Der Bär und sein Dompteur

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Ein Mann hatte einen großen, schönen wilden Bären. Der Mann liebte den Bären und er liebte es, dass er den Bären besaß, der zu so vielen Kunststücken fähig war, von den Zuschauern bewundert und gefeiert wurde, manchmal jedoch auch verlacht und ausgepfiffen, doch letzteres bemerkte der Mann gar nicht.

„ Tanz, mein Bär", und das Tier drehte sich, warf die Tatzen vor, warf die Tatzen zurück, hielt die Schnauz gegen Himmel, senkte die Schnauze zur Erde.

Der Bär sprang und wilder wurde die Musik, die Flöten pfiffen und der Bär lachte, der Zirkus brüllte und der Bär lachte.

Wenn sich des Abends die Sonne nieder senkte, waren sie müde, der Bär und sein Dompteur. Sie verkrochen sich in ihr Zelt und aßen, doch sie genossen ihr Essen nicht, sie aßen ja nur um sich für den nächsten Tag wieder fit zu machen.

Wie gerne hätte der Bär Honig geleckt, aber er bekam nur selten Honig, nur immer Fleisch und Milch und ein wenig Obst und Gemüse, weil dies gesünder und besser für das Tier ist. Oft schaute der Bär den Mann traurig an, senkte die Schnauze und blinzelte - doch der Mann hat diese Blicke gar nicht gerne, er sagte: „Willst Du wieder schlecken, dummes Tier. Du verstehst das nicht."

Eines Tages nahm der Bär die rauchende Tabakspfeife des Mannes, die dieser für einen Moment abgestellt hatte, und wollte rauchen, da schlug ihn der Mann ohne ein Wort zu sagen.

Immer neue Kunststücke mußte das Tier lernen, springen, wie ein Schnellgeher gehen, sich so benehmen, wie sich ein österreichischer Nationalheld, meist ein Schi-Renn - (Riesentor)-läufer benimmt, wenn er nur der 2. oder 3. Platz erreicht, der Bär mußte lernen, das Rad zu schlagen und Mountain-Bike-Fahren, er mußte springen, Schispringen sogar, für Stunden ruhig sitzen und dann Marathonlaufen, träumen und im Traum sprechen, auf Händen gehen - der Mann ließ ihm keine Ruhe, er sagte immer wieder: „Du kann noch zu wenig, wir sind noch lange nicht am Ziel".

So trainierten sie jeden Tag zur festgesetzten Zeit, manchmal auch des Sonntags, wo der Bär doch so gerne spazieren gegangen wäre und sein Fell in der Sonne mit Wärme vollgepumpt hätte. Doch spazieren gehen durfte er nicht, er durfte nur spazieren laufen. Sie hatten einen sehr strengen Trainingsplan, den ein Trainer, der aussah wie ein gewisser Thoma Prinzhorn ausgearbeitet hatte.

Oft mußte der Bär an die Zeit zurückdenken, wo er noch im Wald gelebt hatte, die Zeit vor seiner Gefangenschaft, er dachte an die dicken Bäume, an die Sonne, die wilden Rosen, den Farn, die grünen Blätter, an die Dornen und die Dunkelheit.

Doch hat es diese Welt überhaupt gegeben, hat er vielleicht während des Traum-Trainings nur von ihr geträumt, oder hatte ihm irgend ein anderes Tier im Zirkus eingeredet, dass er diese Zeit einmal erlebt hatte ?

So tanzte er zu einer Musik, die ihm nicht gefiel, verneigte sich vor einem Publikum, das ihm gleichgültig war.


Es kam der Tag, wo er fliehen wollte. Sehr zeitig am Morgen, als der Herr noch schlief, schlich er aus dem Zelt und lief vom Zirkus weg.

Er sah, wie die Sonne aufging. Sei Herz war von Glück erfüllt, als er am Boden lag, zum Himmel schaute und über einem Hügel die Sonne heraufkommen sah. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals einen Sonnenaufgang wirklich aufmerksam wahrgenommen hatte. Zu dieser Zeit mußte er bei seinem Herrn entweder noch schlafen oder schon trainieren. Der Herr bestimmte seine Zeit, oft ließ er ihm kaum Zeit zum Schlafen, auch wenn er der Erschöpfung nahe war, dann wieder befahl er ihm, dass er nun müde sein und darum so gleich und sehr lange schlafen müsse.

Die aufgehende Sonne war so schön !

Voller Hass suchten die Menschen nach dem entflohenen Bären.

„Wilder Bär entlaufen, besonders gefährlich. Ist bewaffnet mit Krallen, Zähnen und einer Schlagkraft von ............. . 169 cm groß, braunes Fell. Sieht aus wie ein Braunbär.

Besondere Kennzeichen: abgerissenen Kette. Zu melden bei der nächsten Polizeidienststelle oder dem nächsten Gendarmerieposten"

Der Mann, dem der Bär gehörte, war verzweifelt. Jetzt spürte er, dass er ohne den Bären sehr einsam war und dass er sich ohne seinen Bären außerdem seinen Lebensunterhalt nicht verdienen konnte. Gewissensbisse plagten ihn: Warum ist mein Bär fortgelaufen, ich habe ihn doch gut behandelt, nur selten geschlagen und das auch nur, wenn er es sich wirklich verdient hat. Er hat beim mir alles gehabt, gesundes Essen, ich habe ihm ein vitamin- und spurenelementreiche Mischkost gegeben, ich habe ihn vernünftig geführt, vor allem Gefahren geschützt. Ich habe mit ihm ein erstklassiges Trainingsprogramm ausgeführt und ihn zu einem wahren Künstler ausgebildet.

Vielleicht habe ich ihn manchmal zu streng gehalten. Er wollte vielleicht manchmal in den Wald zu seinen Bären-Geschwistern gehen oder in der Sonne liegen. Vielleicht hätte ich es ihm hin und wieder erlauben sollen. Doch nein, in der Sonne liegen ist nicht gut für die Lungen und seine Artgenossen verderben ihn nur, da verlernt er die Kunststücke, die er sich mit so großer Mühe erworben hat. Er soll doch keinen schlechten Charakter bekommen !

Auf einer Böschung im Gras liegt der Bär und schaut mit geschlossenen Augen zur Sonne. Er denkt an seinen Herrn: Wird er weinen, mein guter Herr, weil ich weggelaufen bin? Wird er mich suchen? Ja, er wird im Kreis laufen und sich auf die Stirn schlagen, der arme alte Mann !

„ Tanz, mein Bär", und das Tier dreht sich, wirft die Tatzen vor, wirft die Tatzen zurück, hält die Schnauz gegen Himmel, senkt die Schnauze zur Erde.

Der Bär springt und wilder wird die Musik, die Flöten pfeifen und der Bär lacht, der Zirkus brüllt und der Bär lacht.

Der Bär und sein DompteurWhere stories live. Discover now