1. Der Brief des Königshauses

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Es war ein ganz normaler Tag, wie jeder andere Tag auch. Wie gewohnt regnete es in Likely und die Straßen waren leergefegt. Keine 3 oder 4 befand sich noch auf den Straßen. Nur ein paar ärmliche Gestalten kämpften sich durch den Regen, ich war eine von ihnen. Meine sonst so widerspenstigen Haare klebten nun glatt und nass an meinem Gesicht und meine Kleidung schmiegte sich klebrig an meine blasse Haut. Niemand, der dauerhaft hier lebte, hatte gebräunte Haut. Sonne war hier eine Ausnahme, genauso wie es Freude hier war. Kinderlachen war ein Fremdwort für die Straßen und Gassen von Likely. Und doch trieb es mich durch den Regen, der meine verstaubte und rußige Kleidung säuberte. Die ersten Geschäfte drehten ihre Schilder auf "Geöffnet", wohlwissend, dass heute kein guter Tag war, dass sie heute nicht viel verdienen würden. Ich lief weiter auf dem nassen Kopfsteinpflaster in dem sich kleine Regenflüsse gebildet hatten. Mein Weg führte mich geradewegs zu einer übermächtigen Fabrik. Wie ein großes, schwarzes Ungetüm stand sie da und fügte sich perfekt in das triste Bild von Likely.
Ich hob meine Hand grüßend dem Pförtner zu und er ließ mich passieren. Innen angekommen trat ich zur Seite und wrang meine Kleidung aus. Rasch begann sich eine kleine Pfütze zu bilden, doch ich wusste, sie würde innerhalb kürzester Zeit durch die hohe Temperatur verschwinden.
Mit einem leisen Seufzer nahm ich mir ein paar Handschuhe und stellte mich in die Schlange. Ich war wie fast jeden Morgen 20 Minuten zu früh da, das war die einzige Möglichkeit um noch Handschuhe zu erhaschen. Langsam bewegte sich die Schlange vor mir und sie begann hinter mir zu wachsen. Mit einem kleinen Lächeln verabschiedete ich die Nachtschichtarbeiter, welche rechts an mir aus der Fabrik strömten. Meinem Freund Samuel signalisierte ich, dass es immer noch regnete. Er verstand meinen Wink und verließ die Fabrik nachdem er seinen spärlichen Lohn kassiert hatte. Samuel war eine 7 und arbeitete immer an Wochenenden zusätzlich hier. Sonst verdiente er sein Geld als Gärtner.
Nach ein paar weiteren Schritten bekam ich von Mathilda, der Fabriksmitarbeiterzuständigen, meinen Stempel und den Arbeitsplatz zugeteilt.
Heute drückte Mathilda ein Auge zu und schickte mich anstatt zum Bleichen zum Schneiden. Ich glaube, sie hatte meinen Hustenanfall gestern mitgekriegt.
Ich dankte ihr, begab mich an meinen Platz und fing an die Kleidung Stück für Stück zu bearbeiten.
In regelmäßigen Intervallen wurde ich von Hustenanfällen unterbrochen. Ich machte weiter bis zur Pause, diese bestand aus einer kleinen Flasche Wasser. Danach machte ich mich wieder an die Arbeit. Die letzten fünf Minuten verbrachte ich mit dem Aufräumen. Den Verschnitt packte ich mir in meine Tasche, da meine Hose bald wieder geflickt werden musste.
Dann machte ich mich auf dem Weg nach draußen und holte dabei meinen Lohn ab. Es war nicht viel, aber als 8 konnte ich mich glücklich schätzen hier arbeiten zu dürfen, eigentlich war das nur Arbeit für 6er und 7er.
Wie immer zupfte ich mir die Handschuhe von den Fingern und legte sie in eines der Fächer.
Danach trat ich wieder aus der Fabrik und wie erwartet hatte sich nichts am Wetter geändert trotz zehn ganzen Stunden schuften.
Eilig trat ich meinen Rückweg an und blieb nur kurz vor einem Café stehen. Im Schaufenster standen bunte Törtchen und innen unterhielten sich feine Damen bei heißem Kaffee und Tee. Sehnsüchtig zählte ich meinen Lohn ab. Würde ich mir eine Tasse leisten können?
Der Regen plätscherte weiter auf mein Haupt und während ich abzählte, wie viel das Holz für das Loch im Haus kosten würde, zeigten zwei herausgeputzte Mädchen auf mich und fingen an herzlich zu lachen. Es waren vermutlich 3er. In meinem Kopf sagte ich mir, dass ich nur deswegen ging, aber eigentlich war nur das Geld zu knapp. Ich hatte vor langer Zeit aufgehört mir Sorgen um mein Erscheinungsbild zu machen. Es war mir egal, was man von mir hielt. Ich war eine Acht, ein Schandfleck der Gesellschaft. Kein Lächeln der Welt würde mir aus dieser Situation heraushelfen. Nur die Kaste zählte und ich war nunmal in der niedrigsten.
Ich dachte wieder an die Törtchen und warmen Getränke, an die weiche und elegante Kleidung. Kleidung, die keinen expliziten Zweck hatte, sondern einfach nur Schmuck war. Dachte an die zierlichen Finger ohne Schwielen, die nie gearbeitet hatten und an die seidigen, schimmernden Haare. Mindestens fünf Kasten trennten mich vor diesem Glück.
Schweigend setzte ich meinen Weg fort bis hin zu einer kleinen kaputten Hütte, meiner kleinen kaputten Hütte. Drinnen angekommen hing ich meinen nassen, dünnen Mantel an einen Haken. Ich schälte mich anschließend aus der eingeweichten restlichen Kleidung und wickelte mich in eine löchrige Decke. Mit zittrigen Händen stapelte ich ein paar Holzscheite und entzündete sie.  Nun zog ich mir neue Klamotten an und wechselte den Eimer, der das Wasser, welches durch das Loch hindurchströmte, auffing. Anschließend hielt ich meine Hände wieder über das lodernde Feuer.
Bald würde der Winter kommen und ich kann nur hoffen, dass bis dahin das Loch gedeckt ist. Gegen Abend klopfte es an der Tür und diese flog danach auch mit einem lauten Knarzen auf.
"Sam", stellte ich knapp fest. Seltsam, normalerweise kam er nur einmal in der Woche.
"Asher", erwiderte er und fügte theatralisch hinzu: "Freust du dich denn gar nicht über deinen Besuch?!"
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen nickte ich nur und klopfte auf den Boden neben mir. Er verstand es und setzte sich sofort.
"Ich habe von deinem Anfall gehört und wollte-", begann Samuel zu erzählen, doch ich unterbrach ihn:
"Es geht mir gut, wirklich. Mathilda hatte mich für heute versetzt. Mach dir lieber Sorgen um dich und deine Brüder."
"Asher", sagte er sanft und ich strafte ihm nur mit einem Blick, der klar und deutlich zeigte, dass ich nicht darüber reden wollte.
Von neuem begann er zu reden, aber unerwarteter Weise beharrte er nicht auf dem vorherigem Thema wie sonst, sondern brachte etwas ganz neues hervor: "Ein Brief vom Königshaus. Er lag vor deiner Tür."

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Herzlich willkommen <3!
Ich hoffe euch gefällt meine Geschichte.
Sagt mir doch einfach, was ihr denkt.
Wenn ihr einen Rechtschreibfehler findet, dann sagt mir bitte bescheid, damit ich ihn verbessern kann.

Eure Yllvie ; )

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