Ich schiebe mich durch das Gedränge der Menschenmasse die sich langsam in Richtung Kasse bewegt. Es war eine Scheiß Idee so kurz vor Weihnachten ins Einkaufscenter zu gehen aber nun gut, man kennt mich nicht anders. Umso näher ich der Kasse komme, desto mehr quetschen sich die Menschen zusammen. Ich gerate ins Schwanken, als mir eine alte Dame ihre vollgestopfte Tüte in die Kniekehlen rammt. Ich keuche und schon stolpere ich gegen den Mann vor mir, der sich wütend umdreht und mit dem Ellenbogen so heftig gegen meinen Brustkorb stößt, dass mir die Luft wegbleibt. Na toll, denke ich und trete vorsichtig einen Schritt zurück. Doch da passiert es. Ich falle über einen Fuß und mit einem lauten Scheppern liege ich am Boden die Geschenke die zuvor noch sicher in meinem Arm waren, unter mir begraben. Eine kleine Gruppe Menschen um mich herum macht Fotos und ein kleines Mädchen kichert und zupft an dem Ärmel ihrer Mutter. "Schau mal Mama, da ist einer hingefallen." Ich rapple mich auf und krame mein Zeug zusammen. Früher wäre mir eine solche Situation furchtbar peinlich, doch inzwischen bin ich es gewöhnt.
Draußen hat es zu schneien angefangen und vor dem Einkaufscenter schliddern die Menschen durch den Schnee. Langsam um auch ja nicht zu stolpern mache ich mich auf den Weg nach Hause. Morgen ist Weihnachten, weswegen meine Mutter, wie jedes Jahr völlig aus den Häuschen ist. Sie flitzt mit ihrer Tannenbaum Schürze und "Stille Nacht, heilige Nacht" summend durchs Haus um Lametta zu verteilen und Plätzchen zu backen. Sie übertreibt es aber immer Maßlos und in unserer kleinen 3-Zimmerwohnung sieht es aus wie in der Wichtelwerksatt des Weihnachtsmannes höchstpersönlich. Es beginnt bei dem übertrieben großen und überladenen Christbaum im Wohnzimmer und endet mit den Motivationsbildern mit der Aufschrift "Weihnachten ist, wenn Stille einkehrt" auf der Toilette. Wie dem auch sei, meine Mutter liebt Weihnachten über alles und deshalb muss jedes Fest noch perfekter sein als das Letzte, was wenn man das jetzt schon seit 17 Jahren mitmacht, mehr als anstrengend sein kann.
Meine Mutter organisiert immer eine riesige Party zu denen sie alle einlädt die "ihrem Leben einen Schimmer voll Weihnacht gebracht haben", also die halbe Welt. Sogar unseren alten schrulligen Nachbarn Mr. Finley lädt sie ein, der mich seitdem ich einmal bei ihm die Blumen gießen musste und mir ein winziges Missgeschick passiert ist, auf den Tod nicht ausstehen kann. Zugegeben das Missgeschick war etwas größer, mir ist nämlich sein Regal mit den preisgekrönten Orchideen runtergekracht und alle bis auf eine waren nicht mehr zu retten.
Es gibt aber durchaus auch Lichtblicke dieses Weihnachtsfest, denn dieses Jahr sind ich und meine Freundin Scarlett ein Jahr zusammen. Genau vor einem Jahr hatte ich all meinen Mut zusammengenommen und sie geküsst. Sie ist einfach der Wahnsinn und ich war damals mehr als verwundert, dass sie meinen Kuss erwiderte. Ihr müsst wissen ich bin weder der Typ Mensch in den sich heiße Mädchen verlieben, noch der Typ Mensch mit dem heiße Mädchen befreundet sein wollen. Ich bin einfach nur klein und pummelig. Nicht einmal mit einem herausragenden Humor kann ich glänzen. Über meine Witze lacht nämlich in der Regel keiner, außer man findet sie so lächerlich, dass man nicht anders kann als sie zu belächeln. Zudem bin ich der größte Tollpatsch den die Nation je gesehen hat. Um mein jämmerliches ich zu vervollständigen, bin ich auch nicht besonders schlau sagen meine Lehrer. Alles in allem bin ich wohl der unbegabteste, seltsamste und jämmerlichste Mensch in dieser Stadt seit sagen wir mal 585 Jahren und das ist auf keinen Fall die Anzahl der Wörter die dieses Kapitel derzeit hat. Aber gut lassen wir das, gelegentlich braucht der Autor eben auch ein bisschen Aufmerksamkeit, wenn der Protagonist an sich, so wenig Spannung und Witz mit sich bringt. Genug von mir zurück zu Scarlett. Sie ist einfach umwerfend, wunderschön, humorvoll, klug, gebildet, alles in allem ein Ebenbild der Perfektion, also das genaue Gegenteil von mir. Anscheinend liebt sie mich trotzdem und ich liebe sie. So Richtig. So wie man jemand liebt den man heiraten und niemals wieder gehen lassen möchte in guten wie in schlechten Tagen und der ganze Kram. Heute Abend sind ich, meine Mutter und meine kleine Schwester Lynn, zu dem großen vorweihnachtlichen Bankett ihrer Familie eingeladen. Ich bin seit Tagen unglaublich nervös, zum einen da ich wie ihr bereits festgestellt habt nicht gerade mit meiner Eleganz punkten kann, zum anderen weil das unser erster Jahrestag ist und ich Scarlett einen Ring gekauft habe, also ihr heute Abend unbedingt meine Liebe beweisen will, falls ihr versteht was ich meine. Schließlich bin ich fast 18 und sie meine große Liebe.
Draußen beginnt es zu Dämmern und ein meine Nervosität bewegt sich Richtung Mount Everest. Ich schlüpfe in ein neues Hemd und roter Fliege, mache mir die Haare und stelle mich vor den großen Spiegel im Flur, um mein Werk zu begutachten. Entgegen meiner kurzzeitigen Vorstellung ich könnte ganz passabel aussehen, wurde ich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Ich sah furchtbar aus. Das Hemd spannte, meine Haare hingen wie zerzauste Flusen über meine Stirn und um den Look perfekt zu machen, sehe ich mit der Fliege aus wie ein übergroßes Geschenk, in dem sich höchstwahrscheinlich ein Fußball befindet. Am liebsten hätte ich mich in meinem Zimmer verkrochen, geheult bis meine Mutter kam und mich freundlicher Weise darauf hinwies, dass eben nicht alle Menschen schön sein können. Doch aus diesem Alter war ich raus, außerdem ist heute mein großer Tag.
Es klopft an der Tür meine Schwester tritt herein. Sie sieht einfach niedlich aus. Ein knallrotes Kleidchen ziert ihren schmalen Körper und unsere Mutter hat ihre langen schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten. Mit ihrer piepsigen Mädchen Stimme, wies sie mich auf unsere baldige Abfahrt hin.
Es geht los. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und mit zittrigen Knien steige ich in unser Auto ein. Es ist soweit, jetzt muss ein einmal zeigen was in mir steckt. Mir wird schlecht, nachdem wir die zehn Minütige Fahrt zu Scarletts Haus hinter uns gebracht haben und jetzt in zunehmendem Schneegestöber vor ihrer Haustüre stehen.
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Aus dem Leben eines unbegabten
Teen Fiction"aus dem Leben eines unbegabten" ist die Geschichte eines Jugenlichen, der sich für absolut unbegabt und dumm hält, was er von seinem Umfeld auch bestätigt bekommt. Als er nun jedoch das dunkle Geheimnis seiner Freundin herausfindet, geht es in sein...