Mein Gefühl sagt mir, dass es das Richtige ist.
Diese Straße ist eng und nur wenige Lichtstrahlen bahnen sich ihren Weg durch sie hindurch.Mein Verstand sagt mir, dass es nicht intelligent wäre dort einen Fuß hineinzusetzen, aber etwas zieht mich wie magisch an.
Es fühlt sich wie eine nie zuvor dagewesene Sehnsucht an, die etwas gefunden hat, das sich dort in diesem dunklen Teil einer bunten Stadt befindet.
Natürlich habe ich gelesen, dass Venedig bekannt für diese kleinen engen Straßen ist, aber ohne Begleitung dort hineinzugehen scheint mir ein wenig ungünstig.
Mein Schiff legt bald auf das Festland ab und ich weiß, dass ich es bereuen werde, wenn ich nicht den Versuch wage und dort hineingehe.Ich sammle all meinen Mut und kralle meine Tasche an mich.
Sobald ich in die Straße eintauche, sind die Geräusche der vielen Touristen verschwunden und es wird still.
Die leichten Lichtstrahlen lassen die Straße wie magisch aufleuchten und umso tiefer ich mich in diesen Zauber bewege, desto mehr kleine Läden kommen zum Vorschein.Die Geschäfte sind im Vergleich zu den Geschäften auf den überfüllten Einkaufsstraßen winzig, aber sie strahlen pure Geschichte aus.
Ich stelle mir vor, wie sie vor hunderten Jahren strahlten und Menschen in sich hineinsogen.
Jetzt sind die Farben der Fassaden nur noch ganz schemenhaft zu erkennen und bröckeln ab.
Leichte rot und grün Töne sind aber trotzdem noch zu erahnen.Im Vorbeigehen an den offenen Geschäften, in denen sich sogar ein paar Menschen befinden, komme ich an einem kleinen Buchladen vorbei.
In seinem leicht verdreckten Schaufenster stapeln sich neue und alte Bücher.
Mein Interesse ist geweckt und ich betrete den Laden.Der Geruch nach Büchern steigt mir sofort in die Nase und meine Schritte werden von einem alten schweren Teppich gedämpft.
Eine alte Dame steht an einem Tresen und lächelt mir zu.
Ich lächle zurück und schaue mich um.Buch um Buch reiht sich von Regal zu Regal, die bis an die Decke gehen.
Nicht alle Bücher sind auf Italienisch, sondern auch auf Französisch, Englisch und vereinzelte Bände sogar auf Deutsch.Ein Buch fällt mir sofort ins Auge.
Der Einband ist rot und mit goldenen Verzierungen übersät.
Es sieht wunderschön aus und ich nehme es in die Hand.
Es ist nicht unbedingt schwer, muss aber sehr viel Geschichte enthalten.,,CASANOVA – Die Geschichte meines Lebens'', heißt es.
Ich habe schon viel über Giacomo Casanova gehört, aber alles was mir jetzt in den Kopf kommt ist, dass er ein richtiger Frauenschwarm war und in der Zeit des Barocks gelebt hat.
Angeblich war er nie verheiratet, hatte aber unzählige Kinder.
Ich fasse den Entschluss, dass ich vielleicht nicht gleich so über ihn denken sollte, ohne etwas über sein Leben zu wissen.Ich gehe zu der freundlichen Dame und bezahle das Buch und packe es in meine Tasche.
Wieder auf der kleinen Straße zurück, mache ich mich auch schon auf den Rückweg.
Das Schiff muss ich nämlich wirklich bekommen.Da fällt mir ein kleiner Laden auf, der mir beim Betreten der Straße nicht aufgefallen war.
Dieser Laden verkauft venezianische Masken.
In Venedig gibt es unzählige solcher Geschäfte.
Ich möchte weitergehen, aber irgendetwas hält mich zurück.
Ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber ich bleibe tatsächlich vor dem Geschäft stehen.Von außen muss das Geschäft mit einst goldenen Ranken und Schnörkeln verziert gewesen sein, da man von dieser Farbe noch vereinzelte Reste erkennen kann, die mich an mein Buch erinnern und an den Prunk des Barockzeitalters, der in dieser Gasse immer noch nicht ganz verloren gegangen ist.