Ich ging zu Ihr, um mich lange mit Ihr zu unterhalten. Es war schon einige Zeit her, dass wir uns zuletzt gesehen und gesprochen hatten, doch tatsächlich kam es mir sogar wie eine Ewigkeit vor.
Als wir dann also lange und ausgiebig miteinander geredet, uns zum Abschied umarmt hatten und Sie die Welt in mir gänzlich aus den Fugen gerissen und umgeworfen hatte, ohne dafür absichtlich Gewalt sondern nur unabsichtliche Gefühlsregungen verwendet zu haben, ging ich nach Hause, wobei ich nicht sicher sein konnte, ob ich tatsächlich noch ein solches 'zu Hause' hatte, sicher keines mehr, wie Sie es mir gewesen war.
Wie ich also nun die dunkle Straße entlangschritt, da wurde mir kalt. Das war nichts ungewöhnliches im Winter, ja, es lag sogar in der Natur der Sache. Im Winter wird einem immer kalt, deswegen heißt es ja auch Winter, dachte ich, während ich über den harten Schnee ging, der unter den Sohlen meiner Stiefel knirschte. Überall sonst schien der Schnee weich und schön zu sein, so wie er da lag und das Licht der Straßenlaternen in alle Richtungen reflektierte; doch unter meinen Füßen verlor er jede Schönheit und jeden Glanz und knirschte nur.
Ich war schon fast an der Tür meiner Wohnung, als mir auffiel, dass ich etwas verloren hatte, etwas, das von so großer Wichtigkeit für mich war, dass ich mich auf der Stelle umwandte und zu suchen begann.
Es hatte mittlerweile zu schneien angefangen, dicke Flocken schwebten vom Himmel hinab, einem Himmel, der seltsam klar war und in dem eine Vielzahl von Sternen einsam und kalt leuchtete. Ich wandte meinen Kopf stetig hin und her, doch vermochte ich nicht zu finden, was ich suchte, nahm mir doch auch der Schneefall mehr und mehr die Sicht. So sah ich blad gar nichts mehr, da ich aber meine Suche nicht aufgeben wollte, tastete ich mit meinen Händen über den schneebedeckten Boden.
Handschuhe hatte ich keine, der Weg, den ich gegangen war und jetzt erneut ging, war eigentlich sehr kurz und ich war mir sicher, für diesen kurzen Weg weder Handschuhe, noch einen Schal oder eine Mütze zu benötigen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich gänzlich unpassend gekleidet für diese kalte Jahreszeit war; selbst meine Schuhe, die ich zuvor für Stiefel gehalten hatte, waren keine. Meine eigentlichen Schuhe waren so dünn, dass es mir vorkam, als würde ich barfuß durch den Schnee laufen. War mir vorher nur kalt gewesen, so fror ich jetzt entsetzlich. Meine Hände gruben derweilen zitternd ohne Unterlass immer tiefer in den harten Schnee.
Am Anfang schmerzte es noch, ich grub weiter und irgendwann hörte der Schmerz auf, dann, als meine Finger nicht einmal mehr blau waren, sondern weiß, weiß wie der Schnee, der kalte Schnee, in den sie gruben. Weiß, wie die weißen Tasten des Klaviers, die diese beiden Hände sonst voller Eifer spielten, weiß wie die Blätter Papier, die sie sonst beschreiben; doch jetzt konnten sie gewiss nichts davon, zu starr und zur Unbeweglichkeit hin gefroren, waren sie mir nichts als Schaufeln, die kaum noch etwas nützten.
Das, was ich suchte, hatte ich noch immer nicht gefunden; war ich doch schon einen großen Teil des Weges zurückgegangen und erfolglos dabei geblieben. Ich kam jedoch nur noch schwer voran, war doch die Schneedecke für meine Hände zu starr und unüberwindlich geworden und mein Körper schwach, fast schon dem Erfrieren nahe.
Da bekam ich es mit der Angst und rannte; rannte durch die Wand aus Schnee und Eis, die mir entgegenwehte; rannte, ohne mich umzusehen nach dem was ich suchte, würde ich es in dieser Verfassung doch sowieso nicht finden; rannte, zumindest glücklich darüber, dass meine Beine mich noch trugen, wusste ich auch nicht, wie lange noch; stoppte, als eine vertraute Stimme meinen Namen rief.
Ich blickte mich um und sah Sie. Sie, wie Sie vor stand, nur in ihrem grünen Kleid und zu mir herüber sehend, während mir einfiel, Sie erst kürzlich noch besucht zu haben. "Was tust du denn noch hier? Wolltest du nicht schon vor Stunden gehen?", fragte sie, mehr verwirrt als vorwurfsvoll. "Ich suche etwas und kann es nicht finden.", sagte ich. "Warum rennst du dann, ohne dich umzusehen?", fragte sie noch verwunderter.
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Es war Winter
Short StoryEine Kurzgeschichte über wahre Liebe, Gefühle, Schmerz und Kälte.