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"Avian, die Teller müssen zum Tisch dort hinten, nicht zu dem da vorne" die englische Sprache war immer noch nichts das ich mit Leichtigkeit meisterte, doch zumindest zum groben Gebrauch war ich fähig. Die drei Wochen in Washington hatten mir einen kleinen Einblick in dieses riesige Land gegeben, doch noch immer war ich nur ein Gast, ein russischer Teenie der keine Ahnung hatte, aus welchem Grund er umbedingt hatte Amerika als das Ziel seines Neuanfangs hatte wählen müssen.

Doch wo mir die neue Sprache zumindest meistern konnte, da waren meine Versuche an einen Job zu gelangen -und vorallem zu behalten- ein hartes Stück Arbeit. Mit einem unbeendeten Studium in den Bereichen Management und Organisation, sowie Erfahrungen in einer Chefposition ließ sich in den Staaten kaum eine Arbeitsstelle finden. Nur ein Haufen Kosten, verursacht durch Hostels, Essensrechnungen und Wäschereien.

Ich hatte 5.000 Us-Dollar durch die Verpfändung meiner Mitbringsel zur Verfügung gehabt, nach nur 4 Wochen und einem überteuerten Flug waren es genau 2115$ und ein Wertcoupon, sorgfältig verstaut in meiner Jackentasche um nicht das Risiko einzugehen man könnte es im Hotel stehlen. Ich musste meinen Lebenstil ändern oder elendig verrecken. Auch mein Aushilfsjob als Keller würde mir nicht viel helfen.

In meine Finanzen gesunken übersah ich das hölzerne Tischbein, stolperte und ließ die drei dampfenden Teller Lasange auf das weiße Hemd des Gastes fallen ehe ich selbst zu Boden ging, laut fluchend und mit der Erkenntnis das ich einen neuen Versuch brauchte einen Job zu finden. Ich war einfach nicht für solche Arbeit gemacht. Mein Leben war für andere Zwecke vorhergesehen. Oder es zumindest einmal gewesen.

"AVIAN" mein Boss tat genau das was alle anderen vor ihm auch getan hatten. Ließ ich für den Schaden aufkommen, hielt mir eine Standpauke und schickte mich ins Nirwana. Tellerwäscher, Kellner, Ticketverkäufer. Es gab keinen Beruf den ich beherrschte.

Wütend kickte ich ein paar Stunden später eine leere Dose vor mir her, hörte wie das dünne Metal gegen eine Ziegelwand prallte, ihr Schall die gesamte Gasse hinuntergeworfen wurde ehe der Regen ihren Krach verschluckte.

Die Dämmerung hatte eingesetzt, wohl ganz Chicago in ein warmes Gold getaucht, den frühlingshaften 20° eine höhere Empfindung verliehen. Die Luft war feucht, mahnte vor dem Regen der in der Nacht folgen würde. Die schwache Siluette des Sichelmodes stand der tiefstehenden Sonne entgegen.

Ich seufzte, blieb ein paar Sekunden zwischen den Wolkenkratzern und Überresten einer Industriemetropole stehen, wartete einfach ob die Erleuchtung wie ich mein Leben weiterführen konnte nicht von ganz alleine kam. Ich konnte nicht mehr nach Hause. Nicht mehr zurückkriechen. Plötzlich war ich zwischen hunderttausenden Menschen ganz alleine in der Welt.

Ich zog meinen teuren Kaschmiermantel ein wenig zu als ein paar Windböen aufkamen, das Pfeifen des Windes zwischen den hohen Häusern sich mit dem Zischen der Autos auf den vielen Straßen zu einem monotonen Lärm verband, einzig durchdrungen von den energischen Gesprächen von Passanten die an mir vorbeigingen und zeitweisem Hupen aus Richtung der mehrspurigen Fahrbahnen.

Meine Augen suchten permanent nach Aushängen in den spiegelnden Schaufenstern, nach einer Chance an Geld zu kommen. Ich konnte an diesem Tag nicht einfach mein Hostel betreten ohne eine Zahlungsalternative zu haben. Mein Stolz wollte sich nicht einmal mit diesem Ereignis beschäftigen.

