Er hat die Arme um mich gelegt. Sein Körper ist warm, er wirkt entspannt, doch sein Atem ist flach und sein Herz schlägt wie wahnsinnig. Locker, aber unregelmäßig stößt sein warmer Atem an meine Stirn.
"Emil?" Ich hebe den Kopf. Er hat mich angesprochen. "Was?" Kurz sieht er mich an, errötet und sieht wieder zur Seite. "Passt schon..." Seine Stimme ist kaum vernehmlich. Er ist mir ein Rätsel.
Seit einem halben Jahr ist er ständig bei mir und dennoch ist er mir ein einziges Rätsel. Außerdem hat er furchtbare Stimmungsschwankungen, welche auf mich, obwohl ich anderen gegenüber kaum Empathie aufweise, höchst ansteckend wirken. Die meiste Zeit macht er mich glücklich, was ich nicht bestreiten will. An manchen Tagen aber macht er mich so glücklich, dass es sich anfühlt, als würde mein Kopf explodieren. Kein Gefühl, was ich in Worte fassen könnte. An solchen Tagen schaffe ich es nicht, still zu halten. Bei Gedanken an bestimmte Personen drehe ich beinahe durch. Vor allem beim Gedanken an sie. Mein Kopf wird immer überlaufener mit Gedanken. Heißer, heißer, heißer. Doch aus unerklärlichen Gründen fliegt der Deckel nie vom Topf. An anderen Tagen wiederum ist er tieftraurig. Wir liegen den ganzen Tag auf dem Bett und tun nichts. Manchmal flüstert er mir etwas zu. Meistens verstehe ich ihn nicht. Außerdem passiert es öfter, dass er auf einmal aufspringt, mich aus dem Bett zerrt und nicht mehr stillhalten kann. Er ist mir ein unfassbares Rätsel.
Doch heute ist keiner dieser Tage. Er hat Angst, aber dennoch wirkt er entspannt. So wie ich. Ich habe Angst, zeige es ihm aber nicht. Schlucke die Angst herunter. Sanft streiche ich ihm über den Rücken. "Ich muss wirklich gehen, ja?" "Bitte nicht, Emil..." Soll ich wirklich gehen? Würde ich nicht gehen, würde ich mein Date verpassen. Ich habe schon so lange auf diese Gelegenheit gewartet, er würde sie mir nicht kaputt machen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, drückt er mich in Richtung Tür. "Geh hin. Bitte." Ich stieß seine Arme fort von mir. "Ganz ehrlich, ich habe keine Lust darauf, dass das ganze heute nichts wird und du die nächsten Wochen nur deprimiert bist." Er wurde panisch und drückte mich erneut in Richtung Tür. "Geh jetzt! Du bist sonst zu spät. Wenn du zu spät bist, hasst sie dich und will dich nie wieder treffen." "Scheiße, du hast Recht!"
Ich sprinte raus und renne zur Bushaltestelle, um nicht den Bus zu verpassen. Gerade so im Bus angekommen, sehe ich mich um. Er ist mir gefolgt. "Musst du immer überall mitkommen?" "Ohne mich würdest du sie jetzt gar nicht treffen." "Sei leise."
Meine Hände sind schwitzig. Was, wenn sie das anwidert?
Meine Haare liegen schlecht. Was, wenn sie meine Frisur scheiße findet?
Er unterbricht mich in meinem Gedankengang aus Selbstzweifeln. "Emilio, nimm dir zur Sicherheit noch ein Kaugummi." Schweigend nehme ich die Packung aus meiner Jackentasche und ziehe einen Streifen heraus. "Emilio?" Genervt sehe ich ihn an. "Was?" "Ich glaube, das alles war doch keine so gute Idee." Mein Herz und mein Kopf sind kurz vorm Explodieren. "Keine Ahnung."
Die Busfahrt zieht sich und er äußert immer mehr Zweifel. Doch in dem Moment, in dem der Bus meine Haltestelle erreicht und ich sie neben dem Bushaltestellenschild sehe, verstummt er auf einmal und ich wünsche, die Fahrt hätte noch drei Stunden gedauert. Oder länger.
"Oh Zara, warum hast du nur so verdammt perfekte Lippen?"
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Frühlingsgefühle
Short Story"Oh Zara, warum hast du nur so verdammt perfekte Lippen?" 107 in soft