Lies over Lies

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Ich lasse meine Tasche neben den Stuhl fallen und setzte mich. Ich weiß was ihr jetzt denkt. Aber nein, in der Schule bin ich nicht. Tatsächlich hat mir die Regierung eine Unterrichtsfreilassung unterschrieben, die es mir ermöglichen würde ihr ganzes Schulsystem in Frage zu stellen. Dabei sollte ich ihnen eigentlich Dankbar sein, denn sie haben mich in für eine ganze Woche frei gestellt, in der ich insgesamt vier Klausuren schreibe. Also nochmals Danke dafür, dass ich drei Wochen lang umsonst gelernt habe. Aber egal.

Der Konferenzraum in dem ich mich befinde hätte genauso gut die Befragungszelle sein können, in die ich, durch eine große Spiegelglasscheibe hindurch, sehen kann. Die Wände sind fensterlos und in einem langweiligen Weiß gestrichen. Es gibt keine Möbel außer einen Tisch, um den Stühle stehen. Der einzige markante Unterschied liegt in der Größe des Raumes. Während der Befragungsraum einem kleinen Quadrat gleicht, ist der Konferenzraum, wie ein riesiger Quader gebaut. Auch der Tisch ist ein gutes Stück größer und es stehen mehr Stühle darum als im Befragungsraum, wo sich nur zwei Stühle befinden.

Hinter mir öffnet sich eine Tür und mehrere Männer in Anzug und Krawatte betreten den Raum.

"Miss Lorents, sie sind schon hier, das ist gut" sagt der erste. Ich kenne ihn, er ist der ehemalige Vorgesetzte meines Dads. Die Männer nehmen Platz. Auch andere Gesichter sind mir vertraut. Der eine ist ein Staatsanwalt, der sein Gesicht überall dort in die Kamera hält, wo es nur geht. Geldgeiler Mistkerl. Ein anderer Mann ist ein Privatanwalt, ich nehme an er vertritt den Angeklagten, der heute vor den Test kommt. Die anderen fünf Männer kenne ich nicht, aber an ihren Marken kann ich ablesen, dass es sich bei drei von ihnen um FBI-Agents handelt.

"Könnte ich Blatt und Stift bekommen?" frage ich in die Runde. Die folgenden zwanzig Minuten werde ich mir keines Falls komplett merken können. Eine Sekretärin in Bluse, Rock und Pumps kommt in den Raum und reicht mir einen Block und einen Kulli.

"Ich verstehe ja nicht, wozu wir ein 17 jähriges Gör brauchen." meckert der Privatanwalt in reichlich grimmigen Tonfall.

"Das 16 jährige Gör wird ihnen gleich verraten wen wir hier brauchen und wen nicht.", patze ich zurück, "Wenn's nach dem Typen hier ginge", ich zeige auf den Staatsanwalt, "würde man Sie hier achtkantig rausschmeißen und den Angeklagten ohne großes Wenn und Aber für schuldig befinden. Er hat nämlich eigentlich keine großen Argumente zu liefern, wenn ihr Mandant den Lügendetektor Test besteht."

Der Mann neben mir verspannt sich unmerklich und seine Mundwinkel ziehen sich für eine Zehntel - Sekunde nach unten. Was eigentlich eine Vermutung gewesen war, wird für mich nun zur bitteren Wahrheit. Der Staat hatte eigentlich keine Stichhaltigen Beweise oder Argumente, um den Angeklagten hier noch länger fest zuhalten. Ein gutes Zeichen für mich, eine unbemerkte Geste für alle anderen, denn die Reaktion, die der Staatsanwalt gerade gezeigt hatte, ist ein Mikroausdruck, den man normalerweise nicht sieht, wenn man nicht darauf achtet und kein geschulter Meister im Körpersprache lesen ist, wie ich es bin. Und das ist auch der Grund warum ich heute hier bin. Der Angeklagte, der die ganze Zeit erwähnt wird, wird gleich in die Befragungszelle geführt werden und einem Lügendetektor Test unterzogen. Man kennt die Prozedur. Man wird mit Elektroden und dem ganzen Schwachsinn verkabelt, der dann deinen Blutdruck und deinen Puls überprüft und die Werte auf die Anzeige eines Bildschirms wirft. Anhand dieses Prinzips wird erkannt, ob der zu testende lügt, oder die Wahrheit sagt, denn lügt er schweifen die Werte von der Normallinie ab.

Allerdings sind diese Dinger mehr als unzuverlässig. Dafür bin ich da. Ich werde die ganze Prozedur beobachten und mir Notizen machen. (Dafür das Blatt und den Stift) Erkenne ich eine Lüge, die der Detektor übersieht, oder eine Wahrheit, die der Detektor als Lüge definiert, schreibe ich sie auf und erkläre dann dem FBI, warum ihre Thesen Schwachsinn sind und der Mandant unschuldig oder schuldig ist. Wobei die Arbeit danach eigentlich erst halb getan ist. Denn entscheidend ist ja nicht unbedingt, ob jemand lügt, das tun wir den ganzen Tag, sondern viel mehr warum jemand lügt. Dieses Geheimnis gilt es dann aufzudecken und dann folgen tausende Befragungen, Recherchen und sonstiger Mist. Damit habe ich aber meistens nicht viel am Hut.

Lies over LiesWhere stories live. Discover now