5 Morde, 1 Detektiv - Kapitel 2

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Nachdem sich Richard neu bekleidet hatte und nun wie ein echter irischer Gentleman des 19. Jahrhunderts erschien. Komplett mit einer fein gestickten schwarzen Hose, einem einfachen weißen Hemd und schwarzen Jackett, welches er allerdings nicht zugeknöpfte hatte. Zu Prüde für seine Art von Geschmack dachte er, als er sich vor den staubigen Spiegel stellte und beschloss, dass das mittellange und leicht zerzauste kastanienbraune Haar seinem Äußeren auf seine seltsam anmutende Weise stand.

Ihm stand alles, er war Richard Crown. Der bescheidenste Detektiv in ganz Europa.

"Nun kommen Sie endlich. Crown. Oder muss ich Sie noch auf die Pariser Modenschau geleiten?" entgegnete Flanagan süffisant mit genervtem Unterton. Crown hatte Respekt vor dem erfahrenen und auch intelligenten Inspektor, jedoch machte sein unfähiger Verein von Constables dies wieder wett und ließ Flanagan so manches Mal anmuten, als sei dieser ein Dompteur im Zirkus. Keinem ziemlich guten Zirkus, wohlgemerkt. Ein ziemlich schlechter, um ehrlich zu sein.

"Flanagan, auch das Verbrechen hat einen Sinn für Mode. Nun denn, wohlan, der Herr Inspektor!", lautstark schallte Crowns Stimme durch das Apartment, als dieser sich aus seinem Gemach stürzte. "Auf gen Süden, Inspektor. Bewegen Sie sich! Nicht, dass wir Ihretwegen zu spät am Revier ankommen?", bemerkte Crown, als er am Inspektor vorbei und über die alten, aber keineswegs morschen Treppenstufen nach unten tänzelte. Flanagan hatte dafür nur ein Kopfschütteln übrig, als er dem exzentrischen Detektiv nach unten und zur wartenden Kutsche folgte.

Der Inspektor hatte ihn zum Hauptrevier der Dubliner Polizei eingeladen, um sich dort vertrauter mit dem ihm vorliegenden Fall zu machen. Das Revier der hiesigen Polizei war ohne Frage ein imposantes viktorianisches Gebäude, dessen Front gesäumt von türmenden Säulen direkt im Herz Dublins thronte. Dennoch war sich Crown nicht sicher, was der Inspektor ihn bei diesem Maß an Ungründlichkeit noch zu erläutern gab.

Ein kleines Lächeln stahl sich über seine Lippen, als er mit Belustigung daran dachte, wie sehr es dem Inspektor widerstrebte zuzugeben, dass er in diesem brisanten Fall ohne Hilfe nicht weiterkam. Besonders, weil er wusste, dass es absolut keine bessere Alternative gab als den werten Herrn neben ihm; nämlich Crown.

"Sollte ich an ihrer Belustigung teilhaben, Detektiv?" zischte Flanagan leicht genervt und betonte jede Silbe des letzten Wortes mit einer Brise Argwohn. Es schien ganz so, als ob Flanagan haargenau wusste, woran er dachte. "Aber natürlich nicht, Inspektor. Wir wollen Sie doch nicht von diesem überaus wichtigen Fall ablenken", bemerkte Crown mit einer leichten Spur von Sarkasmus. "Ich verstehe." mutmaßte der Inspektor ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

Als die beiden, wie üblich, durch Dublins katastrophales Straßennetz später ankamen, als eigentlich vorgesehen, hatte es der Inspektor umso eiliger in sein Büro zu stürmen, dass im zweiten Stock des modernen Reviers gelegen war. Im ersten Stock standen einige mit Ruß versiffte Arbeiter in einer Warteschlange, wo ein älterer Constable seine Arbeit routiniert verrichtete, die daraus bestand, den Hilfe suchenden ein Blatt in die Hand zu drücken und diese dann wiederum abzustempeln, also Arbeit der nur ein wahrer Meister Herr werden konnte.

Der Fußboden im oberen Stock unterschied sich vom mit Schuh- und Schmutzabdrücken übersäten Tannenholzboden unten. Denn oben wurde der Boden von einem stilsicheren, dunklen Ebenholz bedeckt, welcher sauber versiegelt und poliert war. Man konnte dem Inspektor vorwerfen, was man wollte. Allerdings kann man nicht behaupten er habe einen schlechten Geschmack, was Fußböden anging.

Trotz allem war dies das Einzige, was man dem Inspektor in Sachen Geschmack honorieren konnte, denn wie sonst konnte man sicher erklären, warum er eine solch edel bestickte Polizeiuniform mit einem solch hässlichem dunkelblauen Gewand kombinierte?

Es musste zweifellos ein Geschenk seiner Frau sein, kombinierte Richard. Der Inspektor hielt einige Momente später vor einer dunklen Holztür inne, in der ein undurchsichtig geschliffenes Fenster eingelassen war. "Inspektor Hector Flanagan" lautete der Name, der in schwarzen Lettern das Büro des Inspektors. Es war eine schlichte Tür, nur der Griff war versilbert, als der Inspektor den Schlüssel in das Schloss steckte und die Tür öffnete.

Einige Momente später, als er den Detektiv bat auf einen einfachen Holzstuhl zu setzen, der nebenbei auch noch wirklich sehr unbequem war, kramte Flanagan durch einer seiner Schubladen und legte einen kleinen mit Lederriemen fixierten Stapel Blätter auf den Tisch. Korrekt archiviert wurden die Fallakten erst, nachdem der Fall abgeschlossen war, daher der eher unkonventionelle "Einband" schlussfolgerte Richard. Er streckte bedächtig seine Hand nach dem Stapel aus und blätterte ein wenig darin herum.

"Sieht ja gar nicht gut aus ...", bemerkte er. "Was sieht gar nicht gut aus?" kam es vom Inspektor mit einem interessiertem und fragenden Blick in seinen Augen. "Diese krakelige Handschrift. Absolute Katastrophe. Könnte glatt von einem erblindeten Bauernjungen stammen." kommentierte der Detektiv kalt, wohl wissend, dass dieser Crowns Blick für jegliches Detail und dessen Meinung dazu nicht immer nötig war. Doch jetzt seufzte Flanagan nur genervt und müde. "Könnten Sie wenigstens in diesem Moment nicht den Hofnarren Spielen, Inspektor Clown?", knurrte Flanagan verärgert und fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken.

Er beachtete Flanagan nicht weiter und las stattdessen weiter, wissend das auch der geschätzte Inspektor seine Grenzen hatte. Dennoch unterdrückte der Detektiv ein Grinsen, Inspektor Clown hatte definitiv was.

Circa zehn Minuten später schloss Richard die Akte, die diesen Begriff nur mäßig gerecht ward und legte sie langsam zurück auf Flanagan's unordentlichen, mit Papier übersätem Schreibtisch. "Interessant.", bemerkte er. "Wir wissen also, dass der Täter..." Crown hob seinen Zeigefinger für nachdenklich tippend an den Mund "...immer auf dieselbe Weise zuschlägt. Stich von hinten. Wir wissen überdies auch, dass der Täter immer im Verborgenen agiert, soll heißen: keine Zeugen. Der Tatort ist bei allen Morden unterschiedlich und doch identisch. Es sind kleine Seitenstraßen oder Gassen, kaum benutzt; eine kleine Abkürzung nach dem nächtlichen Pub Besuch."

Er sah den Inspektor wissend an. "Und das wiederum heißt?", er zog das letzte Wort seines Satzes unnötig in die Länge, die linke Hand auf den Inspektor gerichtet. "Sagen Sie schon, Crown...", entgegnete Flanagan sichtlich genervt. "Nun zeigen Sie sich doch nicht so Begriffsstutzig, werter Inspektor.", sagte Richard Crown mit erhellter Miene. "Natürlich heißt es, dass die Opfer vor den Morden beobachtet wurden, Flanagan" lachte Crown etwas exzentrisch. Er war definitiv ein sehr witziger Zeitgenosse, laut eigener Aussage.

Mit ernsterer Miene führte der die Deduktion weiter. "Was uns nun zu zwei Möglichkeiten führt. Entweder, der Täter hat einen Komplizen, oder aber: Er war alleine und lauerte seinen Opfern in einem Versteck oder einer dunklen Nische auf. Aber ziehen wir eine im Moment..."

Crown legte eine besondere Betonung auf im Moment, da jedes zukünftige Indiz die Deduktionskette verändern kann, beziehungsweise wird.
"... eine für mich wahrscheinlichere Methode hinzu, nämlich das der Mörder selbst zusammen mit seinen zukünftigen Opfern in den Pubs sitzt und so tut, als würde er sich nach einem harten Arbeitstag ein kühles Bier gönnen, in Wahrheit aber observiert er das Pub, auf der Suche nach einem neuen Opfer."

Der Inspektor nickte resigniert und unser aller Lieblingsdetektiv konnte nicht ahnen wie richtig und wie gleichzeitig falsch er mit seinen Schlussfolgerungen war...  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 09, 2018 ⏰

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