Prolog

181 22 6
                                    

Es passierte von einem auf den anderen Tag. Eben war noch alles in Ordnung und dann brach plötzlich mein ganzes Leben in kleine Teile, bevor es sich in Rauch und Asche verwandelte.

Es war ein lauer Spätsommerabend und das Ende meiner Schulzeit. Meine beste Freundin Jade und ich standen vor dem Spiegel in unseren Abschlussballkleidern und machten uns zurecht, während ich durch das geöffnete Fenster immer wieder hinaus auf den behangenen Himmel der Londoner Vorstadt blickte. Hinter den Wattebauschwolken glühte die Sonne für ein paar letzte Momente, bevor auch sie von der lauernden Dunkelheit verschlungen wurde. Ich war mir nicht sicher, was das eigenartige Gefühl in meiner Brust prophezeite. Vielleicht, dass es ein unvergesslicher Abend werden würde. Nur wusste ich nicht, ob im positiven oder negativem Sinne...

,,Los, beeil dich mal ein bisschen. John und Liam werden gleich hier sein.'', hetzte mich Jade, während sie mit gekonnten Handgriffen ihr langes, blondes Haare zu einer Hochsteckfrisur drapierte.

Ich schloss das Fenster, stellte mich dann wieder neben sie vor den Spiegel und begann, meine geschwungenen Wimpern mit etwas Mascara zu betonen. Ich trug sehr selten derart viel Schminke und beäugte mich etwas kritisch. Mit spitzen Fingern zupfte ich an dem engen schwarzen Etuikleid, das meine Mutter mir für den Anlass genäht hatte. Es schmiegte sich an meine Hüften und ließ mich weiblicher aussehen, als ich wirklich war. Ein Gefühl von Unbehagen machte sich in mir breit.

,,Hey, hör auf so blöd zu gucken'' Jade hatte wohl meine Unsicherheit bemerkt und verpasste mir einen Stoß mit ihrer Hüfte. ,,Du siehst unfassbar gut aus, Liebes. Liam wird in Ohnmacht fallen, wenn er dich sieht. Ja, es würde mich nicht wundern, wenn er dir gleich einen Ring an den Finger steckt.''

Ich schnaubte.

,,Als würde Liam sich einen Ring leisten können.'',sagte ich.

Und als würde ich einen Ring von ihm wollen.

Liam war mit seinem besten Kumpel John, dem Freund von Jade, mit mir zur Schule gegangen. Jedoch hatte ich nie je ein Fünkchen Interesse für ihn gehabt, bis Jade mich zu einem Doppeldate zwang. Ich hatte bis dahin noch nie einen Freund gehabt und es war mir auch nicht wichtig. Klar, hatte ich auf ein paar Partys ein oder zwei geküsst und auch zu Verabredungen hatte ich mich hin und wieder überreden lassen. Doch es hatte für mich viel eher gewirkt, als wäre es ein Muss, mit jemandem zusammen zu sein. Einfach, um nicht alleine zu sein. Damit man mit den anderen Mädchen über seinen ach-so-tollen Freund reden kann und um sich zu peinlichen Gruppendates zu treffen. Vielleicht mag es grausam klingen, aber ich war lediglich mit Liam zusammen, um nicht außen vor zu sein. Um zu den anderen zu gehören. Ich war nicht verliebt in ihn, aber ich ekelte mich auch nicht. Liam war groß und gutaussehend, durchaus talentiert, wenn es um Sport ging, aber mehr auch nicht. Manchmal wartete ich auf ein kleines Kribbeln, wenn er seinen Mund auf meinen drückte. Aber da kam nie etwas und irgendwann fand ich mich damit ab. Er war nett, wenn auch nicht die hellste Leuchte, und immerhin gehörte ich dank ihm dazu.

In diesem Moment drängte sich das mehrfache Läuten der Türklingel in meine Gedanken und ich sah auf. Die Augen von Jade blickten mit einem Glänzen in meine und dann begann sie, quietschend vor Freude in die Hände zu klatschen und dabei auf und ab zu springen. Ein letztes Mal richtete sie ihre Haare, strich ihr hautenges, silbernes Glitzerkleid glatt und verschwand dann durch die Tür.

Wieder betrachtete ich mich. Wieder spürte ich diese Unruhe in meiner Brust. War das Aufregung? War das das Gefühl des Aufbruchs in mein Leben? Diese Vorfreunde gemischt mit Angst, das die Teenager aus amerikanischen Filmen immer beschrieben? Oder war das nur die ungute Vorahnung, dass dieser Abend ein absolutes Desaster werden würde?

Die Weltenwandlerin & die Sklaven von LyxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt