Gestresst lief ich die lange Straße entlang und kam schlitternd vor der Tür zu meinem Laden zum Stehen. Es war aber auch verflixt glatt geworden. Von wegen der Dezember in England sei besonders milde. Davon hatte ich noch rein gar nichts mitbekommen.
Meine Laune dieses Jahr zur Weihnachtszeit ließ auch zu wünschen übrig, wie mir Grace erst gestern an den Kopf geworfen hatte. Aber wen wunderte es? Ich hatte mich grade erst selbstständig gemacht und dieser Schritt hatte einiges an Mut erfordert. Dennoch bereute ich es nicht. Ich wusste das Liam mich in jeglicher Weise unterstützte. Bis jetzt hatte ich seine finanzielle Hilfe allerdings noch nicht benötigt und darüber war ich auch froh. Seinen seelischen Beistand aber hatte ich nahezu jeden Tag in Anspruch genommen, über ein halbes Jahr lang.
Nun aber betrat ich jeden Morgen meinen eigenen kleinen Buchladen an der Regent Street und schloss ihn auch jeden Abend gewissenhaft wieder ab. Außer mir gab es hier auch noch kein Personal, das diesen Job erledigen konnte. Bis vor etwa zwei Wochen hatte mich das auch nicht weiter gestört, ich arbeitete gerne alleine. Aber jetzt, zur Weihnachtszeit, wollten die Leute Bücher kaufen wie verrückt. Einerseits war das gut für mein Geschäft, andererseits bedeutete es aber auch, dass ich kaum mehr Zeit für etwas Anderes hatte als die Arbeit. Und das fiel mir grade unheimlich schwer. Zumal Liam auch kaum etwas anderes mehr tat al zu arbeiten.
Hätte ich ein oder zwei Mitarbeiter, dann hätte ich vielleicht etwas kürzer treten können und würde meinen Ehemann etwas öfter sehen. Aber das war ein Luxus, von dem ich in der jetzigen Lage nunmal nur träumen konnte.
Leise seufzend drehte ich das Schild an der Ladentür auf geöffnet und sortierte die Bücher auf den Auslagen neu, bis die ersten Kunden hereinschneiten. Eigentlich fand ich immer etwas zu tun, auch wenn mal keine Kunden im Laden waren, aber in den letzten Monaten kam ich mit der Arbeit kaum mehr hinterher.
Dieses Jahr würde wohl das traurigste Weihnachten werde, das ich seit langem erlebt hatte, so ganz ohne meinen Mann und ohne meine Familie. Liam war auf der anderen Seite der Erde und meine Familie in Deutschland hatte so viel zu tun, dass sie mich nicht einfach mal in England besuchen konnte.
Aber immerhin konnte mich die Arbeit ein wenig ablenken. Vor allem das junge Mädchen, das mich so unfassbar an mich selbst erinnerte und beinahe jeden Tag bei mir im Laden vorbeikam sorgte für Zerstreuung. Sie las sich durch meine Bücher und eigentlich sollte ich es ihr verbieten, immerhin förderte es meinen Umsatz nicht, wenn sie die Bücher in meinem Laden las und sie dann wieder zurück ins Regal stellte. Aber wie konnte ich jemandem die Liebe zu Büchern verbieten?
So kam es, dass ich Emily eines Tages einfach ansprach.
„Wenn du hier weiter so viele Bücher liest ohne sie zu bezahlen, muss ich meinen Laden bald zumachen", scherzte ich, was die junge Frau ein wenig zusammenzucken ließ. Sie mochte vielleicht 16 Jahre alt sein und war definitiv eine Eigenbrötlerin, genau wie ich damals.
Emily sah mich entschuldigend an und machte Anstalten das Buch zurückzulegen, aber ich winkte nur ab. „So gut wie du dich hier auskennst, könntest du mir auch einfach etwas helfen."
Es war nicht ganz richtig, und wenn Emily etwas passierte, während sie für mich Bücher sortierte, dann war ich dran, dessen war ich mir durchaus bewusst, aber das Strahlen in ihren Augen brachte mich dazu, die Sorge darüber erstmal in die hinterste Ecke meines Kopfes zu schließen.
„Was muss ich tun?"
Eine einzige Frage, ein Mädchen, das immer wieder bei mir auftauchte, mehr brauchte es gar nicht, um mir die Weihnachtszeit doch etwas zu versüßen.
Es stellte sich heraus, dass Emily unheimlich intelligent und witzig war, nur sah das in ihrer Familie niemand. In einer Familie aus Sportlern und Musikern war sie als Bücherwurm manchmal etwas fehl am Platz. Deswegen kam sie auch so gerne in meinen Laden, wie sie mir an einem ruhigeren Nachmittag gestand.
DU LIEST GERADE
Weihnachtswichtelgeschichten
FanfictionDieses Jahr gibt es die Wichtelgeschichten mal bei mir und nicht auf unserem Gemeinschaftsprofil und zwar, weil Watty mich da nichts hochladen lässt. Für Jasmin und für Michelle, immer dran denken, zuerst die Geschichte lesen, die für euch bestimmt...