Zuhause empfing mich eine unangenehme Leere. Die Jacke fand ihren Weg auf den viel zu voll bepackten Kleiderständer und die Schuhe gesellten sich zu ihres Gleichen. In der Küche setzte ich mir Teewasser auf und nahm mir die restlichen Nudeln vom Mittagessen zur Hand. Ich hörte nur den undichten Wasserhahn tropfen. Kein einziges Stimmchen war wahrnehmbar. Es lief keine Musik und es war ungemütlich ordentlich. Seufzend ließ ich die Gabel im Nudelgewirr liegen und griff nach dem eingerahmten Bild von Florian und mir. Wie Ich ihn vermisste... Meinen Mitbewohner und besten Freund. Ohne ihn war es so anders, ich fühlte mich so allein. Ich seufzte. Warum ausgerechnet Spanien? Warum ausgerechnet Mallorca? Hätte er nicht irgendetwas in Deutschland auswählen können? Wütend und traurig ließ ich das Bild wieder auf den Tisch und aß meine Nudeln weiter. Zwar waren sie kalt, aber sie schmeckten. Vielleicht auch weil er sie zubereitet hatte.
Nachdem es zweimal stürmisch geklingelt hatte öffnete ich mürrisch die Tür. Ich hatte mich gerade in das Thema eingearbeitet. „Mach dich schick und komm mit!", Kai stand in Anzug vor mir und grinste mich an. „Was?", perplex erwiderte ich seinen Blick. „Ganz spontane Sache, ich weiß. Aber ich brauche dich dabei, als gute Freundin, als Unterstützung!", „Kai.. ich muss noch was fertig machen für die Arbeit.", ich strich mir müde durch die Haare. „Und mir ist nicht nach feiern..", „Es ist auch kein richtiges feiern.. also schon... nur eben nicht so wie du jetzt vielleicht denkst", stammelte er aufgeregt. „Komm bitte, Helene! Es ist mir unglaublich wichtig, dich dabei zu haben...", flehend sah er mich an. „Puh.. Kai ich weiß nicht...", druckste ich rum. Doch als mir klar wurde, dass er nicht locker lassen würde seufzte ich schlussendlich und sagte zu. „Okay. Ich komme mit. Aber ich geh dann auch ganz bald wieder nach Haus, dass das klar ist!", „Verstanden! Danke!", glücklich hob er mich hoch, was mich komplett überraschte. „Dann lass mich eben schnell was anziehen..", „Ja.. ja klar.", grinste er und setzte mich wieder auf den Boden ab. Ich gab ihm das Zeichen kurz zu warten, dann verschwand ich in meinem Zimmer und kurz darauf im Bad.
„Wooow!", pfiff Kai anerkennend durch die Zähne als er mich sah. „Also wenn ich nicht schon glücklich vergeben wäre... puh.. dann würde ich mir das mit den Frauen nochmal überlegen.", ich verdrehte lachend die Augen. „Du scheinst auch echt gut zu wissen, wie man angemessene Komplimente macht.", „So wahr ich Kai Ehlers heiße.", grinsend verbeugte er sich. „Du Verrückter..", murmelte ich nur, nahm mir meinen Wollmantel und meine Handtasche und verließ dann auf Absatzschuhen meine Wohnung. Wir liefen die Treppe herunter und verließen das etwas in die Jahre gekommene Haus. „Meine Limousine steht gleich dort vorne.", Kai deutete zu seiner alten, roten Rostkarre, welche früher wohl eine VW Ente gewesen war. „Nobel, wie immer.", schmunzelte ich und öffnete die Beifahrertür. Sofort würde ich mit einem unangenehmen Quietschen begrüßt. „Sie mag dich." grinste er. „Sie kann eher eine komplett Überholung gebrauchen." zwinkerte ich zurück und schloss die Tür. „Also, wohin entführst du mich?", „Wirst du schon sehen.", schmunzelnd fuhr er los. Seufzend lehnte ich mich ins alte Leder zurück und betätigte den CD-Player. Es dauerte einige Sekunden bevor ich abrupt die Musik leise drehte. „Ist das dein Ernst?", ich sah ihn an. „Was meinst du?", „Du hörst meine Musik, meine CD?", „Ähm.. ja?", ich atmete hörbar aus. „Warum?", „Ich finds gut.", „Gut? Das einzige was mir gesagt wurde war, dass jeder so ein Klingbims spielen kann.", ich drehte den Lautstärkeregler wieder etwas auf. Es erklang das sanfte Playback von 'Falling slowly' und gleich dazu meine Stimme. Obwohl ich in ersten Moment verwundert darüber war, freute ich mich jetzt umso mehr. Jemand hatte gefallen an meiner Musik. Auch wenn sich auf der CD nur Coversongs befanden. Vielleicht hörte er die CD auch nur, weil ich eine gute Freundin von ihm war.. aber immerhin, er hörte sie. „Findest du das nicht merkwürdig?", „Was genau?", fragend blickte ich zu ihm. „Na.. dass du deine eigene Musik hörst.", „Achso.. doch.. eigentlich irgendwie schon..", verlegen grinste ich und stoppte das Lied. „Hast du noch ne andere CD?", „Lohnt sich nicht, sind gleich da.", zwinkernd bog er in eine Seitenstraße ein. Vor uns erhob sich ein hell beleuchtetes Gebäude. „Wow...".
„Du kannst den Mund wieder schließen..", grinste Kai und stupste mich an. „Ja.. jaja.. nur... das, es ist so... schön.", stotterte ich und blickte auf das Chalet. Es sah so gar nicht mach dem ländlichen Haustyp aus, sondern schon eher wie ein kleines Schlösschen und es war zu einem edlen Restaurant umgebaut. Ich stieg aus, richtete mir mein Kleid und meinen Mantel zurecht und sah dann zu Kai. „Was hast du vor?", fragte ich ihn. „Okay. Jetzt kann ich es dir sagen.", aufgeregt sah er mich an. „Ich mache es.", „Was machst du?", halte ich verwirrt nach. „Ich mache heute den Heiratsantrag.", meine Kinnlade fiel herunter und im ersten Moment starrte ich meinen besten Freund nur an. Dann entfuhr mir ein glücklicher Freudenschrei und ich fiel ihm um den Hals. „Ist das schön!". „Und du, als meine beste Freundin sollst dabei sein.", ich nickte aufgeregt. „Ich bin sehr, sehr gerne dabei.", dankend gab ich ihm einen Kuss auf die Wange. „Und jetzt lass uns rein, die anderen warten.", ich nickte und folgte ihm. Das Chalet war gut gefüllt, doch Kai lief durch den großen Saal hindurch und öffnete eine kleine Nebentür. „Damit wir es ein bisschen harmonischer haben.", grinste er und schloss die Tür hinter mir. Vor der nächsten blieb er stehen. „Helene, ich bin so aufgeregt!", „Du machst das!", aufmunternd drückte ich ihn noch einmal. Lächelnd nickte er und zog ein kleines Kästchen aus seiner Jacketttasche. „Ist der schön?", ich blickte auf einen schmalen silbernen Ring mit einem eingravierten Diamanten. „Total schön...", murmelte ich und betrachtete den Verlobungsring. „Gut...", er steckte das Samtkästchen wieder zurück und öffnete nach einem tiefen Atmer die Tür.
