Rollenspiele

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Wie ich es immer wieder hinbekomme, dass mein Leben in einem einzigen Kuddelmuddel aus Drama und Chaos endet? Ja, das frage ich mich auch immer wieder... Wobei ich die Hoffnung auf eine Antwort schon längst aufgegeben habe.

Das Fiese an dem Ganzen ist auch, dass sich diese obszönen Szenarien immer ganz heimlich von hinten anschleichen, bevor sie dann ihre glitschigen Tentakel um deinen Hals schlingen und dich gnadenlos ins Verderben reißen.

Aber um meine jetzige Situation kurz zu beschreiben:

Vor mir steht ein Mann, knappe 1,90m groß und blinzelt mich komplett verwirrt, mit seinen wunderschönen, grünen Augen, durch eine braunen Locke, welche ihm die freie Sicht raubt, an. Der Schock steht ihm quasi ins Gesicht geschrieben. Wobei der Ausdruck auf meiner Visage, dem Seinen nicht viel unterscheiden kann.

„Was machst du denn hier?" frage ich und breche damit das ewige Schweigen.

„Das Selbe könnte ich dich fragen." lautet seine nicht sehr einfallsreiche Antwort.

Wieder starren wir uns nur an. Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen, ehe ich meine: „Ja, aber ich hab zuerst gefragt."

Kurz sieht man ein leichtes Lächeln über seine Lippen huschen. Er fand es schon immer sehr amüsant, wie kindisch ich mich manchmal verhalte.

Aber nur weil ich Volljährig bin, heißt das noch lang nicht, dass ich mich auch Erwachsen benehme.

Wie sagt man doch so schön? Man wird älter und das Spielzeug wird teurer, aber im Inneren sind wir doch alle nur Kinder.


„Naja, ich arbeite hier. Ich habe dir doch erzählt, dass ich der Leiter der Kunstabteilung und somit für die Auszubildenden zustän-"

Weiter kann ich nicht zuhören. Es scheint als wurden meine Gehörgänge auf einmal mit Watte ausgestopft. Wie in den ganzen Filmen, nehme ich meine Umgebung nur noch durch Wolken wahr. Ich muss mich grade verhört haben... Sowas kann auch echt nur mir passieren...

„Bist du Herr Schlong?" Frage ich, mitten in seinen Satz hinein.

Irritiert schaut er mich an, ehe er fragt: „Ja, wie kommst du darauf?"

Mit einer Hand vor den Augen und der anderen auf dem rasenden Herz meine ich nur kleinlaut: „Erstens steht dass auf deinem Namensschild, auf deiner Brust und zweitens bin ich anscheinend eine ihrer Auszubildenden..."

Kurze Zeit herrscht nur Stille, sehr unangenehme Stille. Als ich dann meine Hand von den Augen nehme und mit dem Schlimmsten rechne, fängt mein Gegenüber nur schallend an zu Lachen.


Und wieso das Ganze so schlimm ist, erkläre ich jetzt:


Alles fing an einem Freitagabend an.

Rory,meine beste Freundin, und ich verabredeten uns, um mal wieder etwas trinken zu gehen. Also traf man sich Abends und verirrte sich in der nächsten Bar. Wir saßen an einem kleinen Tisch, direkt am Fenster und hatten schon den ein oder anderen Drink, als mir auf einmal eine grandiose Idee kam.

Naja, jedenfalls schien sie mir für den Moment grandios...

Direkt teilte Ich diesen Gedankengang meiner besseren Hälfte mit, welche ebenso begeistert war.

Also fackelte ich nicht lange und tat was wir gerade ausgeheckt hatten.

Ich stand also etwas wackelig auf, es war scheinbar doch schon etwas mehr Alkohol im Spiel als ich ursprünglich dachte, und watschelte durch die Bar, auf der Suche nach einen Mann, der nicht von einer Horde Mädels umringt stand, oder am Besten ganz alleine war.



Ohne meinen Einfall zu kennen, hört sich das wahrscheinlich gerade nur minimal gruselig an, aber glaubt mir, ich hatte nicht vor jemanden heute Nacht zu verschleppen - Das war der Plan für Morgen.

Meinen Drink fest umklammert, ließ ich meinen, schon schweren Blick durch den Raum wandern, als mir auch schon ein männliches Wesen ins Auge viel.

Es saß ganz alleine, an einem kleinen Ecktisch und nippte an einem Getränk, welches ich als Tequila Sunrise erkannte, da ich selbigen in den Händen hielt.

Kurz ließ ich meinen Blick noch einmal zu Rory wandern, um ihr zu signalisieren, dass ich ein Opfer gefunden hatte. Dann fixierte ich dieses mit meinem Blick und ging in zielstrebigen Schritten auf ihn zu. Schon von weitem bemerkt er mich und lächelte mir entgegen.

Leichte Verzweiflung breitete sich in meinem Magen aus, oder mir wurde nur übel vom Alkohol. Zu dem Zeitpunkt konnte ich das nicht mehr ganz unterscheiden...

Auf was hatte ich mich da bloß eingelassen, dachte ich mir, ehe ich auch schon an seinem Tisch ankam.

Frech grinsend hielt ich ihm mein Getränk entgegen und brachte tatsächlich ohne stottern den gewünschten Satz über die Lippen: „Hey Schatz, kannst du mal meinen Drink halten...Ah warte du bist noch gar nicht mein Freund"

Und ehe ich mich für diese dämliche Aktion entschuldigen konnte, verfiel mein Gegenüber in das herzlichste Lachen, welches ich je gehört hatte. Ich wollte schon beschämt wieder zu Rory abziehen, um mir diese hirnverbrannte Aktion ins Vergessen zu trinken, als der junge Herr auf einmal neben sich auf die Bank klopfte und immer noch lachend meinte: „Du bist süß. Bleib doch noch ein wenig, damit ich deinen Drink halten kann. Du scheinst nicht mehr ganz in der Lage dazu zu sein"

Er deutete auf eine kleine Pfütze, die sich auf dem Tisch, unterhalb meines Glases, gebildet hatte. Rot anlaufend nahm ich seine Einladung an und ließ mich auf das knarzende Leder sinken. Mit einer Serviette, die auf dem Tisch lag, versuchte ich den Tisch zu reinigen, aber das dunkelblaue Tuch war schon von seinem eigenen Drink so durchweicht, dass es kaum noch mehr Flüssigkeit aufnehmen konnte.

Den weiteren Verlauf des Abends werde ich jetzt nicht weiterhin so detailliert schildern. Im Endeffekt habe ich ihn nur noch mit zu Rory und mir an den Tisch geholt, wir haben uns ein wenig unterhalten und ich bin letztendlich mit ihm nach Hause.


Jajaa, die kleine, unschuldige Navi geht mit fremden Männern nach Hause, welche sie dumm angemacht hat... Was ist nur aus dieser Welt geworden?





Und mittlerweile kann ich meinen Kindern stolz erzählen, dass sich ihre Eltern nur kennen und lieben gelernt haben, weil ich ihn mit einem dämlichen Anmachspruch aufgerissen habe. Naja gut, das nicht. Aber ich kann stolz behaupten, dass ich das beste Geschenk für unser bevorstehendes Halb-Jahres-Jubiläum habe.

Und jetzt stehe ich hier, an meinem erste Ausbildungstag, an einer Kunstakademie in einer ganz anderen Stadt und es stellt sich doch tatsächlich heraus, dass mein Freund ab sofort mein Chef sein wird.

Was sagt man dazu... Außer:

Ich fand Rollenspiele schon immer sehr interessant ;)

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