Vergeben & Vergessen

68 3 1
                                    



Alles war perfekt. Der Tisch gedeckt, die Kerzen brannten, das Essen gekocht und der Kamin angezündet. Es war ein einfaches Gericht. Spaghetti Carbonara, es war nicht kompliziert, doch Lily hatte den ganzen Nachmittag gestanden, was mehr als anstrengend für ihren eigentlich geschwächten Körper war. Umso erleichterter war sie, als sie sich endlich auf die Stühle von IKEA setzen konnte, die Servierte ordentlich neben ihren Teller legend, und die restlichen fünf Minuten auf ihre Partnerin wartend, um sie mit dem Essen zu überraschen.

Doch aus fünf Minuten wurden schnell zehn. Zwanzig, dreißig, eine Stunde, zwei Stunden... nach drei Stunden hörte Lily, wie das Schloss aufgeschlossen wurde und hielt in ihrer Bewegung inne. Sie war dabei, die Teller abzuräumen und sich zu viel zu bewegen. Was der Doktor ihr eigentlich verboten hatte. Sie stellte den Teller wieder auf den Tisch und sah ihre Freundin an, die gerade zur Tür hereinkam und seufzend wieder abschloss. Als Eva ihre Freundin sah, blieb sie ertappt stehen.

„Du wolltest vor drei Stunden zu Hause sein.", sagte Lily und verschränkte die Arme, „Du hast mir versprochen, heute Abend nicht zu spät zu kommen."

„Ich wurde auf der Arbeit aufgehalten.", sagte Eva und zog sich die Jacke aus, den Tisch mit dem kalten Essen nicht einmal eines Blickes würdigend.

„Drei Stunden?", fragte Lily ungläubig.

„Ja. Du magst es nicht glauben, aber wenn man selbständig ist, kann das schon mal passieren." Eva kam auf Lily zu und wollte sie küssen, doch Lily drehte sich weg.

„Was hast du?", fragte Eva.

„Als ich dich heute Mittag angerufen habe, hast du mir versprochen, pünktlich da zu sein. Das hatte einen Grund!", erwiderte Lily. Nun sah Eva das erste Mal auf den Tisch und bemerkte die Kerzen, die ausgebrannt waren und das Essen, dass ungerührt und kalt auf den Tellern lag. Die Weingläser, wobei in dem Glas von Lily Wasser drin war und das von Eva halb befüllt.

„Oh.", machte sie, „Du wolltest mich überraschen."

„Ich wollte mit dir feiern.", sagte Lily und setzte sich hin, da sie sich zu schwach fühlte, um zu stehen, „Du weißt schon. In deinem Job läuft es gut und ich fange bald meine Reha an und bin endlich Krebsfrei. Ich dachte, es wäre eine gute Zeit, um es mal zu genießen und Zeit miteinander zu verbringen."

„Lily.", seufzte Eva, „Du weißt, dass ich nicht vollkommen sicher sein kann, wann ich zu Hause bin."

„Alles, was ich will, ist mehr Zeit mit dir zu verbringen. Das letzte mal so richtig zusammen waren wir im Krankenhaus, und um ehrlich zu sein wünsche ich mir schönere Bedingungen, als Krebs zu haben, damit du endlich mal bei mir bist."

„Wir sind seit vier Jahren zusammen, wir müssen nicht mehr andauernd auf einander hocken.", meinte Eva.

„Das heißt nicht, dass wir aneinander vorbeileben sollen!", erwiderte Lily, „Ich habe das Gefühl, deine Firma ist dir wichtiger, als ich."

„Meine Firma braucht Zeit und Aufwand. Ich muss alles investieren, damit es uns bald gut geht. Also ja, in der Hinsicht, ist mir die Firma momentan wichtiger, damit wir später ein angenehmes Leben führen können!"

Stumm sah Lily Eva an und lachte freudlos auf.

„Ich glaube es nicht.", sagte sie und stand verbittert auf, „Ich gehe spazieren."

„Lily, du darfst nicht so lange laufen.", meinte Eva.

„Kann dir doch egal sein.", murmelte Lily, stand auf und zog sich die Jacke über, bevor sie zur Tür heraus ging. Die Tür knallte zu und Eva zuckte leicht zusammen.

Vergeben & VergessenWhere stories live. Discover now