und jetzt war alles zu spät. Jason schluchzte, so heftig wie noch nie zuvor. Er hatte seine Frau verloren und dass ohne ihr etwas wirklich Nettes hinterlassen zu haben. Die Tränen trafen auf den erdigen Boden. Doch nach rund zwei Minuten zwang sich Jason zum Aufhören. Er zwang sich dazu, seinen Gefühlsausbruch zu unterbinden, denn nun war er selbst in Todesgefahr. Seine Frau war ermordet worden. Von einem Wahnsinnigen! Und dieser wahnsinnige Briefeschreiber wusste jetzt natürlich genau wo er war und würde auch ihn töten. Jason war sich sicher. Er empfand Todesangst, sein Kopf schmerzte noch stärker als zuvor.
ICH HABE IHREN TOD VERURSACHT! ICH HABE MORD BEGANGEN!
Das war ganz klein auf der Rückseite des vergilbten Zettels gestanden. Der Verrückte musste ihn hier her gebracht haben, um ihn zu quälen, bevor er ihn tötete. Jason konnte sich an nichts des heutigen Tages erinnern. Nur an das Frühstück mit seiner Frau. Aber war das überhaupt heute gewesen? Es könnte auch vorgestern gewesen sein. Vielleicht war er 40 Stunden lang vor dem Friedhof gelegen. Das könnte die Tatsache erklären, dass der Verrückte schon ein Grab für Janice organisiert hatte. Jason hatte keine Ahnung. Er war körperlich am Ende und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Er wusste weder wo er war noch was er tun sollte. Vielleicht ist das alles nur ein schlechter Scherz? Oder ein Traum? Er versuchte sich zu kneifen, doch er wachte nicht auf. Und dann schien sein Herz förmlich aus seinem Brustkorb zu springen, als er eine bekannte Stimme hörte.


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⏰ Last updated: Aug 19, 2017 ⏰

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UUG (Unheimliche, ungewöhnliche Geschichten)Where stories live. Discover now