Kapitel 1

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Unsanft wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Mary, die Bibliothekarin, tippte mir ungeduldig auf die Schulter. Ich würgte Birdy ab, nahm meine Kopfhörer aus den Ohren und schaute sie entschuldigend an. „Dein Unterricht fängt gleich an Sophie." Sie schaute mich mit wachen Augen an. Mary kannte meinen Stundenplan, weil ich jeden Tag meine Mittagspause hier in der Bibliothek verbrachte. Seit ich denken konnte. Ich hatte schon so gut wie alle Bücher, die es hier gibt, verschlungen. Daraus könnte man schließen, dass ich keine Freunde hätte. Tjaha, falsch gedacht. Ich habe Freunde! Naja, nicht viele...okay, eine: Kat. Das reicht aber auch. Mit den ganzen anderen von unserer Schule wollte ich gar nichts zu tun haben. Ich nickte Mary freundlich zu, nahm meinen Rucksack, mein Buch und meinen iPod und machte mich auf den Weg meinem Spint. Mit gesenktem Kopf lieg ich durch die Gänge um möglichst niemandem aufzufallen. Nach mehreren Stößen gegen meine Schulter, landete ich schließlich bei meinem Spint. 1307. Die Kombination gab ich fast im Schlaf ein. Verstohlen schaute ich auf meine Uhr. Nach 10 Minuten. Eigentlich müsste B... „Na du?!", Kat schlug meine Spinttür mit Schwung zu. „Er war heute schon Anfang der Pause hier, um seine Sachen zu holen. Also vergeblich." Ihr grünen Augen strahlten vor Schalk. Mit einem Seufzer öffnete ich erneut den Spint und nahm meine Sachen.

Nach Mathe, unserer letzten Stunde, verließ ich mit Kat den Raum. „Das Buch ist der Wahnsinn! Und der Hauptcharakter ist soo süß.", schwärmte ich. „Ich muss mir jetzt den nächsten Teil holen. Ciao." Kat winkte mir grinsend hinterher. Am anderen Ende des Flures, genau da wo ich jetzt hinmusste, standen Ben, Felix und ein paar andere Sportler und unterhielten sich. Ich ließ ein paar Haarsträhnen vor mein Gesicht fallen, um die hochrote Farbe zu verdecken, und hoffte inständig dass sie mich nicht bemerkten. Fehlanzeige . Als ich an ihnen vorbei ging, sah ich, dass Ben mich anschaute. Felix zog mich am Ärmel zurück und meinte: „Na Nerd, wo hast du denn deine Freak-Freundin gelassen." Keine Frage, eine Feststellung. Als ich weiterging ohne ein Reaktion zu zeigen, wollte Felix mich festhalten. Irgendwas hielt ihn jedoch davon ab. Besser gesagt irgendwer. In diesem Moment hörte ich Ben sagen: „Lass sie doch, Felix." Wenn überhaupt möglich, wurde ich noch röter. Ben, DER Ben hatte mich verteidigt! „Wirst du jetzt zum Jungfern-Retter?", Felix grinste Ben spöttisch an. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich stehengeblieben war. Die Sportler starrten mich an. Ein Ruck ging durch meinen Körper und ich bewegte mich weiter in Richtung Bibliothek.

Mary winkte mir freundlich lachend zu. Sie sah gleichzeitig so alt und so jung aus, sodass niemand so recht sagen konnte, wie alt sie tatsächlich war und gehörte hier schon praktisch zum Inventar. Ich nahm das Buch aus meinem Rucksack. „Schon fertig?", Mary streckte mir ihre Hand entgegen, damit ich das Buch hineinlegen konnte. Ich lächelte scheu und sagte: „Mathe war nicht ganz so spannend." „Na, du kennst dich ja hier aus.", meinte Mary grinsend. Ich ging zu dem Regal nach hinten, wo die Buchreihe stand. Mit dem Finger fuhr ich über die Buchrücken. Kein Körnchen Staub blieb an meiner Fingerspitze hängen. Mary war sehr penibel was das Putzen anging. Das gleichmäßige Tippen ihrer Finger auf der Tastatur war das einzige wahrnehmbare Geräusch. Nach ein paar Sekunden stieß ich auf den grünen Einband des gesuchten Buches. Just in dem Moment öffnete und schloss sich die Tür zur Bibliothek. Komisch. Nach dem Unterricht kam normalerweise keiner mehr freiwillig her. „Ben, da bist du ja!", rief Mary einmal quer durch den Raum. Ben! Mein Puls beschleunigte sich automatisch. Vorsichtig spähte ich um die Ecke und sah die beiden reden. Leider konnte ich nicht verstehen über was. Plötzlich sah Mary hoch und erblickte mich. Und was soll ich sagen? Mary war definitiv kein Mensch den man als unauffällig bezeichnen kann. Sie winkte mich aufgeregt zu sich und Ben. Den Blick auf den Boden gerichtet, stellte ich mich neben den Quarterback unseres Schulteams und schwieg. Mary klatschte voller Vorfreude in die Hände, was mich und auch Ben zusammenzucken ließ, und strahlte uns beide an. „Los! Folgt mir, ich muss euch etwas zeigen." Was blieb uns anderes übrig.

30 Futurists (vorläufig)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt