ozean

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[12.o4.17]
das meer umspült sanft ihre salzverkrusteten knöchel. das wasser ist eiskalt und der wind peitscht ihr unbarmherzig in das farblose, fast weiße gesicht. ihre knotigen haare wehen mit jeder böe des salzigen sturmes umher, durch den regen sind sie nass und klatschen gegen ihre schmalen, knochigen schultern, die nur durch ein schlichtes, lockeres shirt bedeckt sind. schultern, die unter dem gewicht der probleme, die sie seit jahren mit sich herumträgt, längst müde und verspannt sind.
das spiegelbild des vollen mondes glänzt verzerrt auf den scheinbar schwarzen wellen.
sie geht weiter und das eisige wasser sticht ihr wie tausend nadeln in die beine, aber es ist ihr egal, sie spürt nichts mehr außer die leere in ihr, die das gewitter in ihr zurückgelassen hat.
einige schritte später steht sie bis zur brust im wasser, sieht nach oben, schaut den mond an und lächelt selig.
sie fühlt sich allein auf der welt, nur sie, das tobende meer und der himmel über ihr, unter ihm ein sturm, der für sie wie das schönste konzert auf erden wirkt.
sie atmet ein und aus, starrt die wolkendecke über sich an, wird ruhiger. die gänsehaut auf ihren dünnen armen breitet sich weiter in richtung ihres herzens aus, als sie sich rücklings in die fluten fallen lässt, hört, wie die wellen über ihr brechen und schließlich vom meer verschlungen wird.
dumpf, ist das erste wort, das ihr in den kopf kommt, als ihr körper vom ozean unter wasser gedrückt wird. ruhig. einsam. schwerelosigkeit. fliegen. abschied. ende.

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