Es sollten noch genau zwei Stunden sein in denen ich mich damit befasste die in der untergehenden Sonne erst blutrot und dann purpur glänzenden Läden nach Jobangeboten zu durchsuchen, auf irgendetwas zu hoffen das mein Leben vereinfachen würde, nachdem es plötzlich so schnell verloren gegangen war.

Ich fasste in die Tasche meines Trench-Coats, versicherte mich das die vielen Dollarscheine noch immer an Ort und Stelle waren. Das Kleidungstück selbst musste mich einmal 500.000 Rubel gekostet haben, gut 8000 Dollar. Nicht eine meiner teuersten Stücke, doch somit auch keines an dem ich wirklich hang. Er würde gutes Geld machen.

Als die Sonne entgültig niederging und nur noch das Licht der Straßenlaternen mir den Weg leuchtete entschied ich mich meine Würde hinunterzuschlucken, wenn auch nur für einen Abend, morgen nach einer Lösung zu suchen, ausgeruht und in aller Frühe.

Ich musste meiner Situation eine gewisse Komik zugestehen, wie ein Mensch der von Kindesbeinen auf nichts anderes als Reichtum und Überfluss gekämpft hatte nun versuchen musste seine Exsistenz zu sichern. Wohl ein ziemlicher Tiefpunkt meines Lebens. Ich hoffte es würde der einzige bleiben.

Doch, wie so oft der letzten Zeit wurde ich bitter enttäuscht, in genau der Sekunde in der ich beim Vorbeigehe eine Gestalt in einer der Gebäudenischen bemerkte, von elektrisch-grünen Augen fixiert wurde. Ich hatte etwas sagen, drohen die Polizei zu rufen oder einfach nur schreien wollen. Zu nichts sollte ich an diesem Abend kommen.

Eine Hand drückte fest auf meinen Mund, aus der einen Person wurden plötzlich viele, ein siffiger Haufen, eine Gruppe zwielichtiger Menschen. Der Besitzer der grünen Augen trat vor, grinste mich mit einem Lächeln verfaulter Zähne an, die Lippen spröde und zerrissen, die Nase wohl von einem vergangenen Treffer vollkommen verformt. "Siehst aus als hättest du gut Geld Kleiner"

Ich gab ein paar unverständliche Geräusche von mir, versuchte mich aus dem stählendern Griff zu lösen, trat um mich. "Wir können das ganz einfach machen. Gibt mir was du dabei hast, vergiss was du hier gesehen hast, verschwinde so schnell du kannst" er machte einen fatalen Schritt nach Vorne, wollte zu meinem Mantel greifen, kam mir dabei nah genug um ihn einen tiefen Knieschlag in die südliche Region zu verpassen.

"Der hat Biss, passt auf." Es war wohl eine etwas zu sarkastische Tatsache das ich es in genau dieser Sekunde schaffte seinem Helfer in den Finger zu beißen, mich in seinem Schockmoment befreien konnte.

Ich durfte dieses Geld nicht verlieren. Ich würde sterben wenn es mir abhanden kam. Mit diesem Gedanken rannte ich los, nur um im nächsten brutal zu Boden gerissen zu werden, verzweifelt nach Luft zu schnappen als ich auf dem flachen Rücken landete, aller Sauerstoff aus meinen Lungen gepresst wurde.

Ein Tritt landete in meiner Hüfte, entlockte mir einen weiteren Schmerzenslaut "Kleiner Bastard" ich rollte mich auf die Seite, kassierte einen weiteren Fuß in meinem Abdomen. Ein scharfes Zischen verließ meine Kehle, ein weiterer Treffer wurde an meiner Wirbelsäule platziert.

Nach unzähligen weiteren Verletzungen war ich schon fast dankbar für das Erbamen mir ein letztes Mal gegen den Kopf zu treten und mich damit entgültig ins Reich der Träume zu schicken, einen heftigen K.O. Tritt zu landen.

Doch so wurde mein Leben nur ein weiteres Mal ein wenig beschissender.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 10, 2018 ⏰

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Cinderella Syndrom BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt