Bäume und Felder streifen vorbei, verschwimmen. Eine Masse aus den tief grünen Blättern, die sich an den Rändern schon leicht braun färben, dann das zwischendurch aufblitzende hellbraun von reifen Getreide fertig zur Ernte.
Stunden sind sie schon unterwegs, noch länger werden sie den endlosen Straßen folgen. Unfähig selbst zu bestimmen, ist es doch keiner von ihnen, der hinter dem Steuer sitzt. Natürlich, die Ziele sind vorgegeben. Doch was könnten sie schon tun, wenn der Fahrer sich um entscheidet.
Protest, Eskalation. Wohl kaum. Aber wer wäre auch der Fahrer nicht seinen Vorgaben zu folgen. Dafür wird er bezahlt, also befolgt er sie. Verstörend, wie wir alles vom Geld abhängig machen. Eine erfundene Währung, in dieser Form vor 20 Jahren noch ohne Wert und heute hochangesehenes Symbol im weltweiten Handel. Scheinbar für die Ewigkeit geschaffen, zum Scheitern verurteilt wie alles andere.
Grauer Asphalt, weiße Linien. Von ihnen lassen wir uns sagen wo wir uns zu bewegen haben. Blaue Schilder, manchmal auch weiß, gelb oder in Ausnahmen eine Anzeigetafel. Sie sagen wie wir uns zu bewegen haben. Blind akzeptieren wir sie, diese Regeln. Und wenn das kleine Mädchen, vorne in der dritten Reihe am Fenster, seine Mutter fragt "Wieso ist das so Mama?", bekommt es nur die Antwort "Weil es so ist". Und so lernt auch die nächste Generation alles hinzunehmen. Daran ändern könnte man ja ohnehin nichts. So war es, so wird es bleiben.
Auf der gegenüberliegenden Fahrbahn rasen die Autos vorbei. Ein blauer LKW mit silbernem Plananhänger. Ein roter PKW mit weißen Flecken auf dem Dach. Doch sie selbst kommen nur langsam voran. Selbst zu Fuß wären sie in diesem Moment wohl schneller. Neben ihnen fährt ein grauer Wagen. Typische Familienkutsche. Stau hat sich hier keiner gewünscht.
Was ist der Grund? Eine Baustelle nimmt man an. Nein, dafür hätte es Schilder gegeben. Vielleicht ein liegengebliebenes Auto mit Motorschaden. Wieso ausgerechnet dann, wenn sie hier fahren wollen.
Halbe Stunde. Dann können sie es sehen. Die Mutter hält ihrer Tochter die Augen zu, starrt selbst hin. So wie alle Anderen, angezogen von der Faszination, die in jeder Tragödie liegt.
Keine Baustelle, kein liegengebliebenes Auto. Nun bekommen die, die kurz zuvor noch geflucht haben, ein schlechtes Gewissen. Ihr Gejammer, nicht mehr pünktlich an ihrem Ziel anzukommen, erscheint ihnen plötzlich so nebensächlich. Unwichtig. Als hätte es jeden Wert verloren.
Bei dem Anblick, der sich ihnen bietet, ist das auch kaum verwunderlich. Ein Unfall hatte denn Stau verursacht. Zwei Autos stehen dort, quer über die Fahrbahn. Um sie herum Einzelteile. Frontal sind sie ineinander gekracht. Einer der Fahrer muss eine falsche Auffahrt genommen haben. Es ist keine Stunde her, dass im Radio von einem Geisterfahrer berichtet wurde. Das wird er wohl sein.
Die Autos sind als solche kaum noch erkennbar. Vorne komplett zusammengedrückt, die Feuerwehr hat die Wracks gelöscht, bevor es zu einer Explosion kommen konnte. Nun bergen sie die Insassen - oder eher das, was von ihnen übrig ist.
Manch einer im Bus verflucht den Geisterfahrer. Wie dämlich ein Mensch sein muss so etwas geschehen zu lassen. Andere geben dem Fahrer des anderen Fahrzeugs die Schuld. Er hätte jederzeit damit rechnen müssen. Der Rest spaltete sich in die, die Mitleid mit den Betroffenen hatten, und die, denen all dies völlig egal war.
So oder so war jeder von ihnen froh den Stau hinter sich zu lassen und als die Fahrbahn sich wieder klärte, hatten sie den Unfall schon beinahe vergessen. Stattdessen schwirrte ihnen, sobald sie ihr Ziel erreichten, nur ein Satz durch den Kopf:
Ach, das Leben ist schön.
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Ausflug
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